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Im Glanz der Rose

Weil ich ohne dich nicht leben kann
von

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Ein sehnsüchtiger Blick

Er ging.

Ich weiß.

Vor Ewigkeiten.

So kommt es mir zumindest vor.

Ich weiß sehr wohl, dass es nur vier Jahre sind, und auch, wenn wir das letzte dieser vier Jahre damit verbrachten, nach ihm zu suchen, ihn zwischendurch auch fanden und dann doch wieder aus den Augen verloren, bleiben es Ewigkeiten.

Er ist weg.

Ich liebte ihn, über alles. Er war mir wichtiger als mein Leben, sehr viel wichtiger, doch das ist vergangen und es stört mich nicht im Geringsten. Heute ist heute und damals war damals.

Das ist ein Unterschied, der einem sofort ins Auge springt.

Ich lebe mein Leben und er lebt seines.

Wo ist da etwas undeutlich?

Genau. Das dachte ich auch.

Nirgends.

Ich will ihm nicht mehr hinterher trauern.

Kann auch nicht mehr.

Es ist genug.

Schon lange.

Ich habe ihn aufgegeben.

Brauche ihn nicht mehr.

Punkt.
 

Es gibt noch genug andere Fische im Teich.
 

Und auch wenn ich mir heute keinen dieser anderen Fische angeln mag, sehe ich, wenn ich jetzt in den Spiegel blicke, eine bezaubernde Frau.

Das blonde Haar kunstvoll hochgesteckt, mit Spangen darin, die den Kopf schwer machen und eine gute Nackenmuskulatur erfordern, wenn man stundenlang mit dieser Frisur rumlaufen will, muss, kann – wie auch immer.

Das Gesicht ist leicht weißlich geschminkt, bis runter zur Brust und bis zum Nacken, der von dem feinen, aber schweren Stoff frei gegeben wird.

Der Kimono, der den schlanken Körper umgibt, ist von zarten Pastell- und Fliedertönen, eine liebliche Kombination.

Ein Blick aus sehnsüchtigen blauen Augen.
 

Wer hätte gedacht, dass eine militärische Einrichtung wie mein Dorf eine ganze Okiya besitzt?
 

Ich lächele. Mein Aussehen erinnert mich stark an die Geishas aus meiner Kindheit, von denen meine Großmutter mir immer vorgeschwärmt hatte. Doch heute, so meinte sie wehleidig, würden solche Werte von Schönheit nicht mehr geschätzt.

Ich will ihr hiermit keinen Gefallen tun.

Mir gefällt nicht einmal selbst, was ich tue. Wie ich herausgeputzt werde.

Aber eine Kriegerin, eine Ninja, wie ich es bin, weigert sich nicht, eine Mission anzunehmen.

Um sie zu erfüllen – dafür wird man ein Schattensoldat.

Und dafür bringt man Opfer.

Ein weiterer Blick zum Spiegel.

Das größte Opfer ist wohl die blonde Perücke; ich mag mein rosa Haar viel lieber.

Und die blauen Augen …
 

Eine bezaubernde Frau …

Ich greife zu den Kunai links neben mir, verstecke sie in meinem Obi, an meinen Oberschenkeln und an sonstigen Stellen, an denen kein Mann sich zur vergreifen wagen wird, der nur nach Unterhaltung verlangt.
 

„Dein Opfer ist Matsuda Shirakawa. Deine Rückkehr wird in spätestens drei Tagen erwartet. Du weißt, welche Informationen du von ihm zu beschaffen ist. Töte das Zielobjekt, wenn es nicht anders geht.“
 

„Geh!“
 

Matsuda Shirakawa.

Eine unbedeutende Person.

Ich glaube nicht, dass er überleben wird.

Eine letzte Überprüfung des Giftes und anderer zerstampfter Medikamente, die ich dicht an meiner Haut versteckte.

Alles da.

Ich gehorche.

Meine Mission wartet.

Aber wenn ...

Aus seinem Mund stinkt es nach Alkohol und ich bedauere es fast schon, ihn so weit getrieben zu haben – um meiner selbst Willen versteht sich.

Mein Magen dreht sich fast um bei der Vorstellung noch länger als fünf Minuten so nah bei ihm zu sein um ihn endlich gesprächig zu bekommen. Aber ich glaube nicht, dass es noch allzu lange dauern wird. Sein Blick, der vorhin, als ich mich zu ihm gesellte, noch fest war, unzerbrechlich, ist bereits weich geworden.

Er wird reden.

Sicherlich.

Ich berede ihn, flüstere ihm die süßesten Worte ins Ohr und er grinst nur dümmlich als Antwort, legt seinen Arm um mich und drückt mich an ihn.

Wenn er redet, lallt er bereits und es wird immer schwerer, ihn genau zu verstehen.

Langsam und vorsichtig, immer noch von begleitet von gehauchtem Süßholzraspeln, stelle ich ihm die Fragen, die ich stellen muss. Er antwortet mit stolzem Grinsen, gibt all die Informationen problemlos frei, die ich haben muss, und ihm scheint es noch nicht einmal in den Sinn zu kommen, dass ich vielleicht nicht die bin, für die ich mich ausgebe.

Und wenn doch … ihn interessiert es anscheinend nicht.

Sein Mund an meiner Wange haucht die Antworten, nach denen ich verlange, und mir wird immer schlechter, aber ich drücke ihn nicht weg, hole nur tief Luft als er sich kurz wegdreht um einen Schluck Sake zu trinken.

Er nuschelt und das einzige, was ich verstehe, ist sein letzter Fluch auf uns Schattenkrieger aus dem Dorf, das versteckt unter den Blättern liegt. Dann macht sich die Unmenge an Reißwein, die er an diesem Abend in sich reinkippte, bemerkbar und er fällt nach hinten um, landet unsanft auf dem Boden.

Edelmänner wie er sind selten wirklich trinkfest.

Aber ich habe erfahren, was ich erfahren sollte.

Morgen früh werde ich zurückkehren, in unser Dorf, dort meiner Meisterin erklären, dass ich den Schuldigen für die unzähligen Angriffe auf unsere Ge-nin gefunden habe.

Darauf bedacht, dass niemand meinen Handgriff sieht, greife ich unter die Lagen von Stoff und unter diesem hole ich eine kleine Flasche hervor mit klarem Inhalt.

Drei kleine Tropfen finden den Weg in seinen Mund.

Es wirkt langsam.

Morgen früh wird er tot sein.

Man kann es nicht riechen und es schmecken auch nicht. Keiner wird es herausfinden können.

Es gibt kein Gegengift.

Die verräterische kleine Flasche verschwindet wieder unter den Stoff, wird wieder unsichtbar für die Augen all jener, die mir einen winzigen Moment ihrer Aufmerksamkeit schenken.

Ein letzter Blick zu der Wirtin, deren Blicke ich auf mir spüre.

Ich greife zu der Schale mit einem Rest Sake, aus welcher der Edelmann getrunken hat, ich proste ihr zu und trinke einen Schluck. Sie erwidert mein Lächeln und dreht sich nach hinten, spricht mit irgendjemandem und kurz darauf erscheinen zwei Männer an meiner Seite, die den Aristokraten entweder rausschmeißen oder ihn auf sein Zimmer bringen.

Ich weiß es nicht. Aber jetzt kann es mir egal sein.

Ich brauche ihn nicht mehr. Außerdem ist er schon so gut wie tot.
 

Immer noch mit einem glücklichen Lächeln bringt die Wirtin mir höchstpersönlich eine neue Flasche Weißwein, eine eigene Schale und schenkt mir ein.

Sie geht wieder, elegant und mit bezaubernden Bewegungen. Sie hat gelernt, sich so zu verhalten, hat vermutlich Tage, wenn nicht sogar Monate oder gar Jahre, vergeudet mit zähem Unterricht, aber vermutlich würde sie dasselbe auch zu meinem Beruf sagen.

Und deswegen hat sie gerade auch wahrscheinlich so glücklich gelächelt.

Ihr kleines Häuschen ist bekannt für ihren guten Sake, die schönen Mädchen, die die Gäste unterhalten sollen – es zieht die reichere Bevölkerung in Scharen an und wenn sich so viele Edelmänner an einem Ort versammeln, grenzt es geradezu an ein Naturgesetz, dass hier so viele von ihnen umgebracht werden.

Die Wirtin hatte anscheinend gedacht, ich hätte ihren Gast vergiftet, indem ich ihm was in den Sake schüttete, aber ich hatte ja aus seiner Schale getrunken und wer vergiftet sich schon selbst?

Es ist ein guter Plan.

So einfach.
 

Ich hatte ihr einen Handel angeboten.

Da ich nur auf der Durchreise sei und ich nicht sehr viel Geld dabei, dafür aber Erfahrung, in dem, was ich tat, hatte, könnte ich ja vielleicht – wenn sie es gestattete – die Kosten für Zimmer und Verpflegung auf andere Art abbezahlen.

Sie war einverstanden.

Und jetzt bin ich mir sicher, dass sie es nicht bereute.

Nicht im Geringsten.

Das heißt jetzt allerdings, dass ich weitermachen muss, weiter die Fahne von angetrunkenen Edelmännern einatmen und darauf hoffen muss, dass ich diesen Gestank aushalte.
 

„Hime-sama“

Ein junges Mädchen kniet neben mir.

Ich hatte vorhin ihr Gesicht sehen können und sie ist wirklich ein bezauberndes Mädchen – wäre ich einer dieser Edelmänner, würde ich allein wegen ihr kommen um sie mir immer wieder ansehen zu können. Ich bin mir sicher, selbst ohne diese ganze Schminke ist sie eine sehr schöne junge Frau.

„Was ist?“

„Mama-sama möchte, dass Ihr Euch um einen weiteren Gast kümmert. Ich führe Euch zu ihm.“

„Ist er alleine?“

„Um seine Kameraden müsst Ihr Euch nicht kümmern.“

Ihr Antworten sind knapp, ihr Ton ein wenig misstrauisch, ihre Augen – könnte ich sie denn sehen – würden mich garantiert mustern, genau studieren und auf jede Kleinigkeit achten.

Als wäre sie der Ninja und nicht ich.

„Bring mich zu ihm.“

Sie nickt, erhebt sich und geht mit kleinen Schritten voran, führt mich zu dem Mann, den ich unterhalten soll.

Angekommen, kniet sie sich elegant hin, ihre Stirn berührt fast den Boden, und ich tue es ihr gleich, verbeuge mich jedoch nicht ganz so tief.

Ich konnte nur einen kurzen Blick auf ihn erhaschen, auf seine dunklen Haare, die ihm geheimnisvoll in die Stirn hängen und sein Gesicht umrahmen, auf seine dunklen Augen, die auf einen Punkt in der Ferne sahen, während sein Kamerad sich mit ihm unterhielt.

Über was?

Einen Kampf mit wem?

Seinem Bruder?

Der Mann lacht leise.
 

Diese Stimme …
 

Sie kommt mir so unglaublich bekannt vor … wer wohl aus meinem Bekanntenkreis hierher kommt?

Kein Ninja geht zur Erholung hierhin … jeder weiß doch, dass wir hier arbeiten … Missionen durchführen … und wenn eine von uns Kunoichi auffliegt, dann wird der Rest garantiert auch nicht lange unentdeckt bleiben.

Wer ist er?

Doch nicht …

Er hört auf zu lachen.

„Du kannst gehen“, sagt er zu dem schönen Mädchen, das mich herführte, das sich nun erhebt und lautlos verschwindet, während mein Blick weiterhin zu Boden gerichtet ist.

„Und Ihr, Hime-sama … seht mich an.“

Seine Stimme klingt so, als wäre er an Befehle schon lange gewöhnt, egal, ob er sie bekam oder austeilte wie jetzt. Ich gehorche.
 

Seine Lippen umspielt von einem dunklen Lächeln.

Er trägt einen dunklen Mantel, den er geöffnet hat und der ihm nur noch locker um die Schultern hängt. Seine Kleidung darunter ist ebenfalls schwärzlich, neben ihm erkenne ich aus den Augenwinkeln eine kleine Tasche.

Eine, wie jeder Ninja sie trägt, um in ihr Wurfmesser und all das andere kleine Werkzeug zu verstauen, das er braucht.

Also doch.

Aber wer?

„Wart Ihr gestern Nacht ebenfalls hier?“

„Nein, mein Herr. Ich bin nur auf der Durchreise. Ich werde dieses Haus im Morgengrauen wieder verlassen.“

Seine Augen, der Ausdruck in ihnen kommt mir so bekannt vor.

Das Licht ist nur schummrig und je länger ich diesen Mann vor mir ansehe, desto mehr habe ich das Gefühl, die Person in ihm zu erkennen, die ich schon längst aufgegeben hatte.

„Warum werdet Ihr dann als Hime-sama gepriesen? Ist Euch Euer Ruf so weit vorausgeeilt?“

Aber wenn er das ist … so kenne ich ihn gar nicht …

„Ich weiß es nicht, mein Herr. Aber manchmal reicht es aus, den Wind vorauszusagen. Ob er wirklich kommt, bleibt ein Geheimnis.“

Meine Großmutter meinte mal zu mir, eine Geisha spricht gerne in Rätseln und Bildern, deren Verständnis nicht jeder wert ist.

Des Mannes Lächeln wird zu einem Lachen, einem unauffälligen, leisen. Er schüttelt den Kopf.

„Da mögt Ihr Recht haben, Hime-sama.“

Das Mädchen von gerade bringt uns Sake, kniet noch einmal vor uns nieder und geht dann erneut.

Mit verführerischen Gesten greife ich zu der Flasche, schenke ihm ein wenig in die kleine Schale ein und reiche sie ihm.

„Aber was ist, wenn der Wind wirklich weht?“, fragt er mich und nimmt die Schale entgegen, trinkt einen Schluck, lässt mich dabei nicht aus den Augen.

„Wenn er denn weht, mein Herr, dann ist es nicht an mir, zu beurteilen, was passiert.“

„Eine bescheidene Meinung“, antwortet er, bietet mir seine Schale dar, damit ich sie erneut auffülle.
 

„Sasuke – deine Flirterei nervt. Kannst du das nicht machen, wenn wir nicht dabei sind?“
 

Ich kenne diesen anderen Mann nicht und zum ersten Mal, seit ich mich zu ihnen setzte, sehe ich an; er ist keine Augenweide und um ihn nicht von der Bettkante zu stoßen, müsste ich ihn mir bereits sehr schön getrunken haben.

Aber ich hatte ja auch schon vorher gehört, dass er nicht allein durch die Gegend zieht.

Ich weiß, dass er ihr Anführer ist und dass sie ihm ausreichend Respekt zollen, aber es scheint nicht so, dass sie deswegen anders mit ihm umgehen würden, als wäre er ihnen gleichgestellt.

Er blickt ihn einfach nur an, der andere zuckt zurück, versteht, erhebt sich zusammen mit dem letzten der drei Männer. Er bleibt mit mir alleine zurück.
 

„Ein schöner Name, mein Herr.“

„Und welchen Namen tragt Ihr, Hime-sama?“
 

Was soll ich …

Kann ich …
 

Ich fülle seine Schale mit Sake wieder auf, rücke näher an ihn heran, und setze sie an seinen Mund.

Er trinkt.
 

„Ihr kennt ihn bereits, Sasuke-sama.“

Vielleicht war es der Wind ...

Er erschrickt nicht, sondern trinkt gehorsam weiter, und als die Schale fast leer ist, nehme ich sie von seinen Lippen weg, leere sie selbst.

Stelle sie neben der Flasche ab und wende meinen Blick wieder zu ihm, schwach lächelnd.

„Ihr sagt, ich kenne ihn bereits, Hime-sama? Woher? Ihr habt doch selbst gestanden, heute das erste Mal hier zu sein.“

„Aber vielleicht haben wir uns schon vorher gesehen, Sasuke-sama. Vielleicht trug der Wind Euch meinen Namen zu.“

Sein Blick ist misstrauisch, seine Augen verengen sich ein wenig, doch seine Lippen ziert immer noch dieses dunkle Lächeln.

Auch ich lächele.

Diesen Ausdruck kenne ich von ihm. Da schimmert der Sasuke durch, den ich kannte.

Und aufgab.

Ich frage mich, was ich eigentlich hier mache.

Gegen meine Prinzipien verstoßend im höchsten Maße.

Ich wollte nicht angeln gehen, wollte nur meine Mission durchführen, meine Informationen, die ich auch bekam. Ich wollte nicht mit ihm wiedervereint werden. Die Chancen waren so unglaublich gering, viel zu gering, dass ich zwar einmal, für einen Bruchteil einer Sekunde, an sie dachte, aber sie sofort wieder abtat.

Es war unmöglich.

Und gerade weil es so unmöglich war, sitze ich nun neben ihm, viel zu nah.

Meine Brust streift seinen Arm, getrennt durch viele Lagen Stoff.

Spürt er die Kunai, die kleine Flasche darunter?

