Im Glanz der Rose von Sitamun (Weil ich ohne dich nicht leben kann) ================================================================================ Kapitel 20: Bei mir ------------------- Finger einer fremden Hand wischen mit einer liebevollen Berührung die Tränen weg, die ohne Unterlass über meine Wangen laufen. Ich öffne die Augen und sehe in die seinen. Sehe sein verständnisvolles Lächeln. „Vermisst du mich denn so sehr?“ Seine Hand streicht über mein Haar, eine beruhigende Geste. Wieder nicke ich, zaghaft, halte meine Tränen nicht auf. Sein mitfühlendes Lächeln wird nicht unsicher, vielleicht sogar ein bisschen breiter, er schüttelt den Kopf. „Kann ich dir das glauben oder lügst du wieder?“ „Die Wahrheit … sie tut sie unglaublich weh … ich … wollte nicht, dass …“ Ich höre auf, kann nicht weiter reden. Lege das Kissen vor meiner Brust zur Seite und strecke die Arme nach ihm aus. Er nickt, kommt der Aufforderung nach und setzt sich neben mich, schließt mich in seine Arme und gibt mir die Wärme, nach der ich mich scheinbar Ewigkeiten verzehrte. Ohne ihn … so … So unfassbar … Meine Tränen benetzen sein Hemd. Immer und immer wieder murmele ich seinen Namen, meine Finger krallen sich in den Stoff, der seinen Körper bedeckt, ohne ihm dabei weh zu tun. Ich will nicht … er soll … „Bitte … du kannst nicht wieder gehen … ich – ich kann doch nicht … Sasuke, bitte!“ Er antwortet nicht und deswegen sehe ich nach oben, in sein Gesicht, doch seine Augen sind geschlossen, seine Augenbrauen zusammengezogen. Als würde er würde so mit mir sprechen, keine Antwort geben können. Der Druck seiner Umarmung wird ein wenig fester. Er schweigt weiterhin. Bleibt einfach da, gibt mir Wärme und Geborgenheit. Schenkt mir ein wenig Glücklichsein. Trotz der schmerzenden Wahrheit. Ich hatte nicht einmal im Ansatz damit gerechnet, immer noch seinen Arm auf mir zu spüren und ihn sein Gesicht zu sehen, wenn ich wieder aufwache. Mein Herz hatte sich schon gestern Abend damit abgefunden, als mein Blick auf den seinen traf, dass ich letzten Endes alleine sein werde, egal, was kommt. Heute Morgen, vor wenigen Stunden, als meine Tränen noch nicht versiegt waren und ich immer noch Trost und Schutz in seinen Armen suchte, kam Naruto nach Hause, laut, wie jedes Mal davor. Er rief nach mir und ich antwortete ihm, aber er kam nicht zu mir. Sondern fragte mich über die Distanz hinweg, was ich heute getan hätte, ob von dem Essen noch was übrig sei und als wäre Sasuke nie aufgetaucht, sagte ich ihm, dass Ino heute hier gewesen wäre und dass sein Essen im Kühlschrank stände, er müsste es sich nur warm machen. Und dann herrschte eine Weile Ruhe. Nein. Es war unerträglich laut, wie jedes Mal, wenn er nach Hause kommt. Ich hörte, wie das Gespräch, das er mit wem auch immer geführt hatte ihm nachhallte, ihm an seinen Fersen hing und ihn nicht einmal im Traum loszulassen gedachte. Es wurde wieder so warm und ich fächelte mir mit der Hand Luft zu. Eine halbe Stunde später durchbricht seine Stimme den Lärm und er wünscht mir eine gute Nacht. Dieselbe Antwort wie immer. Von Naruto ist nichts mehr zu hören und mein Blick, der die ganze Zeit auf Sasuke geruht hatte, nimmt diesen jetzt erst wieder richtig war, den belustigten Ausdruck in seinen Augen. Mir fällt die Nacht ein, die zu all dem hier erst führte und ich vergleiche sein Gesicht aus meinen Erinnerungen mit dem, das ich jetzt sehen kann. Der Unterschied zwischen ihnen ist eindeutig. Sasuke … Ich weiß, dass er nicht hier bleiben kann, nicht einfach sagen kann, dass die letzten fünf Jahre am besten vergessen gehören und er wieder in dem Dorf leben will, in dem er geboren wurde. Das kann er nicht. Und weil er es ist, der es nicht kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren. Ich kann wieder lügen, ja, mir stundenlang Lügen erzählen. Aber das ändert nichts daran, dass er trotzdem nicht bei mir bleiben kann. Er wird wieder gehen müssen. Der lang ersehnte Kampf mit seinem Bruder und aus zwei übrig gebliebenen Überlebenden des Clans wird einer, wenn nicht sogar keiner. Und zu diesem Zeitpunkt ist der letzte, der den Namen Uchiha tragen darf, vermutlich nicht einmal älter als drei Tage. Vielleicht ist er noch gar nicht geboren. Eine unausweichliche Tatsache, die ich mir nicht schön malen kann. Und ich kann auch nichts daran ändern, weil ich niemals mit einem ungeborenen Kind in mir kämpfen kann um den Vater zu verteidigen, auch wenn es gegen seinen Willen ist. Es bleibt nur die Wahl, ob er in der Nacht am ersten Abend des Vollmondes noch leben wird oder nicht. Und es ist nicht er, der die Wahl zu treffen hat. Ich blicke auf sein entspanntes Gesicht. In seine geschlossenen Augen. Darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, streiche ich ihm vorsichtig ein paar seiner dunklen Strähnen aus dem Gesicht, beobachte ihn, präge mir jedes Merkmal ein. Seine schön geschwungenen Augenbrauen. Die dichten Wimpern. Die vollen Lippen. Die hohen Wangenknochen. Und wenn sie geöffnet wären, dann könnte ich seine bezaubernden Augen sehen, die von einem solch dunklen Grün sind, dass sie fast schon schwärzlich wirken. Noch immer liegen wir in dem Bett seiner Eltern. „Hast du sie jemals abgenommen?