„Vielleicht war es auch nicht der Wind“, rede ich weiter, werfe ihn ein oder zwei schüchtern wirkende Blicke zu. „Vielleicht war ich es auch selbst, die einen Zauber aussprach.“

Ein Zauber … oder ein Gen-Jutsu.

„Wirklich, Hime-sama? Sagt mir, wann.“

Ich lächele, beuge mich noch weiter nach vorne, lege es darauf an, dass er das Metall durch den Stoff spürt. Ich weiß nicht, was mich lenkt, dass ich das tue, meine Tarnung auffliegen lasse. Ich darf es eigentlich nicht, ich will es aber auch nicht. Vielleicht ist es der Sake, den ich trank, auch wenn es bisher ziemlich wenig war.

Ich bin eigentlich ziemlich trinkfest.

Das Warum bleibt wohl unbeantwortet.

Ich strecke den Hals, mein Mund direkt an seinem Ohr.
 

„Ich sagte ihn dir, als wir uns vor vielen Jahren kennen lernten, Sasuke.“
 

Er dreht den Kopf nicht, blickt weiter gerade aus.

Sein Arm jedoch drückt ein wenig gegen meine Brust; das harte Metall gibt nicht nach.

Das Lächeln auf seinen Lippen wird zu einem Grinsen.

Jetzt ist es noch mehr ein Spiel als vorher.
 

„Sagt Ihr ihn mir trotzdem noch einmal, Hime-sama?“
 

Mit einer Hand fülle ich die Schale noch einmal auf, dieses Mal jedoch trinke ich erst einen Schluck aus ihr, bevor ich sie wieder an Sasukes Lippen führe.

Vielleicht liegt es wirklich an dem Alkohol, dass sich dieses warme Gefühl in mir ausbreitet, mein Herz schneller schlägt.
 

„Ich bin’s, Sakura“
 

Ich flüstere wieder nur und als er seinen Kopf in meine Richtung dreht, streifen seine schwarzen Strähnen mein Gesicht, seine Augen blicken in die meinen.

Sein Blick ist …
 

„Weswegen bist du hier?“

„Wegen eines Auftrages, den ich bereits erfüllt habe. Keine Sorge – ich habe kein Interesse daran, dich mit demselben Gerede zu nerven, wie Naruto es tun würde.“

„Was für ein Auftrag?“

„Das kann ich Euch leider nicht verraten, mein Herr.“
 

Ich kichere mädchenhaft, stelle die Schale wieder ab.
 

„Aber warum arbeitest du hier? Das kann wohl kaum deine Mission gewesen sein.“

„Eine kleine, aber wirksame Methode um die Kosten zu senken.“
 

Er lacht leise, nickt.
 

„Wohl wahr.“

„Sag mir doch, Sasuke, warum bist du hier?“

„Ich bin genau wie du auf der Durchreise.“

„Aber du warst gestern Nacht schon hier, sagtest du.“

„Ich musste noch ein paar Informationen aus dieser Gegend beschaffen. Außerdem hat Karin Ärger gemacht.“

„Warum erzählst du mir das?“

„Weil du gefragt hast?“

„Vertraust du darauf, dass ich schweige?“

„Du wirst mich nicht verraten.“
 

Sein Lächeln schwindet, vorsichtig und unauffällig gleitet eine seine Hände unter die vielen Schichten Stoff auf meinem Körper. Seine kalte Hand berührt meine warme Haut und ich zucke leicht zusammen; scharfes Metall streift meine Haut, verletzt sie aber nicht.

Er zieht das Kunai raus, betrachtet es.
 

„Du hast nicht vor, mich umzubringen, oder?“

„Ich sagte es dir bereits: Meine Mission ist bereits erfüllt und wer auch immer sterben sollte, ist bereits tot. Ich arbeite im Moment nur dafür, um die Nacht hier verbringen zu können.“
 

Stunden vergehen, in denen wir reden, ich ihm weiterhin so nahe sitze und mich scheinbar nicht von ihm trennen kann. Er lässt mich gewähren, spielt einfach nur dieses Spiel.

Am späten Abend, es ist kurz vor Mitternacht, erheben wir uns langsam.

Wir haben nicht mehr viel Sake getrunken, unser Verstand ist noch nüchtern und klar wie zuvor. Er bespricht noch etwas mit der Wirtin, während ich daneben stehe.

Ich höre ihm nicht zu. Bin in Gedanken versunken.

Warum bin ich eigentlich noch bei ihm?

Warum gehe ich nicht schon hoch?

In mein eigenes Zimmer?

Ich bin mir sicher, dass unsere Zimmer, da der heutige Tag so oder so nicht mehr ist als ein dummer Zufall, direkt nebeneinander liegen.

Was bringt es dann, hochzugehen, in der Hoffnung, von ihm getrennt zu sein?

Ich verstehe das nicht.

Er ging, weil er Macht wollte, die er in seinem Heimatdorf nicht erlangen konnte.

Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun, glaubte, ihn sogar hassen zu können, wenn er mir einen Grund dazu gab. Aber jetzt passiert nichts dergleichen.

Ich hasse ihn nicht, ich kann noch nicht einmal mehr sagen, ihn nicht zu mögen.

Er ist da.

Was mache ich hier eigentlich?
 

„Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Hime-sama. Eure Rechnung ist beglichen“, sagt die Wirtin zu mir und ich erwidere ihren Wunsch, gehe dann zusammen mit Sasuke hoch.

Er geht voran, während ich vorsichtig darauf achte, nicht auf meinen langen Kimono zu treten und zu stolpern.

„Trägst du öfters Kimonos?“

„Nur auf Missionen und diese Missionen sind Gott sei Dank selten. Hokage-sama braucht mich für andere Aufgaben.“

„Die da wären?“

„Ich habe keinen Grund, dir irgendetwas zu sagen, Sasuke.“
 

Mit diesen Worten lasse ich ihn stehen, gehe in das Zimmer, das mir für die Übernachtung zugeteilt wurde. Er folgt mir, es stört mich nicht im Geringsten.

Im Zimmer entzünde ich einige Kerzen, die auf einer kleinen Kommode stehen. Ich wende mich dem großen Spiegel neben ihr zu; er reicht von der Decke bis zum Boden und an seinem Rand sind goldene Verzierungen.

Ein bezaubernder Anblick, diese Frau, die ich nicht bin.

Sasuke hat die Tür hinter sich geschlossen, steht im Schatten. Ich sehe ihn kaum im Spiegel.

Ich nehme mir einen kleinen Kasten aus der Kommode, öffne sie.

Ich mache das nicht wirklich oft, aber dennoch klappt das Abschminken problemlos.
 

Ich richte mich auf, blicke in den Spiegel.

Für einen kurzen Augenblick sehen noch blaue Augen zurück, dann nehme ich die Kontaktlinsen raus und mein Spiegelbild sieht nun mit grünen Augen auf die Person im Hintergrund.

Ich werfe sie auf die Kommode.

Langsam nehme ich eine Haarklammer nach der anderen auf meiner Perücke, lasse sie allesamt auf den Boden fallen, die blonden, langen Haare landen letzten Endes auf ihnen.

Ich fahre mir mit der Hand durch mein Haar, es ist angenehmer so.
 

„Mh … ich hatte doch schon fast vergessen, wie du wirklich aussiehst“, höre ich Sasuke im Hintergrund murmeln.

Ich antworte nicht, nehme nun die ganzen Kunai und anderen Waffen aus meiner Kleidung, lege sie vorsichtig auf den Boden.

„Du warst gut vorbereitet – sicher, dass du mich nicht umbringen wolltest?“

„Ich wusste nicht einmal, dass du hier warst.“

Meine Hände wandern zu dem Knoten des Obis in meinem Rücken, versuchen ihn zu lösen. Ich beobachte Sasuke immer noch, aber dennoch zucke ich überrascht zusammen, als ich plötzlich seine Hände auf den meinen spüre.

Gekonnt lösen sie den Knoten.

Leise raschelnd fällt der Obi zu Boden.

„Was ist mit dir? Willst du mich umbringen?“

Schweigen.

Nur einen Moment später höre ich, wie er seine Tasche von seiner Hose löst und sie kurz darauf auf meinen Waffen landet.

„Trägst du keine versteckten Messer mit dir rum?“

„Finde es selbst raus“, murmelt er, seine Lippen in meinem Nacken.

Schwach kann ich den Alkohol riechen, aber im Vergleich zu vorher wird mir nicht schlecht.

Ich lächele.
 

Langsam streift er den Kimono von meinen Schultern.

Glückstreffer

Die Wand an meinem Rücken ist kalt, jagt mir eine Gänsehaut über den Körper.

Ich zittere, aber nicht wegen der Kälte.

An sie habe ich mich sicherlich schnell gewöhnt, aber nicht an ihn in mir.

In mir …

Meine Arme liegen um seine Schultern, ziehen ihn zu mir, und meine Lippen verwöhnen seinen Hals, wenn sie nicht von den seinen gefangen sind.

Es sind bezaubernde Gefühle, die durch meinen Körper rieseln und sich in ihm anstauen, jeden Moment nur noch schöner machen.

Kann mich kaum beherrschen, obwohl ich es muss. Die Wände sind dünn.

Aber es ist so schwer …

Fast hätte ich geschrieen, als … er sich in mir …

Ich darf nicht …
 


 

Kopfschmerzen.

Zu viel Sake … garantiert …
 

„Sasuke …“

„Ja?“

„Ich werde jetzt gehen.“
 

Seine dunklen Augen sehen mich an, unergründlich und gleichzeitig misstrauisch. Mit demselben Blick hatte er mich die ganze Zeit über beobachtet, als ich mich, kaum war es hell genug, anzog, die Perücke wieder aufsetzte, sie so gut wie möglich wieder richtete und mein Gesicht ein wenig schminkte.

Jedoch ist sein Blick erst misstrauisch geworden, als ich mich meinen Waffen zuwende um sie erneut in meinem Kimono zu verstauen.
 

„Muss ich Angst haben, jetzt noch mehr Konoha Ninja auf den Fersen zu haben als es bereits der Fall ist?“

„Mach dich nicht lustig über mich.“

„Das würde ich niemals machen.“

„Dann lass es.“
 

Ich habe ihm nicht direkt geantwortet, aber warum sollte ich das auch tun?

Er hat mir solche Fragen, die dieselbe Antwort erhalten würden, ständig gestellt und mittlerweile habe ich keine Lust mehr, auf sie überhaupt einzugehen.

Ich habe ihm gesagt, ich war nicht hier gewesen, um ihn zu verfolgen oder Informationen über ihn zu bekommen, sondern nur wegen eines anderen Mannes, dessen Tod in weniger als einer halben Stunde eintritt.

Zu diesem Zeitpunkt, auch wenn die Sonne noch nicht aufgegangen ist, will ich nicht mehr hier sein.
 

„Wirst du dich direkt auf dem Weg nach Konoha machen?“
 


 

„Ich hatte auch keine erwartet.“
 

Ich gehe auf ihn zu, knie mich zwischen seine Beine, beuge mich vor und küsse ihn zum Abschied.

Meine Augen weiten sich erschrocken und ich verliere leicht den Halt, als ich plötzlich seine Hand in meinem Nacken spüre, die mich zu ihm runterzieht.

Ich liege auf ihm – nicht zum ersten Mal in dieser Nacht – und er küsst mich zärtlich.

Es ist nicht der Sasuke von damals, nicht der, den ich loslassen und aufgeben wollte.

Nicht der, den ich losließ und aufgab.

Ein anderer in der Hülle des alten.

Ich hatte selbst gestern Abend nicht vorgehabt, meine Entscheidung über den Haufen zu werfen und mich erneut in ihn zu verlieben, und jetzt habe ich es immer noch nicht vor.

Ich will ihn nicht lieben.

Liebe ihn nicht.

Aber warum, sag, schlägt mein Herz dann so schnell?

Und was ist mit ihm?

Es ist nicht schwer, meinen eigenen Herzschlag von dem seinen zu unterscheiden und er ist nicht minder schnell als der meine und an einer ganz anderen Stelle spüre ich ebenfalls, dass er für mich mehr als nur ein „Danke für alles“ übrig hat – trotz der langen Zeit.

Er unterbricht seinen Kuss, sieht mich an.

Ich werde mich nicht noch mal neu verlieben.

Garantiert nicht.
 

„War unser Treffen Zufall oder Schicksal?“

„Wer weiß … vielleicht führte uns der Wind zusammen …“
 

Ich lächele.

Unser kleines Spiel, gestern Abend begonnen, hat noch nicht aufgehört.
 

„Dann hoffe ich, dass er es irgendwann noch einmal tut …“
 

Ein letzte Berührung unserer Lippen, dann erhebe ich mich von ihm, knie vor dem Futon nieder.

„Mein Herr“, sage ich; meine letzten Worte an ihn für diesen Tag und, da war ich mir ziemlich sicher, für eine lange, lange Zeit.

Ich erhebe mich und gehe, verlasse dieses Haus und gehe Richtung Heimat, Richtung Konoha.

Mehr als einmal blicke ich zurück, solange das Haus noch in meinem Blickfeld ist und mir entgeht nicht, wie mir nicht nur die Wirtin misstrauisch hinterher sieht. Was sie betrifft – mir soll’s Recht sein.

Aber der Blick Sasukes … zieht mich mitten auf der Straße aus …

Eine letzte unauffällige Handbewegung, dann bin ich hinter einem kleinen Berg verschwunden. Ich raffe meinen Kimono hoch, binde ihn mir ordentlich zusammen und laufe weiter; in diesem Tempo müsste ich es schaffen, kurz nach Sonnenaufgang in Konoha zu sein.

Ich verziehe eine Grimasse bei den Gedanken daran, wie Hokage-sama sich aufregen wird, dass ich es schon wieder riskiert habe, einen Kimono zu zerstören. Sie hat mir ja oft genug gesagt, wie teuer diese Teile seien und das ich mit ihnen vernünftig umzugehen habe und nicht, wenn ich einen trage, über Bäume springen sollte.

Es würde sich vielleicht für eine Kunoichi gehören, aber nicht für eine Dame.

Sie ist so einfach aufzuregen.

Vielleicht ist das aber auch einer der Gründe, warum ich ziemlich selten solche Aufträge erhalte und sie mich lieber studieren lässt oder auf Missionen schickt, bei denen Verstand oder Körperkraft gefragt ist.

Ino ist für solche Missionen viel besser geeignet und ich weiß, wie sie es genießt, viel zu spät zu kommen, weil sie einfach so lang wie möglich einen Kimono tragen wollte.

Sie meinte einmal zu mir, dass es als Kunoichi das schönste Erlebnis wäre, einen Kimono – etwas weiches, seidenes, etwas ganz anderes als dieser rohe Stoff der Arbeitsklamotten – zu tragen.

Ich teile ihre Auffassung nicht.
 

Vielleicht … wenn ich ihn einmal ohne diese dumme Perücke tragen darf … ohne, dass ich auf eine Mission muss …
 

„Das Problem ist also beseitigt? Ich muss nicht weiter um meine Ge-nin fürchten?“
 

Hokage-samas Stimme hat einen leicht ironischen Unterton.

Natürlich weiß sie, dass es keinen Grund mehr gibt, Ge-nin nicht auf Missionen zu schicken, die ein bisschen weiter vom Dorf entfernt als wenige Kilometer.

Außerdem hat sie den Bericht vor sich liegen.

Und in dem habe ich ausführlich zitiert, was mein Opfer gesagt hatte, und wie er sich verhalten hat.

Steht alles genau und fehlerlos drin.
 

„Nein, Hokage-sama.“
 

Sie seufzt.
 

„Ach komm schon, Sakura – warum so förmlich? Ist irgendetwas vorgefallen, was nicht in deinem Bericht steht?“
 

Soll ich …

Nein.

Warum denn?

Es war ein einmaliger Vorfall.

Denn wie gesagt, ich glaube nicht daran, dass ich Sasuke so schnell wieder sehen werde.

Es ist unmöglich.
 

„Wer weiß … vielleicht führte uns der Wind zusammen …“
 

Aber selbst wenn … wir sind Ninja … wir wurden dazu ausgebildet, uns nichts anmerken zu lassen … und das kann er ja immer noch am besten, selbst wenn wir uns wieder sehen …

Seine besonderen Augen ...
 

„Dann hoffe ich, dass er es irgendwann noch einmal tut …“
 

„Nein, Tsunade. Ich hab mich in meine Rolle wohl etwas zu sehr eingelebt.“

„Das sehe ich.“
 

Sie lacht.
 

„Was meinst du?“
 

Grinsend deutet sie mit einer Hand auf mich, und ich blicke an mir herunter. Erschrocken sehe ich, dass ich den Kimono immer noch trage.
 

„Hast du ihn denn wenigstens ganz gelassen? Nicht wie letztes Mal?“

„Nein – dieses Mal habe ich kein Loch rein gemacht.“
 

Ich erwidere stolz ihr Grinsen und drehe mich, um ihr zu zeigen, dass ich Recht behalten habe.
 

„Es geschehen auch noch Wunder“, stellt sie erleichtert fest und grinst mich an.
 

Sie muss nichts erfahren … immerhin … trägt diese eine Nacht ja auch keine Folgen …

Von Medizin und einem kleinen Osterhasen

Ich greife zu meiner Tasse und setze sie an, trinke einen kleinen Schluck des heißen Getränks. Ohne Zucker schmeckt der Tee einfach scheußlich.

Ino sitzt mir gegenüber, tut es mir gleich und verzieht das Gesicht, murmelt etwas unverständliches.

„Dann hast du es also endlich geschafft, was?“

Sie sieht auf und blickt mich mit ihren großen, blauen Augen fragend an. Es ist nicht so, dass sie nicht wüsste, was ich meine – immerhin haben wir die letzte halbe Stunde damit verbracht, über dieses Thema zu sprechen.

Über ihre letzte Nacht.

Von der sie mir erzählte, dass sie sie nicht alleine verbrachte.

Den Namen des Glücklichen nannte sie bisher noch nicht, aber das muss sie auch nicht. Ich weiß ganz genau, mit wem sie abends ins Bett hüpfen und am nächsten Morgen lächelnd aus diesem wieder aufstehen würde. Wäre es irgendein anderer gewesen, würde sie jetzt nicht so glücklich aussehen.

„Genau genommen hat er es geschafft“, sagt sie und auf ihre Wangen legt sich ein schwacher Rotschimmer.

„Das heißt, er hat dich verführt und ihr seid dann … bei dir oder bei ihm?“

„Bei ihm …“

Der Rotschimmer wird eine Spur deutlicher, sie wendet ihre Augen von denen meinen ab und starrt in ihren Tee.

Ich sage nichts, denke einfach nur darüber nach.

Sie hatte also endlich mit einem ihrer Teamkollegen, der zugleich auch ihr bester Freund ist, geschlafen. Und so wie sie aussieht, scheint es eine schöne Nacht gewesen zu sein. Eine sehr schöne, wenn ich bedenke, dass ihr Gesicht mittlerweile eine Tomate ist.
 

Da fällt mir ein … vor zwei Monaten …
 

„Wie süß.“

„Was?“

„Nicht was, wer.“

„Wer?“

„Ja.“

„Wer denn?“

„Du natürlich.“

„Wieso?“

„Nun … einfach nur so …“
 

Ich lächele sie an, mindestens genauso glücklich wie sie und seltsamerweise spüre ich, wie sich ein wenig Tränenflüssigkeit in meinen Augen ansammelt – nicht aus Trauer oder ähnlichem Grunde.

Einfach nur … weil ich …
 

„Sakura … es – es tut mir leid! Ich hätte dir das nicht …“

„Was …“
 

Ino ringt um Worte, sieht mich verlegen an, nur um kurz darauf den Blick wieder von mir zu nehmen um mich einen Augenblick später, in dem sie wohl Kraft sammelte für den nächsten Augenkontakt, wieder anzusehen.

Ich weiß nicht, was mit ihr los ist … wieso reagiert sie auf einmal so, als wäre ich nervlich zusammen gebrochen?
 

„Ino … was ist los?“

„Es ist alles in Ordnung. Irgendwann findest auch den Richtigen, versprochen. Er ist nicht der einzige Mann auf dieser Welt.“
 

Sie tröstet mich, hebt ihre Hand und streicht mir damit eine Träne von der Wange, die es geschafft hatte, meine Augen zu verlassen. Meine Hand folgt der ihren und auch ich streiche mir über die Wangen, spüre die Feuchtigkeit der Tränen auf meinen Fingerspitzen.

Warum …
 

„Das ist doch kein Grund zu weinen.“

„Ich – ich bin nicht traurig, Ino …“

„Was?“
 

„Ich war einfach nur gerührt …“
 

Ungläubig sieht sie mich an, der Ausdruck in ihren Augen wäre ungefähr derselbe gewesen, wenn ich erzählt und bewiesen hätte, dass es so was wie den Osterhasen wirklich gibt. Und seltsamerweise sehe ich in diesem Moment wirklich ein kleines Häschen vor meinem inneren Augen in einer grünen und saftigen Wiese sitzen, umringt von Blumen in den schönsten Farben.

Um das kleine Häschen herum liegen mehrere Eier, ordentlich ausgeblasen und nebeneinander aufgereiht, und Schälchen mit verschiedenen Farben. Ein Ohr des Häschens ist mit roter Farbe bekleckert, die Pfoten tropfen durch die vielen Farben, in die es sie hineintupfte um mit ihnen auf der Schale der Eier sein Muster zu malen.

Für einige Augenblicke bleibt das Bild von diesem Häschen weiterhin in meinem Gedächtnis, bevor ich den Kopf schüttele und leise lache. Die Augen schließe.
 

„Sakura … ist alles okay mit dir?“

„Mir geht’s gut. Wieso?“, frage ich sie, als ich mein Lachen kurze Zeit später wieder beherrschen kann und einigermaßen ernsthaft auf ihre Frage antworten kann.

„Wieso? Dir ist schon bewusst, dass du gerade erst geweint hast und plötzlich ohne Grund lachst? An was hast du gedacht?“

„An den Osterhasen.“

„An was?“

„Den Osterhasen.“

Natürlich klingt es, selbst wenn man es mit aller Seriosität, die man aufbringen kann, spricht, einfach nur lächerlich. Keiner, der noch im kompletten Besitz seiner geistigen Kräfte ist und noch alle Tassen im Schrank hat, wie man so schön sagt, wird sagen, dass er lacht, nur weil er an den Osterhasen denkt. Vor allen Dingen dann nicht, wenn er einen Augenblick zuvor weinte, weil er von etwas dermaßen gerührt war, dass er seine Tränen nicht zurückhalten konnte.

„Dir kann’s nicht gut gehen“, stellt Ino nach einer halben Minute fest, in der sie mir nur in die Augen gesehen hatte, den Blick nicht abwenden konnte, als hätte sie gehofft, ich würde mich in diesem Zeitraum verraten und ihr klarmachen, dass ich natürlich nicht an den Osterhasen dachte, sondern an irgendetwas anderes.
 

Aber was zur Hölle lässt jemanden erst weinen und dann lachen?
 

„Aber ich fühl mich nicht anders als sonst.“

„Warum glaub ich dir das nicht?“

„Woher soll ich das wissen?“
 

Ino schüttelt den Kopf, lässt sich zurücksinken, atmet tief aus, steht dann auf und holt die Teekanne, um sich nachschenken zu können. Als sie zurückkommt, hat sie neben der Kanne noch eine weitere Flasche in der Hand, ihr Inhalt von einem hellen Braun, das im Licht etwas rötlich schimmert.

„Was ist das?“

„Medizin, wie mein Großvater es nennt.“

Sie füllt ihre Tasse erst mit dem braunen Getränk, dass ich am Geruch als Rum identifiziere, füllt ihre Tasse damit jedoch nur so weit, dass der Boden bedeckt ist und kippt dann den Schwarzen Tee hinterher, trinkt sofort einen Schluck.
 

„Weißt du, welcher Gedanke mir gerade kam, Sakura?“

„Will ich das wissen?“

„Irgendwie hatte ich gerade das Gefühl, dass du schwanger bist.“
 

Sie lacht unsicher, als sie dies sagt, ein Blick aus Augen, die mir deutlich sagen, dass es nur ein Spaß ist, dass kein Zweifel daran besteht, dass ich es nicht bin.
 

Oder doch?
 

Sollte etwa …
 

„Entschuldige, Ino. Ich hab noch was zu erledigen.“
 


 

Eine halbe Minute noch.

Länger muss ich nicht mehr warten.

Dann weiß ich, ob ich, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, entweder um den Hals falle oder ihm den Hals durchschneide. Fragt sich nur, wann er davon erfahren wird.

Ich kann doch nicht … schwanger sein …

Erst Recht nicht von ihm.

Er ist ein Abtrünniger.

Jemand, der die Regeln unseres Dorfes nicht achtet.

Die halbe Minute scheint ewig zu dauern und immer, wenn ich zur Uhr blicke, sind erst zwei weitere Sekunden rum.

Ich fühle mich auf irgendeine Weise von ihm hintergangen, obwohl ich weiß, dass er nichts dafür kann. Er kann es ja unmöglich darauf angelegt haben, dass ich neun Monate später seinem Wunsch, den Uchiha-Clan wieder mit aufzubauen, unfreiwillig nachgegangen bin.

Wenn ich … wenn ich wirklich schwanger bin – wie bringe ich das den anderen bei?

Sie werden nach dem Vater fragen … und der ist … nun, er hatte sich bisher nicht wirklich oft gemeldet und war jeglichen Versuchen, ihn wieder mit nach Hause, nach Konoha zu bringen, entkommen. Und ich, die ich die Chance gehabt hätte, ihn zu beruhigen, still zu legen und ihn zurück zu bringen, und sie nicht genutzt hatte, bin schwanger von ihm.

Das ist nicht möglich.

Ein weiterer Blick zur Uhr. Immer noch zehn Sekunden.

Die Zeit vergeht langsam.

Wenn ich wirklich schwanger bin, von ihm, was mach ich dann mit Naruto? Wie sag ich es ihm?

Wo ich doch eigentlich …

Davor

Ein sonniger Tag, schöner als alle anderen vorherigen in dieser Woche.

Zum ersten Mal seit Tagen regnet es nicht und auch wenn ein paar Wolken den Himmel bedecken, ist es doch ein schöner Anblick, zum Himmel hochzusehen und einen Streifen Blau entdecken zu können.

Es ist nicht mehr lange, vielleicht noch ein oder zwei Wochen – ich habe die Daten nicht ganz genau im Kopf –, dann ist Ostern. Irgendwann Mitte April.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich erst kurz zuvor, den Entschluss gefasst, Sasuke ruhen zu lassen und mich anderen Männern zuzuwenden; Ino hatte Recht gehabt.

Sasuke ist nicht der letzte Mann auf Erden. Es lohnte nicht, ihm ewig hinterher zu trauern.

Sie selbst hatte sich dieser Meinung bereits angeschlossen und flirtete nun seit Tagen bereits mit ihrem Teamkollegen Shikamaru, was das Zeug hielt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er großen Gefallen an der Idee findet, in absehbarer Zeit mit ihr zusammenzukommen.

Sie ist wirklich ein nettes Mädchen und … ich weiß, dass sie in den entscheidenden Momenten schüchtern wird wie Hinata, eine gute Freundin von mir, es ist. Shikamaru wird es sicherlich genießen, mal die Hosen in ihrer Beziehung anzuhaben.

Dass sie mal nach seiner Pfeife tanzen würde, hätte er vermutlich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt.

Aber das macht ja auch nichts. Sehr wahrscheinlich würden seine Träume demnächst Wirklichkeit. Für mich ist es ziemlich offensichtlich, dass Ino, seit sie sich damit abgefunden hatte, dass sie Sasuke nie in ihrem Leben haben konnte, ihn als Opfer ihrer Aufmerksamkeit ausgesucht hatte.

Meiner Meinung nach war sie so oder so schon seit ihrer Zeit als Ge-nin in ihn verliebt und hatte sich nur an Sasuke rangeschmissen, weil sie den anderen Mädchen doch um nichts nachstehen konnte. Sie wollte von allen anderen die beste sein … und so weit es mich betrifft, war sie das auch.

Es hatte nicht einmal lang gedauert und ich war davon überzeugt, dass ich Sasuke in ein paar Jahren in ihren Armen liegen sehen würde.

Jetzt ist Sasuke nicht mehr da.

Der Kampf um ihn wurde aufgehoben ohne dass auch nur eine von uns Mädchen dem Preis einen kleinen Schritt näher gekommen war. Natürlich dachten eine Menge Mädchen meiner Altersgruppe anders. Immerhin war ich mit ihm in einem Team, verbrachte sehr viel Zeit mit ihm, kämpfte an seiner Seite und wurde von ihm beschützt.

Ich weiß, dass es der schönste Traum von all jenen Mädchen war und ich weiß auch, dass keines von ihnen auch nur im Ansatz daran dachte, dass dieser Traum nie wahr werden könnte.

Doch dann ging Sasuke.

Ich hatte ihn zuletzt von den ganzen Mädchen gesehen.

Ich war diejenige, mit der er seine letzten Worte innerhalb der Dorfesgrenzen sprach.

Aber das weiß kaum eines von ihnen.

Ich habe es allerdings auch nicht an die große Glocke gehängt.
 

„Danke für alles.“
 

Seine letzten Worte, die in keinem einzigen Bericht erwähnt werden, weil ich sie nicht weitersagte.

Für mich behielt. In meinem Herzen trug in der hintersten, dunklen Ecke, gut versteckt, damit sie mir keiner nehmen könnte. Und das hatte bisher keiner gemacht.

Ich hatte nicht einmal Naruto etwas davon erzählt, obwohl ich es ihm eigentlich schuldig bin, so oft wie er versuchte, ihn für mich zurückzubringen.

Für mich.

Bisher dachte ich eigentlich immer, Naruto wäre der perfekte Partner für Hinata – immerhin konnte jede Frau (und auch jeder Mann, der sich nicht dümmer stellte als er war) mehrere Kilometer gegen den Wind riechen, wie sehr Hinata ihn mochte. Mittlerweile wage ich es auch zu behaupten, dass sie ihn liebt. Ich finde es seit jeher süß, wie sie errötet, wenn sie ihn ansieht und fast nicht anders kann als glücklich in sich hineinzulächeln und an nichts anderes zu denken als an einen romantischen Sonnenuntergang zu zweit. Er hält sie in seinem Arm.

Doch seit er von seiner Trainingsreise mit Jiraiya-sama zurückgekehrt ist, ist er in meinen Augen anders. Nicht schlecht und ob sie gut ist, seine Veränderung, konnte ich bisher noch nicht für mich entscheiden. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Ich weiß nicht, wie viel von dem, was er mir auftischt, echt ist und was gespielt.

Und ich glaube, er spielt eine Menge.

Viel zu viel als er es als Freund dürfte.

Aber als ein trauernder Freund sehe ich es ihm nach. Bin nicht böse.

Er darf und kann spielen, wenn er will, wenn er meint, dass er seine Trauer nicht mehr verbergen kann, wenn er von einem Moment überfallen wird, in dem ihm klar wird, dass er nicht genug Mut hat, für all das, was Sasukes Rettung von ihm abverlangt.

Natürlich sieht er es nicht gerne ein, aber auch er hat seine Grenzen.

Gewissheit zu haben ist allerdings doch eine kleine Tatsache, die ich nicht aus meinen Gedanken verbannen kann.

Sasuke ist für mich abgehakt, ich habe mich Inos Meinung angeschlossen.

Auf Sasuke zu warten bringt nichts.

Aber Naruto …

Er ist hier – bei mir, ständig und immer. Selbst durch Missionen sind wir kaum voneinander getrennt, denn selbst ohne Sasuke und mit Sai an unserer Seite sind wir immer noch dasselbe Team.

Erst Team Sieben, mittlerweile Team Kakashi.

Wir gehören zusammen. Sind einfach unzertrennbar.

Unser Leben ist eins.

Also warum nicht …
 

Dieser Gedanke kam mir bereits, als Naruto unterwegs war und ich verwirrt und verloren war, nicht wusste, wohin mit mir, obwohl Tsunades starke Hand mich führte und lehrte, und ich konnte ihn bisher noch nicht loslassen.

Ich hatte Naruto am Anfang, als wir einem Team zugeteilt worden waren, als lästig, nervig, naiv und einfach nur dumm angesehen. Für mich hatte er keinerlei Ahnung, was es bedeutete, Strenge zu erfahren. Er war für mich verwahrlost und hatte nie gelernt, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Das einzige, was er wusste, war, wie man Streiche spielte und wie man entkam, ohne erwischt zu werden. Das war alles.

Hätte ich damals mein Wissen von heute gehabt, hätte ich gewusst, dass er in seinem Körper ein so schlimmes und gefürchtetes Wesen in sich trug, in ihm versiegelt, weil der vierte Hokage keinen anderen Ausweg sah, und die Leute ihm aus dem Weg gingen, weil sie Angst hatten, fürchterliche Angst, dann hätte ich niemals so von ihm gedacht.

Dann wäre ich seine gute Freundin geworden, die ihm in schweren Stunden beistand, denn von denen hatte er ja offensichtlich genug.
 

„Sakura.“
 

Ich drehe mich um, blicke zu dem, der mich rief.

Naruto …

Wenn man vom Teufel sprach … oder in diesem Fall eher dachte …

Ich begrüße ihn herzlich, lächele ihn an und er setzt sich zu mir, auf die Klippe über dem Ahnenrelief, von der man den Sonnenuntergang so schön beobachten konnte.

Eine halbe Stunde vielleicht noch und die Sonne würde zwischen den Bergen verschwinden.
 