“ Eben jene vollen Lippen bewegen sich plötzlich, formen Worte. „Hast du mich erschreckt - warum hast du nicht gesagt, dass du wach bist?“ Ich hatte nicht damit gerechnet, hatte geglaubt, er würde noch schlafen und deswegen erschrecke ich auch, als ich seine leise Frage höre. „Tut mir leid … hast du sie abgenommen?“, stellt er sie noch mal und seine Stimme klingt so besonders … anders, als ich sie je zuvor gehört habe. Eine Gänsehaut jagt mir über den Körper. „Nein. Immerhin hat … Itachi dir doch eine Menge bedeutet, oder?“ Ich stelle diese Frage vorsichtig, bin mir nicht sicher, ob er mich gleich dafür hassen würde. Immerhin kannte ich ja nur Itachis Sicht; Sasuke hatte nie etwas erzählt, was irgendwie irgendwelche Gefühle barg. „Ich habe ihn nie wirklich gemocht, aber … ja, du hast Recht. Ich liebte ihn dennoch.“ Überrascht darüber, dass er dennoch antwortet und seine Worte nicht einmal gelogen klingen, lächele ich. Glücklich. So unbeschreiblich froh darüber, dass er da ist. Und dass er trotz der langen Zeit, die er bei dem letzten der drei San-nin verbrachte, um dort härter zu trainieren als menschenmöglich, ehrlich sein kann. Gefühle hat wie jeder von uns. „Das ist für mich Grund genug, sie zu tragen und zu beschützten.“ Er öffnet daraufhin seine Augen, blickt in die meinen, und einen Augenblick später lächelt auch er, schwach, aber er tut es. „Würdest du sie mir zurückgeben, wenn Itachi für das bezahlt hat, was er mir angetan hat?“ Was er mir angetan hat Selbst aus seinem Munde klingen diese Worte nicht mehr schmerzhaft, nicht mehr leidend unter dem Hass und der ungebändigten Wut. Fast wie eine Lüge. Itachis Brief änderte meine Meinung von ihm auf eine Weise, die ich selbst … manch einer würde den älteren Bruder für krank halten, als er diesen Brief las. Ist es denn nicht irgendwo verständlich? Aber diese besondere Liebe, die die beiden teilten – was ist damit? Diese Hassliebe, die sie immer noch teilen? Sie gehören einfach … „Ja.“ „Sasuke?“ „Mh?“ „Hast du die anderen beiden Seiten des Briefes?“ Er seufzt, steht auf und ich tue es ihm gleich. Er greift zu seiner Shurikentasche, öffnet sie lautlos und nimmt zwei, oder drei Seiten Papier heraus und gibt sie mir. Sie sehen nicht ganz so ordentlich aus wie die Seite, die all die Jahre in der Kiste ruhte, sind leicht eingerissen, doch auch sie sind leicht vergilbt. Mit ihnen in der Hand gehe ich aus dem Schlafzimmer heraus, Sasuke folgt mir geräuschlos. Die Kerzen brennen schon lange nicht mehr. Auf dem Weg zu meinem Zimmer muss ich an Narutos, Itachis altem, Zimmer vorbei und für einen Augenblick bleibe ich davor stehen, lausche durch die Tür. Doch noch bevor ich irgendetwas hören konnte, tippt Sasuke mir bereits auf die Schultern und deutet mir, dass die Person dort drin am Schlafen ist. Ich gehe weiter. In meinem Zimmer angekommen fällt mein Blick wie üblich zu erst auf all die Fotos, die ich jedoch nur sehen kann, weil ich weiß, dass sie dort stehen. Es ist viel zu dunkel. Ich taste mich vorsichtig durchs Zimmer, zünde die Kerze an, die auf meinem Nachtschränkchen steht. Die Deckenlampe möchte ich nicht anmachen. Ihr Licht ist viel zu grell. Die Kerze verströmt einen lieblichen Duft von Rosen, diesen stolzen roten, und ist hell genug. Die kleine Kiste, die Sasuke bei seinem letzten Besuch unter dem Boden hervorholte und die ich seit dem vorerst, bis ich nicht mehr durch meinen Babybauch verhindert sein würde, in meinem Kleiderschrank versteckte, hole ich hervor und stelle sie neben die Kerze, hole die Seite heraus, die ich bereits gelesen hatte. Setze mich aufs Bett und Sasuke neben mich. Der vollständige Brief … Vorsichtig entfalte ich die Seiten, die Sasuke mir gerade gab und lege die, die ich bereits habe, dazwischen. Ich will den Brief komplett lesen. Alles verstehen. Sasuke liest über meine Schulter mit, obwohl er den Brief vermutlich in- und auswendig kennt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)