Derselbe Sonnenuntergang wie in jener Vorstellung, dieselbe Person, wenn man zur Seite blickt, nur fehlte die, der diese Vorstellung entsprang.

Innerlich entschuldige ich mich bei Hinata, wende mich Naruto zu und mein Blick folgt ihm, bis er neben mir sitzend den größten Teil seiner Bewegungen einstellt.
 

„Ich hab dich gesucht.“

„Wieso?“
 

Er grinst breit, wie üblich, und in diesem Moment drängt sich in meinen Gedanken wieder die Frage auf, wie viel von seiner guten Laune echt ist. Aber ich frage auch nicht nach.

Ich habe mich daran gewöhnt, Naruto grinsen zu sehen, so überglücklich, wie er es seit je her schon immer war, obwohl er so oft alleine gelassen wurde.
 

„Einfach nur so.“
 

Ich frage mich, ob er genauso wie ich über seine Trauer hinwegkommen konnte.

Hegt er eigentlich noch Hoffnungen, die ihm jeden Tag wieder Mut geben, dass Sasuke irgendwann wieder ins Dorf zurückkehren wird? Ich werde ich nicht fragen.

Wenn er mir etwas sagen will, wird er das tun.

Er ist ja oft genug bei mir.

Wie ich schon sagte, sind wir eigentlich ständig zusammen.

Verstohlen werfe ich ihm einen Blick zu, lächele und schüttele kaum merklich den Kopf.

Er würde mich nicht enttäuschen, ich könnte mich bei ihm ausweinen, wenn ich es wollte.
 

„Wirklich?“

„Ja, wirklich. Wieso? Darf ich nicht?“

„Doch, natürlich darfst du. Du eher als alle anderen.“
 

Sein Grinsen schwächt für einen Moment, wird unsicher und seine Mundwinkel sinken nach unten, nur um sie einen Augenblick später, in dem unsere Augen aneinander hingen, in einem liebevollen Lächeln wieder nach oben zu ziehen.
 

„Danke, Sakura.“

„Wofür bedankst du dich? Wir sind doch Freunde.“
 

Ich weiß, dass es nach etwas anderem klingt, überhaupt nicht mit dem übereinstimmt, was ich gerade dachte. Aber das muss es auch nicht. Er spielt ja auch, nicht wahr?

Wir schweigen, sehen uns zusammen den Sonnenuntergang an. Wohlig seufzend rücke ich ein wenig näher an ihn heran, lehne meinen Kopf gegen seine Schulter, schließe für einen winzigen Moment die Augen. Als ich sie wieder öffne, lege ich meine Hand auf die seine.
 

„Sakura?“

„Mh?“
 

„Liebst du ihn immer noch?“
 

Ich blicke nicht auf, als er diese für ihn wirklich ungewöhnliche Frage stellt, aber ich wundere mich auch nicht. Hin und wieder hat Naruto halt seine ernsten Phasen und mir fällt auf, dass ich sie, gerade weil sie so selten sind, immer mehr zu schätzen gelernt hatte.

Es ist fast, als hätte er meine Gedanken gelesen, hätte gewusst, dass ich heute den ersten Schritt in eine andere Richtung getan hatte, die nicht zu Sasuke zurückführte.
 

„Nein, nicht mehr.“

„Wirst du … dein Herz jemals einem anderen öffnen können?“
 

„Ich habe es dir bereits geöffnet, Naruto …“
 

Er sieht mich an, seine Augen vor Überraschung geweitet, er murmelt ein Danke und drückt seine Lippen auf meine Stirn.

Mein Herz ist für ihn offen ja, aber …

Sein Zuhause

Aber konnte ich jetzt wirklich immer noch zu ihm gehen und ihm sagen, dass ich ihn betrogen hatte, bevor aus uns überhaupt irgendetwas werden konnte?
 

Die zehn Sekunden sind vorbei und als ich meinen Blick von der Uhr abwende um wieder auf den Streifen zu blicken, der mir meine Zukunft verraten sollte, schlägt mein Herz so schnell wie in dem Moment, der für all dies verantwortlich ist. Und zwei Monate zurückliegt.

Ich halte den Blick nicht lange auf das Ergebnis gerichtet, sondern schaue sofort wieder weg, zurück zu Uhr, nur um festzustellen, dass erst zwei Sekunden vergangen sind. Ich wollte nicht noch einmal drauf sehen, nur um das Offensichtliche noch einmal bestätigen zu können, nämlich das meine Zukunft sich dramatisch verändern würde.

Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll.

Kann ich über dieses Ergebnis überhaupt glücklich sein, selbst wenn es …
 

Ich lege den Test auf meinen Schreibtisch. Ich wohne alleine – wer sollte ihn sehen? Keiner hatte einen Schlüssel für meine Wohnung, nicht einmal Tsunade, obwohl sie mehrmals darauf bestanden hatte.

Vielleicht hatte sie heimlich einen weiteren anfertigen lassen, als ich auf irgendeiner Mission war. Zuzutrauen wäre es ihr, natürlich …

Ich nehme mir meinen Schlüssel und gehe aus der Wohnung hinaus, gehe durch Konoha ohne irgendein bestimmtes Ziel, streife einfach durch die Straßen und achte nicht auf diejenigen, die mir begegnen, mich freundlich grüßen und mir empört nach sehen, als ich nicht antworte. Natürlich ist ihre Reaktion verständlich, aber selbst wenn ich innerlich ihnen mein lachendes „Hallo“ hinterher schreie, mein Körper vermag mir einfach nicht zu gehorchen. Lenkt mich ohne dass ich darauf achte, wohin ich gehe.

Erst als ich, egal, wohin ich sehe, das Symbol des Uchiha-Clans entdecke, wird mir klar, dass ich in dem Bereich des Dorfes gelandet bin, in dem der ausgelöschte Clan einst wohnte. Es hatte Wochen gedauert, bis Naruto Tsunade überreden konnte, diesen Trakt des Dorfes wieder aufzubauen und alles Zerstörte ersetzen zu lassen. Selbst all die Fächer, die jede Wand zieren, strahlen wieder in einem hellen Rot und einem blütenreinem Weiß.

Ich bin Naruto dankbar dafür, dass sogar er sich nicht davor scheute, mitzuhelfen und selbst dann weiterarbeitete, als alle anderen Schutz in ihren eigenen Häusern suchten, weil sie sicher waren, dass bald ein fürchterlicher Schauer über sie hereinbrechen würde.

Aber es kam kein Wetterumschwung und auch wenn die Luft feucht war und der Duft von Regen, der bald kommen würde, die Nase kitzelte. Es schien, als wollte das Wetter, dass Naruto seinen Dienst hier vollenden konnte. Ein kleines Opfer. So was wie ein Freundschaftsdienst.

Immerhin nennt Naruto sie immer noch Freunde. Er sagte mir, Sasuke war ein Bruder für ihn.

„Freunde kann man sich vielleicht aussuchen, aber an seine Familie ist man sein Leben lang gebunden“, sagte er mir immer und sein Blick hätte in diesen Momenten nicht ernster sein können.

Für seinen Bruder – und allein für ihn – baute er dieses kleine Stadtviertel wieder auf.

Und jetzt, als ich es zum ersten Mal seit seiner Fertigstellung betrete, fällt mir erst auf, wie viel Arbeit Naruto in sein Vorhaben gesteckt hat. Ich war selbst zu den Zeiten, in denen Sasuke noch bei uns war, nie in dem Bereich der Uchihas gewesen. Das war ihre Domäne und ich hätte mich als respektlos empfunden, wenn ich sie einfach betreten hätte, ohne selbst Mitglied irgendeines wunderbaren und mächtigen Clans zu sein, für den es sich schickte, einen anderen zu besuchen.

Ich bin jetzt zum ersten Mal hier. Sehe zum ersten Mal diese unglaubliche Größe.

Natürlich habe ich schon immer gewusst, wie mächtig dieser Clan ist … war … aber das hier habe ich nicht erwartet.

Meiner Schritte immer noch nicht vollends bewusst, gehe ich weiter durch das Hoheitsgebiet der Uchihas.

Sasuke hatte hier gelebt.

Das war sein Zuhause.

Und vielleicht auch …
 

Ich nähere mich dem Haus, von dem ich glaube, dass es das Haupthaus des Clans ist. Das, in dem Sasuke gewohnt hatte, während seine Eltern noch lebten und sein Bruder noch da war. Ihn noch nicht verraten hatte.

Ich hatte den größten Teil der Gesichte von Sasuke selbst erfahren, obschon ich mir sicher bin, dass er es nur tat, damit ich endlich den Mund hielt, über seine Worte nachdachte und ihn endlich verstand, warum ich – niemand – ihn aufhalten dürfte, wenn es um seinen Bruder ging.

Mittlerweile ist es mir egal, ob Sasuke Itachi umbringt oder dieses Laster bereits von sich genommen hat. Aber ich glaube, er hat es bisher noch nicht geschafft. Ansonsten hätte Narutos Verhalten sich geändert.
 

Und wo ich gerade schon an Naruto denke … die Tatsache, dass ich mit ihm seit jenem Abend vor meiner Mission noch nicht weiter über das Thema, das zwischen uns steht, gesprochen habe, ist ihm alles andere als behaglich. Ich kenne ihn. Natürlich wartet er nur auf den passenden Augenblick, andererseits hätte er es bereits angesprochen.

Doch wann ist für ihn der passende Augenblick?

Heute noch? Wird er mich zu einem Essen bei ihm einladen, wenn ich ihm auf meinem Rückweg begegnen sollte? Oder doch erst morgen? Vielleicht sogar erst nächsten Monat?

Wer weiß das schon?

Aber … ist mein Herz denn nun wirklich noch für ihn offen? Nun, da ich unter meinem Herzen das Kind eines anderen trage? Wie wird Naruto reagieren, wenn ich ihm sage, dass ich schwanger bin? Wenn ich sage, dass es während einer Mission passierte? Wird er versuchen, den Schuldigen zu finden um ihn dann dafür zu bestrafen, dass er sich an mir „vergriff“?

Ich weiß es nicht.

Aber ich weiß, dass ich ihm nicht sagen kann, dass es Sasukes Kind ist.

Meiner Meinung nach grenzt das fast schon an Selbstmord.

Immerhin … sind sie ja Brüder …
 

Und apropos Brüder …
 

Vorsichtig öffne ich die Schiebetür zum Haus, ziehe in dem kleinen Flur dahinter meine Schuhe aus und gehe über den kalten Holzboden. Hin und wieder singt er unter meinen Füßen sein knarrendes Lied. Auch hier drin erinnert nichts mehr an die Nacht, in der Itachi seine Familie verriet und sie alle außer seinem kleinen Bruder, dessen Leben er als nicht wertvoll genug anerkannte, um es ihm zu nehmen, tötete.

Ich kann mir nicht einmal im Ansatz vorstellen, welches Leid das für ihn bedeutet haben muss.

Und was Naruto empfand, als er Sasuke verlor, seinen Bruder, ist für mich auch jenseits dessen, an was ich jemals denken kann und will.

Es muss nicht sein.

Das zerstörte Mobiliar ist ersetzt worden durch neues und hin und wieder kann man genau erkennen, welches der hölzernen Möbel von Anfang seinen Platz in diesem Haus hatte und welches neu hinzukam.

Meine Schritte, deren Herrin ich nun endlich bin, bringen mich in die unterschiedlichsten Zimmer und nur mit viel Fantasie kann ich sagen, ob es sich bei einem Zimmer um eines für Gäste oder doch um eines von Familienangehörigen handelt.

Nur Itachis erkenne ich leicht an der Anbu-Maske, die auf dem gemachten Bett liegt.

Der einzige Punkt Farbe in diesem grauen Zimmer.

Selbst das dunkle Holz, dessen Farbton ich eigentlich mag, wirkt in dieser düsteren Atmosphäre farbloser als es eine finstere Nacht je bewirken konnte.

Ich gelange in die Küche, der einzige Raum, den ich neben dem Wohnzimmer problemlos erkennen kann.

An dem Tisch in der Küche sitzt eine Person, den Rücken zu mir gewandt, die Finger ihrer rechten Hand umspielen den Rand einer Teetasse und um ihre Schultern hängt ein langer dunkler Reiseumhang, der normalerweise nur in der Zeit von November bis April getragen wird. Mir fällt ein Kalender an der Wand auf und überraschenderweise ist es der für dieses Jahr.

Die vergangenen Tage bis heute sind ordentlich durchgestrichen. Ein Stift hängt, befestigt an einem Faden, der mit einer Schlaufe am selben Nagel wie der Kalender festgemacht worden ist, neben ihm.

Die Kapuze des Mantels ist nicht hochgezogen und so ist es nicht schwer trotz des dunklen Nachmittages in dieser Person Naruto zu erkennen.

Aber was …
 

„Was machst du hier?“

Anders als erwartet

Er hebt seinen Blick nicht und sieht sich auch nicht um, aber ich weiß, dass er mich gehört, denn seine Finger, die gerade noch den Rand der Tasse umkreisten, für einen kurzen Augenblick stoppen und ihr Spiel weiter fortsetzen.

Ich setze mich ihm gegenüber, um ihn ansehen zu können. Nur unterbewusst fällt mir auf, dass hinter mir die Küchenleiste ist, auf deren Spüle mehrere Teller und Tassen standen, die gespült werden müssten.

Als hätte Naruto hier gelebt.

„Naruto?“

Ich sehe ihn weiter an, warte geduldig auf eine Antwort, von der ich weiß, dass ich sie bekommen werde. Er mag zwar spielen und die Wahrheit vertuschen, aber er lügt mich nicht an.

„Ich hab das Haus und die Umgebung nicht nur erneuern lassen, weil ich hoffe, dass Sasuke irgendwann wieder und vielleicht sogar deswegen zurückkehrt …“

Seine Stimme ist nicht mehr als ein leises Murmeln, und ich muss mich ein wenig weiter nach vorne beugen um ihn besser verstehen zu können. Er atmet durch den Mund und ich erkenne in seinem Atem eindeutig den Geruch von Alkohol, zwar schwach, aber dennoch da.

Neben ihm steht kleine Flasche, ihr Glas ist dunkel und ich kann nicht erkennen, was in ihr ist, aber dennoch sehen, dass von ihrem Inhalt kaum etwas fehlt.

Er hat den Alkohol wohl nur stark verdünnt getrunken.

„Natürlich wirkte es für allen anderen so, als wäre ich trotzdem so gottverdammt naiv und glaubte, Sasuke würde von meiner Aktion erfahren. Durch den Wind …“

Der Alkohol hat seine Zunge ein wenig gelöst und durch diesen macht er seinen Gefühlen nun Luft. Er sagte die letzten Worte so verächtlich, als hätte er irgendjemanden beleidigen wollen.

Ich habe davon nichts mitbekommen, aber es scheint, als hätte er reichlich Ärger wegen seiner „Aufräumaktion“ bekommen. Warum hatte er davon nichts gesagt? Ich hätte ihm geholfen – ich bin doch seine …

„Es ist unmöglich, dass Sasuke je zurückkommen wird … es gibt hier nichts mehr, was ihn hier hält … er hat keine Familie mehr hier … und wir sind für ihn nichts anderes als irgendwelche Ninjas, die ihn daran hindern, die Macht zu erlangen, nach der er strebt …“

Seine Stimme hat nichts von der Verächtlichkeit verloren, mit denen er gerade die Worte von irgendjemandem zitiert hatte. Sein Blick verfinsterte sich und ich hatte das Gefühl, dass er gleich seine rechte Hand zu einer Faust schließen und seine Tasse zerschlagen würde.

Doch er tut nichts dergleichen.

Sitzt einfach nur da und stiert die Matten vor ihm an, als könnte er an ihr so seine Wut auslassen.

Keine Familie …

Meine rechte Hand wandert schuldbewusst zu meinem Bauch.

Doch, er hat Familie hier. Seinen Bruder, Naruto, und sein ungeborenes Kind. Aber von ersterem will er nichts mehr wissen und von letzterem weiß er nichts.

„Nein … ich hab das Haus und die Umgebung wieder aufgebaut, weil ich genau weiß, dass er nicht zurückkommen wird. Nicht wegen uns. Nie im Leben wegen uns …“

Seine Stimme verliert den verächtlichen Klang.

Sie hat nun viel eher einen verbitterten Unterton …

Er trinkt einen Schluck aus seiner Tasse und kaum dass er sie wieder abgesetzt hat, schüttelt er sich. Der Alkohol schmeckt ihm nicht. Er trinkt ihn wohl nur, weil er hörte, dass er Schmerzen betäuben kann … für den Moment.

Und ein Moment ist wohl alles, was er braucht.

Dass danach immer alles schlimmer ist, interessiert ihn wohl nicht …

„Ich wollte nur eine Erinnerung an ihn … etwas, dass mir sagt, dass er wirklich da war …“

„Aber du hast doch schon die Erinnerungen, die du mit ihm gemacht hast …“

Zum ersten Mal habe ich ihn unterbrochen und zum ersten Mal seit ich hier bin sieht er auf, in meine Augen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass er mich gar nicht wirklich sieht, fast schon durch mich durch blickt. Als wäre ich nicht da.

„Ich weiß nicht mehr, ob sie echt sind … mit jeder weiteren Nacht, in der ich nicht schlafen kann, frage ich mich immer mehr, ob ich das wirklich alles erlebt habe mit ihm an meiner Seite … jedes Mal, wenn es überall dunkel ist, frage ich mich, ob jeder Tag nicht nur ein Traum ist, denn ohne Sasuke … ohne meinen … Bru …“

Seine Stimme verliert sich, sein Blick festigt sich und auf einmal ist das Gefühl von gerade weg. Jetzt sieht er mir direkt in die Augen und in seinen sehe ich einen solch unglaublichen Schmerz. Das sonst so undurchdringbare Blau von ihnen verschwimmt, Tränen fließen aus ihnen hinaus und laufen unaufhaltsam über seine Wangen.

Ich hatte nie gedacht, dass er …

„Naruto …“

Ich fühle mich, als hätte ich all seine Verzweiflung plötzlich in meinem Herzen.

Ich greife zu seiner Hand, halte sie fest.

„Er war da. Er war wirklich da … bei uns …“

Einen Moment später weine ich genauso herzergreifend wie er; vorsichtig krieche ich zu ihm rüber, ohne dabei seine Hand loszulassen, um ihn in den Arm zu nehmen. Ich knie vor ihm und lege meine Arme um seine Schultern und kurz darauf spüre ich seine Hände auf meinem Rücken, fühle, wie sie sich in meine Jacke krallen.

Es tut nicht weh.

„Sakura, ich … ich …“

Ich unterbreche ihn nicht, versuche einfach nur, meine eigenen Tränen zu unterdrücken, will nicht weinen wegen ihm, weil ich ihn doch schon längst aufgab, und ihm mein Herz schenken wollte.

Ihm, der nun in meinem Armen Trost suchte.

Und dabei seinen Körper ohne es zu wissen gegen ein ungeborenes Kind von dem Mann drückt, wegen dem seine Tränen überhaupt fließen können.

Naruto wiederholt meinen Namen mehrmals, als konnte ihm allein diese Tatsache genug Kraft geben, sich wieder beruhigen zu können. Ich lasse ihn gewähren.
 

Ich weiß nicht, wie lange genau es gedauert hat, bis seine Tränen größtenteils versiegt sind und er sich endlich ein wenig von mir lösen kann. Ich habe nicht auf die Uhr geachtet. Das einzige, das die Zeit verrät, ist die Dunkelheit draußen, die durchs Fenster schleicht und die Küche in ihr einhüllt.

Es gibt nichts, was uns im Moment ein wenig Licht spendet; einzig und allein, dass unsere Augen sich bereits an die Finsternis gewöhnt haben, lässt uns das wichtigste noch erkennen.
 

„Weißt du, Sakura“, fängt Naruto wieder an, wischt sich ein letztes Mal über die Augen und lächelt dabei schwach. „Ich hab das alles hier wieder aufgebaut, weil ich hier einziehen wollte.“

„Wirklich? Warum?“

„Eine Erinnerung an ihn … sagte ich doch gerade …“

Er ist nicht wütend, lächelt immer noch.

„Und ich möchte, dass du bitte auch hier einziehst … mit mir …“

Das Zimmer des Bruders

Ich weiß nicht warum, aber ich habe nicht lange überlegt, bevor ich sein Angebot angenommen habe und mit mir auf seiner Seite schien es für ihn ein Leichtes, Tsunade zu überreden, uns unser Vorhaben durchführen zu lassen.

Und er hatte Recht.

Als ich unsere Hokage darauf ansprach, klang sie so überrascht, dass es für mich mehr als offensichtlich war, dass Naruto ihr sein Anliegen bereits mehrmals unterbreitet hatte und sie ihn immer wieder abgewiesen hatte, weiß der Geier warum.

Natürlich fragte ich sie auch, warum, aber sie hüllte sich in Schweigen anstatt mir die verlangte Antwort zu geben, was sie außergewöhnlich selten machte. Aber ich wollte mein Glück auch nicht überstrapazieren, auch wenn es nicht wirklich schwer gewesen war, sie zu überreden.

Irgendwann vielleicht, wenn der Zeitpunkt der passende sein würde, könnte ich sie fragen, warum sie Naruto allein das Haus nicht als Wohnort überlassen wollte.

Das Gespräch mit Tsunade war etwa drei Wochen her und seit der Hälfte dieser Zeit wohnen Naruto und ich bereits in unserem neuen Zuhause.

Anfangs war es sehr … ungewohnt …

Ich hatte mir am ersten Tag das Haus komplett angesehen, jegliche Zimmer und sei es auch noch so klein, ich wollte alles kennen, obwohl ich mir insgeheim sehr sicher war, dass ich dieses Haus demnächst vermutlich besser kennen würde als mir lieb ist.

Demnächst müsste ich meine Missionen einstellen, dem Kind zuliebe.

Den positiven Schwangerschaftstest habe ich nicht weggeschmissen, sondern gut verpackt in einer der Schubladen in meinem neuen Zimmer versteckt.

In meinem neuen Zimmer … und in seinem alten.

Sasukes Zimmer.

Naruto und ich sind kein Paar, kein frisch verliebtes, keines, das schon viel zu lang zusammen ist, als dass es noch irgendein Interesse an einer sexuellen Beziehung hegen könnte, und auch sonst keines, bei dem beide Partner in Liebe miteinander verbunden sind.

Noch nicht.

Deswegen teilen wir uns auch kein Zimmer, zumindest nicht für die Nacht.

Ich habe Sasukes Zimmer kaum verändert.

Auf seiner alten Kommode stehen nun mehrere Fotos – auch Familienfotos von ihm, die mit mir reichlich wenig zu tun haben. Ich mag sie einfach nur. Sie erinnern mich an ihn.

Die Bettwäsche ist nicht mehr nur einfach weiß, sondern hat auch Farben und Muster, die diesem Zimmer wenigstens einen geringen Farbtupfer geben. Es passt gut hierhinein.

Narutos Zimmer ist meinem neuen nicht gerade nahe gelegen, denn er hatte sich Itachis altes Zimmer genommen.

Das Zimmer des Bruders.

Damals, als ich es zum ersten Mal betreten hatte, war es komplett grau, selbst das dunkle Holz schien selbst bei hellster Beleuchtung keinerlei Farbe mehr zu haben.

Mittlerweile hatte Naruto sich gut in dem Zimmer eingelebt und es hatte sich meiner Meinung nach kaum geändert. Es ist immer noch kalt und grau. Er selbst hat sich jedoch nicht geändert – glaube ich.

Jener Abend hat ihm gut getan; all seine Wut und seinen Frust entkommen zu lassen, war genau das, was er gebraucht hatte. Wenn er mich jetzt anlacht, frage ich mich nicht mehr, ob er es ernst meint oder er spielt.

Er spielt weniger. Sehr viel weniger.

Immer, wenn er auf Missionen ist und ich nicht arbeiten muss, dann gehe ich in sein Zimmer, betrachte es. Betrachte die Anbu-Maske, die er nicht hatte verschwinden lassen, sondern mit einem Nagel an die Wand über seinen Schreibtisch gehängt hatte. Ich weiß nicht was, aber Naruto hatte sich sicherlich etwas dabei gedacht. Unter ihr, auf seinem Schreibtisch, dessen Oberfläche mehrere Löcher und Kratzer hatte – garantiert von irgendwelchen Kunai, mit denen Itachi in seiner Langeweile rumgespielt hatte –, stehen mehrere Fotos, wie bei mir. Ein Gruppenfoto von Team Sieben (auch das steht bei mir), dann ein aktuelleres, das wir zusammen mit unserem Lehrer Kakashi machen ließen (ich habe mir ein anderes aus dieser kleinen Fotoreihe ausgesucht), nachdem Naruto zurück war, und dann nur noch Fotos der Uchihas. Auf allen sind nur Sasuke und Itachi.

Keine Mutter.

Kein Vater.

Nur die beiden.

Ich beobachte die Foto immer genauer, wenn ich in seinem Zimmer bin und mittlerweile kenne ich jedes Bild genau, weiß, welche Klamotten die beiden trugen bei welchem Foto. Bei welchem Itachi eine goldene, feingliedrige Kette um seinen Hals trägt, deren Anhänger unter seinem Pullover verschwand und bei welchem er statt ihrer einen Ring trägt.

Bei Sasuke ist es nur die goldene Kette und ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um eine besondere Anfertigung für sie beide handelt. Garantiert sind ihre Namen in einen Anhänger oder ähnliches eingraviert und ein kurzer, aber für sie wichtiger Spruch.

Wenn Naruto dann wieder nach Hause kommt, dann bin ich nicht anders als sonst und ich weiß nicht, ob er erahnt, was ich getan heb, während er weg ist. Aber ich zerbreche mir auch nicht wirklich häufig den Kopf darüber.

Es stört mich genau genommen auch nicht.

Wir haben nie solche Regeln ausgemacht, die besagen, ob das Zimmer des jeweils anderen betreten werden darf oder nicht. Aus dem Alter dürften wir raus sein.

Außerdem suche ich ja nicht nach etwas bestimmten.

Ich weiß noch nicht einmal, warum genau ich in sein Zimmer gehe und mir die Bilder anstarre, weiß ich doch, dass ihr Anblick immer noch derselbe sein wird, egal, wie viel Zeit verstreichen würde.

Es ist schon einige Zeit her, dass ich mir das Warum abgewöhnt habe.

Und auch jetzt fange ich nicht damit an.
 


 

Sein besorgter Blick ruht auf mir und ich weiß, dass ich ihm eine Antwort auf seine Frage schuldig bin, aber noch kann ich sie ihm nicht beantworten, während ich immer noch hier draußen bin und nicht in meinem Bett, das mir die nötige Entspannung verspricht.

Naruto stützt mich, bespricht irgendwas mit Sai und Kakashi und ich weiß, dass sie einen Augenblick später nicht mehr da sind, weil ich ihre Stimmen nicht mehr höre, ihre Schritte verschwunden sind.

Mich vollkommen darauf verlassend, dass seine Arme mich nicht loslassen werden, lehne ich mich immer mehr an Naruto, aus Angst, dass meine Beine der Schwäche, die ich im ganzen Körper verspüre, nachgeben und ich auf dem Boden fallen würde. Und genau das will ich bestmöglich verhindern.

„Komm schon. Du schaffst das! Wir sind gleich da!“, sagt er zu mir. Ich versuche mich an seine ermutigenden Worte zu klammern und an ihre Bedeutung zu glauben, nicht der Schwäche und der mit ihr folgenden Ohnmacht nachzugeben.

Ich konnte nicht bewusstlos zusammen brechen, wenn ich noch nicht wusste, was mit meinem …

Ich nicke Naruto zu, er sieht es und grinst hoffnungsvoll.

„Pass auf, dass du nicht zur Lügnerin wirst“, versucht er unsicher zu scherzen und stärkt seinen Griff um mich.

Ich bin nicht bewusstlos, aber dennoch merke ich kaum, wohin ich gehe oder dass ich überhaupt gehe; dass irgendjemand – ich glaube, es ist Kakashi – nach einiger Zeit nach meinem anderen Arm greift und mich von der anderen Seite stützt, bekomme ich mit, aber es stört mich nicht. In diesem Zustand kann ich Freund von Feind nicht unterscheiden.

Ich hätte eindeutig auf das hören sollen, was ich mir schon vor einem Monat sagte, nämlich schon zu diesem Zeitpunkt mit den Missionen aufzuhören und den wohlverdienten Schwangerschaftsurlaub anzutreten. Aber ich fühlte mich so stark, kaum behindert durch das Leben unter meinem Herzen.

Doch heute war es eindeutig, dass ich durch es stark behindert war und ich mit weiteren Missionen nur weiterhin mein Leben und das meines ungeborenen Kindes riskierte.

Für weitere Schwangerschaften sollte ich mir merken, dass der dritte Monat ein guter Zeitpunkt ist, mit Missionen aufzuhören und das es nur Chaos bringt, weiterhin zu arbeiten, wenn der vierte bereits angebrochen ist.

Ewigkeiten später so scheint es mir legen mich meine zwei Teamkollegen und Freunde auf ein weiches Bett, von dem ich hoffe, dass es das meine ist.

Ich atme tief durch, genieße die Ruhe, das Gefühl, wie die Schmerzen und die Benommenheit langsam abklingen und vergehen.

„Sakura – was ist mir dir?“

Ich antworte immer noch nicht.

Eine kraftvolle weibliche Stimme durchbricht die Stille, die entstanden war, und ich höre Schritte, die durch die Tatsache, dass die Person nicht barfuss ist, noch lauter sind. Ich verstehe nicht die Worte der Frau, erkenne wohl aber, dass es Tsunades ist.

Kaum ist sie in meinem Zimmer, scheucht sie die anderen beiden raus und setzt sich auf mein Bett.

„Da unterrichte ich dich schon jahrelang in der Medizin und du reitest dich trotzdem in so eine Misere“, sagt sie als erstes und klingt dabei ziemlich vorwurfsvoll, schüttelt den Kopf.

„Wie hast du das denn geschafft? Ich kann keine äußeren Verletzen erkennen“, redet sie vor sich hin, während sie mit ihren Händen meinen Körper abtastet und nach Wunden sucht.

„Und äußere Verletzungen mach ich mir auch keinerlei Sorgen, Tsunade.“

„Was denn dann? Bei meiner letzten Untersuchung warst du kerngesund.“

Ich hatte gehofft, sich würde, weil sie sich bei ihrer Frage in ihrem Tun unterbricht, ihre Hand auf meinen Bauch legen, und die Antwort würde sich von alleine erledigen, denn inzwischen kann ich die Bewegungen meines Kind bereits fühlen. Ich will die Worte nicht aussprechen, die ich bisher kein einziges Mal aussprach; ich dachte sie bisher immer nur.

Es zu sagen ist so … endgültig.

„Kümmere dich bitte um das Kind – ich muss wissen, ob alles in Ordnung ist.“

„Welches Kind? Sag mir nicht, du bist –“

„Tsunade! Das Kind – bitte!“
 

Der Schmerz mag verschwunden sein, aber meine Kraftlosigkeit nicht.

Ich gebe ihr nach und falle in einen tiefen Schlaf.

Zusammen

Als ich aufwache, ist Tsunade bereits fort und auch Kakashi kann ich nirgends mehr entdecken, sehe nur noch Naruto an meinem Bett sitzen. Gedankenverloren starrt er auf mich oder mein Bett, ich kann keinen Unterschied erkennen. Er schweigt, und es scheint, als würde er im Fünf-Sekunden-Takt tiefer ausatmen als sonst, und drei Sekunden später den Kopf schütteln.

Ich frage mich, wie lange er das schon macht.

Sein Blick wandert nicht hoch zu meinem Gesicht, auch nicht, als ich mich ein wenig bewege. Körperlich ist er zwar hier, aber in seinen Gedanken ist er wohl in einer fernen Welt.

Hatte Tsunade ihm gesagt, dass ich …

„Naruto …“

Sein Blick hebt sich, landet in meinen Augen und er springt von seinem Stuhl auf, den er vor mein Bett gestellt hat, und setzt sich neben mich aufs Bett.

„Sakura – alles okay?“

„Mh …“

Er schweigt wieder, sieht wieder irgendwo anders hin, nur nicht auf mich. In seinen Augen kann ich wieder diesen verbitterten Ausdruck erkennen.
 

„Warum hast du mich angelogen?“

„Ich habe dich nicht angelogen.“

„Warum hast du mir gesagt, du wolltest ihn vergessen und mir dein Herz öffnen?“

„Ich habe ihn vergessen.“

„Aber warum suchst du dir dann Trost bei irgendeinem anderen und nicht bei mir?“

„Ich habe mir nicht bei irgendjemandem Trost gesucht.“

„Und wie kommt es dann, dass du …“

„Zu viel Sake nach einer Mission …“

„Warum lässt du es dann nicht …“

„Ich töte kein unschuldiges Kind – außerdem habe ich selbst erst viel zu spät davon erfahren …“

„Aber was …“

„Ich weiß es nicht … aber ich hoffe, du lässt mich nicht im Stich …alleine schaff ich das nicht …“

„Nein. Niemals.“
 

„Zusammen meistern wir das.“
 

Er beugt sich zu mir runter, umarmt mich liebevoll und drückt seine Lippen zart auf meine Schläfe. Eine herzliche Geste. Langsam hebe ich meine Arme und erwidere seine Umarmung, drücke ihn zu mir runter.

Wärme. Vertrautheit. Geborgenheit.

Und vielleicht auch irgendwo Liebe.

Ich liebe ihn nicht mehr. Aber diesen Mann in meinem Armen und mich verbindet mehr als Freundschaft.

Nur wann …
 

Erneut greife ich zu meiner Tasse mit Tee, in dem dieses Mal eine kleine Dosis Zucker ist, und das rötliche Getränk dadurch so viel schmackhafter macht.

Ino sitzt mir gegenüber, wieder, neben ihr Shikamaru, doch dieses Mal sind wir nicht bei ihr zu Hause und der einzige Herr in der Runde stieß erst später zu uns. Vielleicht bereut er es, vielleicht aber auch nicht. Ich glaube aber eher nicht. Naruto müsste auch gleich kommen, dann wäre es eine gerechtere Verteilung und er müsste uns nicht nur zuhören.

Ino und ich sprechen nur über Sachen von belanglosem Wert, ihre letzte Mission und seltsamerweise finden wir über sie auch den Weg zu ihrer letzten Nacht mit ihrem neuen Freund, an dessen Gesichtsfarbe ich eindeutig erkennen kann, dass ihm das Thema eindeutig nicht behagt.

Mehrmals unterbricht er uns und klingt dabei immer entsetzter, als Ino immer mehr ins Detail geht und mir beinahe wirklich alles erzählt hätte, bis zum letzten Moment, in dem Shikamaru in ihr … ja.

Ich fühle, wie in mir sich eine ähnliche Hitze breit macht, die Ino in dieser Nacht wohl empfunden haben mag; sie erinnert mich an die Nacht mit Sasuke …

Ino hört erst auf, von ihrem spannenden Erlebnis zu erzählen, als Naruto auftaucht, zehn Minuten später als vereinbart, aber das macht nichts.

„Du bist drei Stunden vor mir losgegangen, Sakura. Habt ihr wirklich die ganze Zeit hier gesessen?“, fragt er misstrauisch, als er Shikamaru mit einem Handschlag begrüßt und sich dann neben mich setzt.

„Nein, nur zwei davon. Wir waren vorher noch spazieren“, antwortet Ino wahrheitsgemäß, greift zu ihrer Tasse und prostet ihm breit grinsend zu.

Es ist mittlerweile Mitte Juli und ich bin in der Mitte des vierten Monats. Und genau das muss ich ihnen noch erzählen. Kaum, dass Naruto es sich neben mir gemütlich gemacht hat, wendet er sich mir zu und küsst mich auf die Stirn, liebevoll lächelnd.

Nein, wir sind immer noch nicht zusammen, kein Paar, aber wir sind näher an dieser Bezeichnung dran als je zuvor und …

Der Kellner unterbricht mich in meinen Gedanken; mit charmanter Stimme bietet er uns die Speisekarte an und wir geben unsere Bestellung ab.

An diesem Abend stehen keine Missionen für uns aus, weshalb Ino mich vor drei Tagen anrief und mir dieses Essen vorschlug. Naruto und Shikamaru müssten wir natürlich auch mitschleifen und mittlerweile scheint nicht einmal mehr letzterer seine Entscheidung zu bereuen, redet mit Naruto.

Es ist ein feines Restaurant, dass Ino sich ausgesucht hatte, meinte, einmal im Jahr dürfte man sich so einen Luxus gönnen; innerlich widersprach ich ihr, dass mein Jahr noch teuer genug werden dürfte, aber dennoch stimmte ich ihr zu.

Es war vorgestern nicht wirklich einfach gewesen, für Naruto etwas passendes an Klamotten rauszusuchen, die dem Anlass auch entsprachen. Sein Kleiderschrank ist diesbezüglich die reinste Katastrophe. Ich hatte ihn einkaufen geschickt und ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet und war deswegen wirklich überrascht, als er mit einem wirklich gut aussehendem weißem Hemd und einer dazu passenden Jeans nach Hause kam.

Shikamaru hatte vermutlich ein ähnliches Problem, denn ständig zieht er an seinem Hemd, richtet seine Hose; er scheint solche Sachen nicht wirklich oft zu tragen, von Wohlfühlen mag gar keine Rede sein. Ino hingegen ist wie üblich ein Augenschmaus, auch wenn sie sich von dem, was sie mit sich machen könnte, nur die Hälfte erreicht hat. Aber weniger ist bekanntlich immer öfter mehr.

Sie lächelt mich wissend an, nachdem Naruto sich Shikamaru zugewandt hatte.

„Läuft zwischen euch was? Ich hab dich in letzter Zeit kaum bei dir in der Wohnung gesehen – bist du zu ihm gezogen?“, fragt sie neugierig und scheinbar nur nebenbei.

Naruto unterbricht sich und sieht zu ihr.

„Hast du es noch nicht mitbekommen?“

„Was?“

„Sakura und Naruto wohnen zusammen im Haus des Familienoberhaupts des Uchiha-Clans.“

„Was?“

Ungläubig blickt Ino zwischen uns restlichen dreien hinterher.

„Warum weiß er das?“, fragt sie Naruto und mich misstrauisch, blickt aber Shikamaru direkt an.

„Und ich nicht?“

Ich kann nicht anders als zu lächeln, blicke sie verständnisvoll an.

„Das hat Hokage-sama vor knapp zwei Wochen bekannt gegeben. Eigentlich müsstest du das wissen.“

„Zu dem Zeitpunkt war ich für bereits seit einer Woche auf einer Mission.“

Sie klingt für einen Moment ein wenig verstimmt, kommt dann aber wieder auf ihre ursprüngliche Frage zurück, die Naruto lächelnd verneint.

„Es gibt da jemanden, der Vorrang hat.“

Erschrocken blickt Ino von ihm zu mir, fragt mich entsetzt: „Hast du Sasuke etwa immer noch nicht losgelassen? Ich hab dir doch gesagt, dass du … hab ich – hab ich Recht gehabt?“

„Ja.“
 

„Du bist schwanger?!“

Nicht allein

Ich frage mich nicht, warum Ino seit drei Wochen nicht mehr mit mir spricht. Es wundert mich nicht. sie fühlt sich einfach nur enttäuscht, weil ich nicht sofort zu ihr kam, denn im Gegensatz zu Naruto habe ihr gestanden, dass ich von meiner Schwangerschaft bereits Anfang des zweiten Monats wusste. Dass ich zweieinhalb Monate wartete, ist für sie fast dasselbe, als hätte ich sie im Kampf verraten und sterben lassen, wenn nicht selbst gar umgebracht.

Ich habe bereits mehrmals versucht mich zu entschuldigen, momentan sind es vier Versuche in der Woche, aber sie hat bisher keine von ihnen angenommen, doch ich bin mir sicher, es ist für sie nicht weiter weltbewegend. In einer, höchstens zwei Wochen wird sie zu mir kommen oder mir endlich die Tür öffnen, wenn ich davor stehe und gegen sie hämmere, dann wird sie mich in den Arm nehmen und vor Freude weinen, darauf bestehend, dass sie Patentante sein durfte.

Und ich würde ihr den Wunsch nicht verweigern können, wohl wissend, dass ich nur ein Elternteil bin. Bisher begleitete mich der Gedanke, einfach über Sasuke hinweg zu entscheiden, immer mit Skrupeln, mit Reue darüber, dass er es mir garantiert nicht verzeihen könnte.

Allerdings ist … er ja auch nicht da … er weiß nicht davon, dass ich ein Kind von ihm erwarte und ich glaube kaum, dass Tsunade es zulässt, dass diese Tatsache groß in die Welt herausposaunt wird.
 

Mittlerweile ist es August. Die Sonne steht noch immer hoch am Himmel und es ist warm, das dunkle Gras leuchtet in ihren Strahlen. Im Garten, den ich als den Ort meiner Hauptbeschäftigung auserkoren habe, blüht kaum noch eine Blume, nur ein Rosenstrauch, von dem ich mir alle paar Tage eine Blüte abschneide und sie auf den kleinen Tisch im Wohnzimmer stelle.

Mit diesem kleinen Accessoire sieht dieses Zimmer einfach behaglicher aus.

Es hat lange genug gedauert, den Gedanken an die schrecklichen Morde, die hier passierten, nicht bei jedem Schritt vor Augen zu haben, und so etwas bezauberndes wie eine Rose hilft dabei.

Obwohl … in manchen Momenten, wenn Naruto aus irgendeinem Grund nicht da ist oder wegen einer anstrengenden Mission in seinem Zimmer schläft, dann kann ich nicht anders, als meine Tränen laufen zu lassen.

Denn diese rote, stolze Rose … sie hat dieselbe Farbe wie das Auge der Uchihas, dieses besondere. Die dunklen Stellen im Blütenblatt erinnern mich nur mehr an das Bluterbe dieser Familie, das irgendwann sicherlich auch bei meinem Kind zu Tage treten wird. Diese Rosen … sie würden genauso sich genauso gut als Symbol des Clans machen wie der Fächer.

Ich vermisse Sasuke nicht.

Ich habe es all die Jahre über nicht getan, in dem er nicht da war, doch jetzt ist es etwas anderes. Je deutlicher ich das Herz des Kindes spüren kann, desto mehr erinnere ich mich an den Morgen danach, als Sasuke mich zu ihm runter zog und ich fühlen könnte, wie sehr es ihn erregt hatte, diese Nacht mit mir zu verbringen.

Ich hatte mein Wort gehalten. Ich hatte niemanden davon erzählt, dass ich neben dem Opfer meiner Mission noch jemand anders getroffen hatte, dass ich etwas anderes getan hatte als ich hätte tun dürfen. Es war … kein direkter Regelverstoß, aber erlaubt ist es auch nicht.

Und das Ergebnis lässt mich nun jeden Tag runder werden.

Naruto hatte bisher noch nie gefragt, wer der Vater ist.

Für ihn war es ein Unfall, der nur durch zu viel Sake herbeigeführt worden war und sich ohne Alkohol hätte vermeiden lassen können.

Das war’s.

Er hatte versprochen, mich nicht im Stich zu lassen, aber ob er wirklich …

Ich will das nicht von ihm verlangen.

Es reichte mir schon der Gedanke, dass ich jene Vorstellung von romantischen Sonnenuntergang zerstörte, in dem ich die weibliche Hauptperson durch mich austauschte. Ich will nicht auch noch die Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft zerstören.

Aber es war doch Naruto, der uns hier in dieses Haus zusammenführte … und ist es dann nicht er, der die Vorstellung von einer Zukunft zu zweit zerstörte?

Auf dem Weg von der Küche nach draußen zurück in den Garten blicke ich an die Wand im Wohnzimmer, an der mittlerweile nicht nur Bilder der Uchihas hängen, sondern auch Fotos seit unserer Zeit als Ge-nin.

Als ich meine Freunde nach Fotos von sich und ihrem Team fragte, kam ich mir so unglaublich steinalt vor, aber sie grinsten alle nur und drückten mir sofort mehrere in die Hand, als hätten sie nur auf diese Frage von mir gewartet.

Natürlich könnte das sein, immerhin hatte ich Naruto von meiner Idee erzählt und für ihn war es sicherlich schwer, das für sich zu behalten. Wenn ich mich richtig erinnere, ist es ja auch ihm zu verdanken, dass am nächsten Morgen fast alle Frauen meiner Altersgruppe und auch seltsamerweise Lee vor meiner Tür standen, irgendwelche kleinen Geschenke in der Hand hatten und mir auf den Bauch tatschen wollten, den man mittlerweile gut erkennen konnte.
 

Ich setze mich auf den Holzweg, der um das Haus herumführt, und setze meine nackten Füße vorsichtig auf den kalten Stein. Ich sitze gerne hier, lausche de, Plätschern der Fische in dem kleinen Teich, beobachte sie und das Rauschen des Windes in den Blättern hinter der Wand, die das Haus und den Garten von dem restlichen Dorf abgrenzt.

Sasuke muss ein schönes Leben gehabt haben.

In diesem Haus …

Ich frage mich, warum Itachi es aufgab und sich seinen eigenen Weg suchte.

Könnte es uns auch passieren, selbst wenn wir nicht zu diesem Clan gehören?

Nein … ich glaube nicht … Itachi ist anders … und Naruto gleicht ihm nicht im Ansatz …
 

„Sag mal, Sakura, macht es dir gar nichts aus, in diesem riesigen Haus alleine zu sein?“
 

Ihre Stimme klingt ein wenig schuldbewusst, aber ich gehe nicht darauf ein. Es muss auch so garantiert genug Kraft und Überwindung gekostet haben, hierher zu kommen.
 

„Nein, mittlerweile nicht mehr. Außerdem bin ich nicht allein.“
 

Sie setzt sich zu mir, lächelt schwach und schuldig, und sieht dann auch zu dem Teich, in dem die Fische spielen, durch die Wasseroberfläche springen und anmutig wieder im Wasser landen. Die Wassertropfen glitzern im Schein der Sonne.

Der Vater?

Es ist nur ein kleiner Spaziergang und Tsunade hatte mir erlaubt, das Dorf unter Anwendung einer Verwandlungskunst zu gebrauchen. Ein einfaches Nin-Jutsu, das aus mir eine braunhaarige Frau Anfang der 30er werden lässt. Ich habe niemanden bei mir, aber unsere Hokage vertraut darauf, dass ich keinem besonders gefährlichen Ninja über den Weg laufen werde. In der Nähe des Dorfes, in der ich mir aufhalten sollte, würde sich kein Ninja wagen, auch wenn er von der Existenz nichts wusste.

Konoha heißt ja nicht umsonst das Dorf, „das versteckt unter den Blättern liegt“.

Anfang Oktober ist es sehr viel frischer als noch im September, der die Kinder, die noch nicht zur Akademie gehen, zu Spielen nach draußen einlud mit seinen warmen Temperaturen. Seit die Kinder wissen, dass der Trakt der Uchihas wieder bewohnt ist, wenn auch nur von zwei Personen, kommen sie auf das Gelände, weil es der größte Bereich ist, der kaum benutzt wird, und deswegen am meisten Platz bietet. Hin und wieder passierte es, dass sie sich beim Spielen die Knie aufschürften oder die Handflächen, weil sie sich beim Fallen auf ihnen aufstützten, und dann kamen sie einfach zu mir und ich heilte sie.

Wenn ich mich richtig erinnere, sind es mindestens drei von ihnen, die später auch Schattenkrieger im medizinischen Bereich werden wollen und kamen auch nach dem Spielen zu mir um ein wenig zu lernen.

Ich empfand es als eine willkommene Abwechslung, die mein Leben ein wenig bunter gestaltete, denn inzwischen blühen auch die Rosen nicht mehr und die Missionen für Naruto häufen sich in letzter Zeit immer mehr. Ich weiß nicht, ob er selbst darum bat, oder ob Tsunade ihm aus irgendeinem anderen Grund beschäftigen will, aber wie üblich frage ich nicht.

Es ist Narutos Angelegenheit.

Vielleicht ist er aber auch nur so oft unterwegs, weil Jiraiya-sama irgendeine Spur von irgendjemanden entdeckte und nun ihn mit Naruto an seiner Seite verfolgen will. Mit ihm, so habe ich von Tsunade erfahren, sei der Weißhaarige San-nin am liebsten unterwegs. Und außerdem seien die beiden sich einfach zu ähnlich geworden.

Ich grinse bei der Vorstellung.

Ja, die beiden sind sich wirklich ähnlich. Der Schüler wurde zu seinem Meister und der Meister zu seinem Schüler. Letzte Woche, als sie Jiraiya-sama bei uns zu Abend aß, war es wirklich ein göttlicher Anblick die beiden zusammen zu sehen und bei ihrem Gespräch zuzuhören.
 

Meine Hände ruhen auf meinem Bauch während ich weiterhin durch den Wald spaziere; es ist nur ein kleiner Pfad, den nur solche kennen, die von der gewöhnlichen Straße des Öfteren abweichen. Wenn wir Schattenkrieger auf Missionen in andere Länder aus sind, benutzen wir solche liebend gerne. Es gibt mehrere von ihnen und dieser hier führte durch das Land der Reisfelder ins Reich des Windes, anders gesagt über das Dorf Oto zu dem Dorf Suna.

Ein Geräusch lässt mich aufschrecken. Ich blicke nach oben und sehe auf einem Baum Neji, TenTen und Lee, jedoch ohne ihren Meister Gai. Mein Blick bleibt für eine Sekunde auf Neji und TenTen ruhen; die beiden stehen sich jedes Mal näher, wenn sie anhalten. Ich grinse innerlich.

„Wohin des Weges, junge Dame? In Ihrem Zustand sollten Sie nicht allzu lange unterwegs sein“, fragt Lee höflich, auf seinen Lippen sein übliches Grinsen, auch wenn es durch Sorge ein wenig unsicher wirkt.

„Habt ihr drei nicht eine Mission zu erledigen?“, frage ich einfach nur, Lees Grinsen schwach erwidernd und einfach weitergehend. Sie dürften ja keinerlei Probleme haben, mich aufzuhalten.

„Wie kommen Sie darauf, hübsche Frau?“

„Weil ich euch drei aus purem Vergnügen noch nie auf Bäumen hab rumhüpfen sehen.“

Ich gehe weiter, summe leise vor mich hin, als hätte die kleine Unterredung nie stattgefunden, bleibe erst stehen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Langsam drehe ich mich zu TenTen um, die mich mit ihren strahlenden braunen Augen, die den meinen im Moment so ähnlich sind, ansieht.

Sie umarmt mich herzlich und ich erwidere die Umarmung.

„TenTen?!“

Lees Stimme klingt so, als zweifelte er an dem Geisteszustand seiner Freundin, und an dem schmerzerfüllten Ausruf von ihm zwei Sekunde danach, schließe ich, dass Neji ihm auf den Hinterkopf schlug.

„Ich hab dich vorher noch nicht gesehen und hab gerade erst von Tsunade erfahren, dass du …“

Sie spricht nicht zu Ende, grinst aber eindeutig und kurz darauf umarmt sie mich noch einmal, herzlicher als zuvor.

„Wer ist eigentlich denn der Glückliche? Naruto? Ich hab gehört, dass ihr zusammenwohnt.“

„Nein, nicht ganz.“

„Echt nicht? Wer denn dann?“

„Ich weiß es nicht … zu viel Sake …“

Für einen Augenblick lang wirkt TenTen geschockt, als hätte sie alles andere erwartet, vielleicht hätte sie noch freudestrahlend reagiert, wenn ich ihr gesagt hätte, dass Lee der Vater ist, aber sie hat sich schnell wieder gefasst.

„Nun, Naruto hätte trotzdem einen guten Vater abgegeben. So wie ich ihn kenne, wird er vermutlich diese Rolle so oder so übernehmen. Es ist schön, dass du das Kind behalten hast. In welchem Monat bist du?“, fragt sie, und gegen Ende ihres Satzes klingt sie wieder genauso fröhlich wie zuvor; ihre Stimme hat die Ernsthaftigkeit verloren, ihre Lippen ihr Lächeln wieder gefunden.

„Im siebten.“

Es dauert noch eine Weile, bis sich TenTen von mir lösen kann und ihre Hände nicht mehr auf meinem Bauch ruhen, um irgendeine Bewegung zu fühlen. Nach einer Viertelstunde, glaube ich, vergeht Neji die Geduld und er zieht sie mit sich zurück auf die Äste und sie laufen weiter. Noch bevor sie außer Hörweite sind, ruft TenTen mir zu, dass sie sich noch mal melden würde. Ich lache. Natürlich würde sie das. Und vermutlich würde sie Neji mitziehen.

Ich will nicht wissen, zu welchen Methoden sie greifen wird.
 

Als ich mich auf den Rückweg machen will, wird es bereits langsam dunkel und ein Blick zu Uhr verrät mir, dass es erst halb sechs ist.

Ich weiß nicht genau, wie lange ich gegangen bin, wie lange ich für den Rückweg brauchen würde, aber ich fühlte mich auch nicht so entkräftet, dass ich es nicht mehr schaffen würde.

Sein Chakra perfekt beherrschen und kontrollieren zu können, ist während einer Schwangerschaft wirklich hilfreich, auch wenn das Nin-Jutsu auch noch einiges an Chakra verschlingt, um es aufrecht erhalten zu können.
 

„Noch nicht zurückgekehrt, junge Frau?“
 

Ich bleibe nicht stehen, denke mir, dass es Lee ist, auch wenn seine Stimme ein wenig anders klingt. Ich habe sie nicht erwartet, bin überrascht, deswegen klingt sie anders. Darum mache ich mir keine Sorgen. Gehe weiter. Selbst wenn er es nicht ist, was hätte die Person davon, mir irgendetwas anzutun? Ich habe die Frau, in die ich mich verwandelte, frei erfunden, es gibt niemanden, der mir zufällig über den Weg laufen könnte und sich an der Frau wegen irgendetwas rächen könnte.

Niemanden.

Die Stimme wiederholt die Frage nicht, sagt auch sonst nichts weiteres mehr, schweigt einfach.

Mittlerweile bin ich mir sicher, dass es nicht Lee ist, denn selbst Neji kann nicht so ungeduldig sein, dass er ihn einfach weiter gezogen hätte, ohne dass er ihn wenigstens hätte eine Antwort bekommen lassen.

Einfach weitergehen.

Mein Zuhause ist nicht mehr weit.

Zurück

Doch selbst dort, in dem Haus, in dem ich mich die letzte Zeit so sicher und geborgen fühlte, werde ich das Gefühl nicht los, dass, zu wem auch immer die Stimme gehören mochte, er immer noch da ist. Mir bis hierhin folgte und nicht einmal im Traum daran dachte, mich allein zu lassen, bis er eine Antwort bekommen hat. Worauf auch immer.

Vorausgesetzt er ist nur an einem Gespräch interessiert.

Naruto ist nicht da, aber das verwundert mich auch nicht.

Er kommt erst morgen zurück. Erst morgen ist die Woche rum.

Ich öffne meine Jacke, gehe barfuss zu meinem dem Platz auf dem Holzweg, auf dem ich immer sitze und entfache die kleinen Fackeln, die im Garten verteilt stehen und die steinernen Weg erhellen, der sich durch ihn schlängelt. Das Wasser des Teichs färbt sich rötlich.

Kaum, dass ich wieder auf meinem Platz sitze und für einen Augenblick länger als gewöhnlich in das Wasser starre, erkenne ich in ihm etwas anderes als die klare Spiegelung der Bäume, die über die Mauer herausragen, etwas, das dort nicht seinen sollte.

Ich blicke auf, sehe auf der Mauer einen Mann stehen, komplett in schwarz gehüllt. Er trägt keine Kapuze, die sein Gesicht oder seine Haare verdeckt, aber das ist auch nicht notwendig. Der Mond in seinem Rücken lässt seine schwarzen Haare bläulich schimmern.

Die junge Nacht – es ist erst halb zehn – verhindert, dass ich sein Gesicht erkennen kann. Der Schein der Fackeln reicht nicht bis zu ihm.

In diesem Moment bin ich dankbar dafür, dass ich das Nin-Jutsu noch nicht aufhob.

Immer noch fixiert den fremden Mann eine braunhaarige Frau mit ebensolchen Augen in einem Gesicht, das von keinen Sorgen gezeichnet ist, von keinen Narben. Sie erinnert nicht im Geringsten an die Kunoichi, die sich hinter ihr verbirgt.

Der Mann springt von der Mauer runter, geht auf mich zu.

Er blickt nicht ein einziges Mal nach unten auf den Weg, als könnte er durch die Steine, die aus dem Boden herausragen und zum Stolpern einladen, mit seinen Füßen einfach durchschreiten.

Doch er hebt sie galant an, um über sie herüber zu steigen; als kannte er den Weg bereits …

„Was hat eine Frau wie Sie in einem Haus wie diesem zu suchen?“

Er kommt näher auf mich zu, die Fackeln erlauben mir nun auf sein Gesicht zu sehen und ich erkenne die Person, die ich nicht erkennen will. Ich seufze, beginne mich zu fragen, warum immer ausgerechnet ich, warum nicht Naruto oder sonst wer?

„Dasselbe kann ich Sie auch fragen. Ich wohne hier.“

Was hatte er mich gefragt?
 

„War unser Treffen Zufall oder Schicksal?“
 

„Wer weiß … vielleicht führte uns der Wind zusammen …“
 

Letzteres hatte ich ihm geantwortet, auf unser kleines Spiel eingehend, dass ich am Abend zuvor begann.

Der Wind …

Hatte das Naruto nicht auch gesagt?
 

„Natürlich wirkte es für allen anderen so, als wäre ich trotzdem so gottverdammt naiv und glaubte, Sasuke würde von meiner Aktion erfahren. Durch den Wind …“
 

Ja, das hatte er.

Aber warum führt der Wind zu mir und nicht zu ihm?

Ich schüttele kaum merklich den Kopf, will diese Gedanken vertreiben.

Kein Warum mehr.

„Sie gehören also zu diesem Clan? Sie sehen nicht so aus.“

Ich frage mich, was ihm wohl auf dem Weg hierher passiert war, was vorgefallen war, dass er jetzt so genervt ist und ein wenig ausfallend wird.

Naruto kommt erst morgen wieder.

Was mach ich?

„Vielen Dank für diese wirklich netten Worte.“

„Warum sollte ich ihnen ein Kompliment machen?“

Ungläubig sehe ich ihn an. Hat er gerade wirklich …

„Das war ironisch gemeint.“

Er ignoriert meinen Kommentar gekonnt und sieht mich einfach nur weiter an, mustert mich von oben bis unten.

Er steht nur da und scheint auf irgendeine Antwort zu warten, die ich ihm bisher noch nicht gegeben habe; ich erwidere seinen Blick, schaue nicht weg. So viel Angst jagt er mir auch nicht ein. Ich warte eine Minute, warte zwei, warte auch noch eine dritte, dann gebe ich es auf. Es nervt. Außerdem bin ich mir sicher, dass er mich nicht angreifen wird, selbst wenn ich die Verwandlung gleich aufhebe.

Es reicht.

„Ich wäre sehr dankbar, wenn du endlich deinen Hintern aus meinem Garten raus bewegen könntest, Sasuke. Du passt als Deko überhaupt nicht darein“, sage ich ihm, während ich mich wieder aufzurichten versuche, was sich doch als ein wenig anstrengender rausstellte als ich dachte. Oben angekommen warte ich nicht darauf, bis er irgendetwas macht, sondern gehe in das Haus, Richtung Küche. Ich erkenne an dem singenden Boden, dass Sasuke sich einen Mist darum scherte, was ich ihm sagte und mir gefolgt ist.

Während ich mir die Zutaten raushole, die ich für mein Abendessen heute Abend gekauft habe, summe ich vor mich hin, achte nicht auf Hintergrundgeräusche.
 

„Wer hat das alles wieder aufgebaut?“

„Naruto.“

„Nur er?“

„Nein, ein paar andere aus dem Dorf haben mitgeholfen, aber den größten Teil hat er alleine gemacht.“

„Warum?“

„Warum? Das habe ich mich anfangs auch gefragt. Ich dachte, er würde das nur machen, um dich irgendwie wieder zurückzubekommen, auch wenn es unmöglich ist, denn Hokage-sama würde nie im Leben zulassen, dass diese Information unser Dorf verlässt. Aber dann meinte er zu mir, er bräuchte einfach nur eine Erinnerung an dich … eine, die nicht verblasst …“
 

Ich schwafele. Wieder. Eindeutig. Tief einatmen, ausatmen. Beruhigen. Nachdenken. Und dann reden.
 

„Eine Erinnerung, die nicht verblasst? Was ist das denn schon für eine Erinnerung? Eine tote …“

„So tot find ich sie bei weitem nicht mehr. Ich wohne seit vier Monaten hier und ich denke nicht bei jedem Schritt an das, was deiner Familie widerfahren ist – nicht, dass es dadurch weniger schlimm wäre …“

„So was kann man nicht vergessen.“

„Davon war ja auch nie die Re … au … nicht schon wieder …“
 

Ich unterbreche mich beim Reden, lege das Messer aus der Hand, mit dem ich gerade eine Tomate geschnitten habe.
 

„Du scheinst keine besonders begabte Hausfrau zu sein.“
 

Das ist alles, was Sasuke zu meinem Ausruf sagt, bevor er sich wieder anderem widmet. Ich nehme die Spitze meines Zeigefingers in den Mund, um das Blut abzulecken.
 

„Was willst du eigentlich hier?“
 

Seine Antwort dauert für meinen Geschmack viel zu lange, ich drehe mich um und blicke ihm für einen kurzen Augenblick ins Gesicht, bevor ich meinen Finger aus meinem Mund nehme, den Schnitt betrachte.

Er tut es mir gleich, hat ein fast schon hämisches Grinsen auf den Lippen.
 

„Vielleicht hätte ich wenigstens nicht aufhören sollen, mit den Shuriken zu trainieren“, stelle ich fest, zucke dabei mit den Schultern und heile den Schnitt mit meinem Chakra, sehe dann wieder zu Sasuke.
 

„Also?“

„Wer bist du? Und was suchst du in meinem Haus?“
 

Dein Haus schon mal gar nicht, Herr Uchiha. Du bist abgehauen, also stand es leer. Außerdem war es Naruto, der sich die Mühe machte, dass alles wieder aufzubauen und nicht du, also hat er auch ein gewisses Recht darauf, hier leben zu dürfen. Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm hier leben möchte und ich habe sein Angebot angenommen. Und nur so als Info: Du bist es doch gewesen, der mich zu einem Teil von diesem Clan gemacht hat, denn nur wegen dir sehe ich mittlerweile aus wie eine Kugel.“
 

„Sa … Sakura?“

Am ersten Abend des zweiten Vollmondes

Seine Augen sind vor Überraschung geweitet und einen Augenblick später sind seine Augen nicht mehr von einem dunklen Grün, wie sie es meistens sind, sondern von einem außerordentlichen Rot. Sie mustern mich noch genauer als zuvor seine normalen Augen und ich fühle mich wieder so, als würde er mich mit seinen Augen ausziehen. Ich weiß, so kann er durch das Jutsu, das ich heute Nachmittag anwendete, hindurch sehen.

So wie damals, vor sieben Monaten …

Seufzend hebe ich das Nin-Jutsu auf, die braunen Haare mitsamt den braunen Augen verschwinden, der rundliche Bauch jedoch bleibt.

Ich warte noch eine kurze Weile, in der ich gehofft hatte, sein starrender Blick würde verschwinden und er würde mich wieder mit normalen Augen ansehen, nun, da ich selbst die Kunst aufgehoben hatte, von der ich mir sicher bin, dass er sie sofort durchschaut hat, als er sein Sharingan aktivierte, und wieder als die vor ihm stehe, die ich bin.

Ich wende mich von ihm ab und meinem Essen wieder zu. Als wäre nichts gewesen greife ich wieder zu meinem Messer und schneide die Tomate weiter, auf die Gott sei Dank kein Blut getropft war. Ich summe wieder.

„Du bist … schwanger?“

„Offensichtlich.“

„Und es ist meine Schuld?“

„Das habe ich gerade gesagt.“

„Das Kind ist von mir?“

„Das heißt es, ja.“

Ich grinse und es ist gut, dass er es nicht sehen kann. Denn durch mich sehen kann er mit seinem Sharingan nicht.

Ich höre, wie er sich setzt, einfach nur stumm dasitzt und nichts tut. Doch dann, wenige Minuten später, steht er wieder auf und seine Schritte sind durchs ganze Haus zu hören. Nicht einmal darauf achtend, leise zu sein, geht er in jedes Zimmer, schiebt die Türen laut auf und in derselben Lautstärke wieder zu. Ich versuche an der zu- und abnehmenden Lautstärke zu erkennen, wo genau er sich in dem Haus aufhält, aber mir bleibt nichts anderes als einzusehen, dass ich das nicht kann.

Ich bin den größten Teil der Zeit alleine in diesem Haus; ich habe keinen Vergleich. Aber solange ich ihn noch höre, mache ich mir keine Sorgen um ihn.

Trotzdem … was er hier wohl will?

Er hatte dieses Haus ja immerhin schon vor dem Zeitpunkt verlassen, an dem er unser Dorf verließ. Verständlich. An seiner Stelle wäre ich vermutlich auch nicht hier geblieben. Aber es ist ja auch nicht mein Bruder gewesen, der meine Familie umbrachte. Ich finde dieses Haus sehr wohnlich, ja, ich finde es wirklich schön hier zu leben.

„Sasuke?“

Ich rufe etwas lauter, hatte ich als letztes doch nur seine Schritte gehört.

Er antwortet nicht.

„Hattest du ein schönes Leben, bevor Itachi diesen Mist baute?“

„Wie kommst du darauf?“

Ich erschrecke, als seine Stimme plötzlich so nah hinter mir ist, an meinem Ohr. Ich spüre seinen Atem auf meiner Wange und jetzt auch seine Brust an meinem Rücken … warum habe ich ihn nicht vorher gehört?

Warum …

„Ich habe Augen im Kopf, weißt du. Dieses Haus … all die Fotos von dir und deiner Familie, vor allen Dingen die zusammen mit deinem Bruder … es sieht alles so harmonisch aus …“

Er legt seine Arme um meine Brust und für einen Augenblick lehne ich mich nach hinten und genieße seine Nähe, lächele.

„Das war es auch … teilweise …“

Er flüstert, bettet seinen Kopf auf meine Schulter und ich sehe zu ihm hinunter, sehe, wie er ebenfalls lächelt, wie sein Blick sich irgendwo in den Bäumen, die er durchs Fenster erspähen kann, verliert. Der Ausdruck in seinen Augen, die von einem solch dunklen, bezauberndem Grün sind, dass sie eher schwärzlich wirken, ist melancholisch; er erinnert mich daran, wie Naruto mich an jenem Abend anschaute, als er mir den Vorschlag machte, hier mit ihm einzuziehen.

Er sieht ganz genauso aus.

Tränen, die ich nicht zurückhalten kann, füllen meine Augen und fließen über meine Wangen. Als Sasuke die Feuchtigkeit an seinen Wangen fühlt, blickt er auf. Ich drehe mich um, drücke mich an ihn, will einfach nur, dass er mich hält.

„Sakura …“

Er murmelt meinen Namen, mehrmals, wie Naruto, und je mehr Sasuke mich an ihn erinnert, desto mehr Tränen scheinen sich ihren Weg nach draußen zu bahnen. Ich weiß, dass ich ihn geradezu damit überfalle, hat er doch keine Ahnung, wie eine Schwangere sich verhält, doch ich kann nicht anders, kann meine Tränen nicht aufhalten.
 

„Nichts besonderes. Es ist einfach nur … schwangere Frauen sind halt so, davon hast du doch garantiert schon mal gehört, oder?“, frage ich ihn lachend, während wir zusammen am Tisch sitzen und ich den Salat esse, den ich mir gerade gemacht habe. Sasuke hatte mein Angebot, mit mir zu essen, abgelehnt.

Ich habe eine Vermutung, warum, aber ich behalte sie für mich.

Er schweigt einfach nur weiterhin, sagt nichts und sieht dabei doch so aus, als würde diese Stille für ihn alles sagen. Mir entgeht nicht, wie sich sein Blick heimlich zu mir stiehlt, auf meinem runden Bauch hängen bleibt und sich dann wieder abwendet.

Ich seufze.

„Nein, ich habe keinem einzigen erzählt, dass du der Vater bist. Darum musst du dir keine Sorgen machen.“

„Wollte es denn keiner wissen?“

„Natürlich wollen alle es wissen, aber wenn es nach ihnen geht, weiß ich es selber nicht einmal … was zu viel Sake alles anrichten kann …“

Nachdenklich und theatralisch schüttele ich den Kopf, stochere in meinem Salat rum. Ich lächele glücklich, als Sasuke sich ein Salatblatt von meinem Teller nimmt und es sich in den Mund schiebt.

„Weißt du“, fahre ich fort, „Es wäre Selbstmord für mich gewesen, hätte ich es gesagt. Ich hätte Naruto niemals wieder in die Augen blicken können und genau das wollte ich verhindern. Außerdem hätte er dann nicht mehr nach dir gesucht, weil er dich finden, sondern weil er dich töten will, weil du mich geschwängert hast.“

Er sieht mich an.

„Klingt, als wäre ich allein der Schuldtragende.“

„Bist du ja auch – was musstest du mich auch verführen?“

Mein Lächeln verrät, dass ich es nicht so ernst meine, wie ich es sage. Ich bereue nichts von dem, was ich in jener Nacht mit ihm tat. Keine Sekunde.

Er erwidert es.

„Warum bist du hier?“

„Der Wind flüsterte mir deinen Namen zu.“

„Es ist schon seltsam, dass Naruto fast dieselben Worte gebrauchte, um dein Kommen zu beschreiben … und zwar zu einem Zeitpunkt wie diesem …“

„Naruto ist nicht hier.“

„Nein, noch nicht, aber auch er meinte, dass es der Wind sei, der dich herbringen würde.“

Dass nicht er es sagte, sondern irgendjemand anders, muss Sasuke nicht wissen. Mir geht es nur um die Botschaft, die sich dahinter verbirgt.

„Hast du jemals vor, ihnen zu sagen, von wem dein Kind ist?“, fragt er weiter, unbeirrt dessen, was ich sagte.

„Wenn du es nicht tust, wird es das Kind sein, das sich durch sein Sharingan verrät, wenn es alt genug ist“, antworte ich und schnappe mir mit meiner Gabel das Salatblatt weg, nach dem er gerade greifen wollte. Siegesgewiss grinse ich ihn an.
 

„Warum bist du wirklich hier, Sasuke?“

„Itachi und ich werden hier unser letztes Gefecht austragen. In diesem Haus. Aber es scheint, als wüsste er nichts davon, dass ihr beide hier wohnt. Seid am ersten Abend des zweiten Vollmondes, den heutigen nicht mitgezählt, irgendwo außer Haus. Ihr habt bei diesem Kampf nicht dabei zu sein.“

In Liebe, dein Bruder Itachi

Er hatte nicht weiter gefragt, wie meine Schwangerschaft verlaufen war. Ob es irgendwelche Komplikationen gab oder geben könnte, die das Kind irgendwie gefährdeten oder ob sonst irgendetwas passiert war, was ihn vielleicht interessieren könnte – immerhin ist er ja der Vater.

Aber er schweigt.

Es ist bedrückend, dass er nichts weiter sagt, mich einfach beobachtet, egal, was ich mache. Mir nur zwischendurch behilflich wird, wenn ich etwas alleine nicht mehr schaffe. Er hilft mir ungefragt beim Spülen und räumt die Sachen auch, nachdem sie trocken sind, direkt weg, greift dabei so zielsicher zu den richtigen Schränken, als ob er nie für Jahre weg gewesen wäre.

Ich lächele, während ich ihm hin und wieder einen Blick zu werfe. Ich weiß nicht, wie ich überhaupt auf den Gedanken gekommen war, aber als Naruto und ich die Küche einrichteten, bestand ich darauf, dass wir alles genauso machten, wie es vorher hier stand.

Dieser Raum war einer der wenigen, die kaum beschädigt waren und so war es ziemlich einfach, die Küche wieder herzurichten. Und zwar genau so, wie sie vorher war.

Zwischendurch, während ich durch das Haus gehe, um aufzuräumen, Wäsche einzusammeln und sie zur Waschmaschine zu bringen, mache ich eine Pause, bleibe einfach stehen oder lehne mich gegen eine Wand, und Sasuke, der dicht hinter mir ist, stellt sich noch näher an mich heran und stützt mich, nimmt mir sogar die Sachen ab und bringt sie dorthin, wo ich sie haben will.

Es ist ein sonderbarer Anblick, sind es doch normalerweise blonde Haare, die dann vor mir her laufen und nicht diese tiefschwarzen.

Es ist ungewöhnlich, sind die Schultern doch normalerweise ein wenig breiter und die Person an sich wenige Zentimeter größer. Der Gang ist nicht so grazil und das Geräusch, das beim Gehen entsteht, nicht so unglaublich leise.

Als wollte er irgendeinen Verfolger abschütteln, den es nicht gibt.

Selbst wenn er mir den Rücken zugewandt hat, habe ich das Gefühl, seine Augen noch auf mir zu spüren, wahrhaftig zu fühlen, die ganze Zeit beobachtet zu werden. Als hätten die Wände plötzlich Augen und Ohren bekommen, nur weil jemand im Haus ist, der hier geboren wurde.

Es vermutlich noch besser kennt als ich es jemals kennen würde.
 

Bis Mitternacht sind es nur noch wenige Minuten und nach einem langen Seufzer, der dem Blick zur Uhr folgte, nehme ich mir ein Buch aus dem Regal im Wohnzimmer. Es ist voll von irgendwelchen medizinischen Informationen, hin und wieder auch Gleichungen, die benötigt werden zur Herstellung irgendwelcher Gegengifte oder Gifte an sich. Ich wollte heute damit anfangen, das Kapitel über die Regenerationskraft der Haut zu lesen und wie man sie durch pflanzliche Mittel, deren Nebenwirkung es so gering wie möglich zu halten gilt, verstärken kann.

Sasukes Blick ist ein wenig misstrauisch, als er das Wort „Gift“ auf dem Buchumschlag sieht, schweigt aber weiterhin und folgt mir in sein altes Zimmer, in dem ich das Buch erst mal auf meinen Nachtschrank lege und mich dann umziehe. Ich lächele, als ich Sasukes Hände auf meinen Schultern spüre, wie sie mir langsam meine dünne Strickjacke von den Schultern zieht, sie auf den Boden fallen lassen und das gleiche danach mit meinem Pulli machen.

Es stört mich nicht.

Nicht einmal dann, als er sich an dem Verschluss von meinem BH zu schaffen macht und auch dieser auf meinen anderen Klamotten landet. Ein sanfter Kuss auf meinen Nacken, dann ist er wieder von meinem Schlafanzug bedeckt.

Ich ziehe mich weiter um, kichernd bei Sasukes Berührungen an meinem Hals.

Seine Haare kitzeln mich.

„Wann kommt Naruto wieder?“

„Er müsste morgen früh gegen 10 Uhr mit Jiraiya-sama zurück sein.“

Er unterbricht sich für einen Moment in seinem Tun, seine Lippen ruhen weiterhin einfach nur auf meiner Haut, dann, eine Sekunde später, macht er weiter, als wäre nie etwas gewesen.

Ich greife zu meinen Klamotten, falte sie ordentlich und lege sie auf einen Stuhl, der an meinem Schreibtisch steht. Mein Blick fällt auf die Bilder, die auf der Kommode neben ihm stehen.

„Sasuke?“

„Mh?“

„Was ist das für eine Kette, die du und Itachi tragen?“

Ich rechne eigentlich nicht damit, dass er eine solche Frage beantworten wird, die sich auf ihn bezieht, seinen verhassten Bruder. Auf den Mann, den er auf den Tod nicht ausstehen kann und in zwei Monaten umbringen will und vermutlich auch wird. Dennoch sehe ich ihn aufblicken, sich den Fotos zuwenden. Er nimmt sogar eines in die Hand, sieht es sich genauer an.

Sein Lächeln ist bitter.

„Es ist einfach nur eine goldene Kette. Sie hatte mal einen Anhänger, den habe ich aber abgenommen“, sagt er und während er spricht, stellt er das Foto wieder hin, blickt auf eine bestimmte Stelle auf dem Boden, direkt neben dem Bett.

Er greift mit einer Hand in seine Shurikentasche und nimmt ein Kunai hinaus, mit welchem er ein loses Brett aus dem Boden hebelt. Er legt es vorsichtig beiseite, neben es sein Kunai, und nimmt eine kleine Kiste aus dem Loch, ebenfalls aus Holz.

„Was ist das?“

„Ich habe als kleiner Junge meine liebsten Sachen immer hier unten versteckt. Ein Wunder, dass es bei der Hausdurchsuchung nach Itachis Amoklauf keiner entdeckt hat.“

Er stellt sich wieder hin und gibt es mir. Meine Finger zittern ein wenig als ich die Kiste vorsichtig öffne und hineinblicke. Darin liegt ein leicht vergilbter Brief, ich nehme ihn heraus, lege ihn auf den Schreibtisch und entdecke darunter eine Kette, daneben ein kleines Medaillon, das sehr wahrscheinlich zur Kette gehört, und ein Ring.

Bedächtig nehme ich sie heraus, lasse sie über meine Finger gleiten.

„Ist das deine oder Itachis?“

„Sie gehört ihm. Mein großer Bruder war mir damals so fremd, dass ich unbedingt darauf bestand, seine tragen zu dürfen, damit er mir wenigstens etwas näher ist. Ich trug sie damals mit Stolz und nahm sie im Gegensatz zu ihm kaum ab.“

„Was ist mit deiner?“

„Die hat er … wenn er sie noch nicht irgendwie losgeworden ist …“

„Und der Ring?“

Er lacht leise.

„Den habe ich für Itachi gekauft, zusammen mit meiner Mutter. Zu seinem 13. Geburtstag.“

„Das ist doch kurz bevor er …“

„Ja …“

Er nimmt den Ring aus der Kiste hinaus, betrachtet ihn genau, liest die Worte, die in ihm eingraviert sind („Für meinen Bruder Itachi“), murmelt danach irgendwelche unverständlichen Worte und das bittere Lächeln von gerade wird zu einem grimmigen.

Ob er sich wohl darauf freut, seinen Bruder töten zu dürfen?

„Ich habe gesehen, Naruto ist in Itachis Zimmer eingezogen?“

„Ja.“

Seine Stimme klingt ein wenig spottend; er legt den Ring zurück in die Kiste und ich stelle sie auf den Schreibtisch, während sein Blick wieder zu den Fotos wandert.

Erneut nimmt er eins in die Hand. Ich weiß, dass es keines von denen ist, die von seiner Familie gemacht worden sind. Ich erkenne am Rahmen, dass es eines ist, auf dem Naruto und ich zu sehen sind. Eines, auf dem wir zusammen auf einer Bank sitzen. Ich lächele, habe die Augen geschlossen, während er mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn drückt. Meine Hände ruhen auf meinem auf diesem Bild noch nicht ganz so deutlich zu sehenden Bauch und seine liegen darüber.

Sasukes Blick wandert von diesem zu den anderen, die dort stehen, von mir und ihm. Ich finde sie allesamt unglaublich süß, war von der Atmosphäre, die sie ausstrahlen, einfach nur begeistert und könnte jedes Mal weinen, wenn ich sie mir wieder ansehe.

Doch natürlich denkt Sasuke anders.

Er atmet scharf ein.

Sein Blick sagt alles, was gesagt werden muss.

Ich verstehe die ungestellte Frage.

Höre, wie er sie mir stumm entgegen schreit.
 

„Ich liebe dich nicht mehr, Sasuke. Ich bin nicht durch Liebe an dich gebunden.“

„Liebst du denn ihn?“

„Naruto ist wie ein Bruder für mich. Wie könnte ich je einen Bruder wie jemanden lieben, der mein Herz gewinnt?“

„Liebst du überhaupt irgendjemanden außer deinem Kind?“

„Nicht auf die Art, an die du denkst.“
 

„Hast du bei irgendeiner Antwort gelogen?“
 

„Warum sollte ich dir die Wahrheit erzählen?“
 

„Wer weiß? Hast du?“
 


 

Ein letzter Blick zu den Fotos, dann kommt er auf mich zu, küsst mich ein letztes Mal, so leidenschaftlich, so liebevoll, so – … dann geht er. Kaum hat er mein Blickfeld verlassen, höre ich ihn nicht mehr. Nicht sein schweres Atmen, nicht seine Schritte, nicht, wie er Türen öffnet und schließt. Es ist, als wäre nie irgendjemand hier gewesen.
 

Doch das Loch im Boden, das Brett, das nicht da liegt, wo es sein soll, und das Kunai daneben verraten jedoch genau das Gegenteil.

Ich öffne das Medaillon und mir laufen Tränen runter bei dem, was ich dort lese.

Ich befestige es an der Kette und lege sie um, spüre das kalte Metall auf meiner Haut.

Lege die Kiste und das Brett wieder dorthin, wo sie waren. Nehme mir den Brief, mache es mir im Bett gemütlich.
 

Die kleine Nachttischlampe ist das einzige Licht in dem sonst dunklen Zimmer.

Ich falte ihn auf, lese ihn.
 

Eine fremde Handschrift, aber der Sasukes ähnlich …
 

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Mit diesem Kapitel ist die Hälfte der Ff erreicht, also bitte ich doch die (mind.) 16 Phantomleser, auch mal einen Kommentar zu hinterlassen, wenn sie daran interessiert sind, diese Ff weiterzulesen ... Öö ...

Wäre wirklich sehr nett^^ ...
 

Sita

Ich, der ich dein Ross führte

Zeit, während du schliefst.
 

Ich hatte dich bisher immer öfter nur als Anhängsel gesehen, etwas, dass immer im Weg stand, wenn man etwas erreichen wollte, zu dem man jedoch nicht kam, weil etwas den Weg versperrte und man konnte es nicht umgehen. Du wirst es mir vermutlich nicht glauben, aber ich bin mir sicher, ich hätte sehr viel eher die Entscheidung gefällt, diesem verdammten Clan und mir, einem seiner törichten Kinder, zu zeigen, zu was ich fähig bin, wenn du nicht gewesen wärst.

Du, mein nerviger kleiner Bruder.

Deswegen versuchte ich mit der Zeit es zu vermeiden, mehr Zeit als nötig mit dir zu verbringen, um dir nicht vor den Augen unserer Eltern an den Hals zu fallen und das Problem mit der Erinnerung an dich ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

Jedes Mal, wenn ich dir sagte, ich hätte heute keine Zeit für dich, ein anderes Mal vielleicht und dir dabei gegen die Stirn schnippte, dann war das nur deswegen, weil ich nicht bei dir sein wollte und der Schmerz, den ich dir zufügte, auch wenn es nur ein geringer war, gab mir genug Genugtuung. Nahm dich für einen winzigen Augenblick von deinem hohen Ross runter, von dem du mich sonst immer anblicktest mit diesem arroganten Blick.
 

Ich nahm extra mehr Missionen an als ich gemusst hätte und während der Zeiten, in denen ich zu Hause war und du und Mutter außer Haus, da stritten Vater und ich.

Ich hatte ihn noch nie so laut schreien hören, aber es störte mich auch nicht.

Ich habe keine Angst vor ihm, nie gehabt.

Und die Tatsache, dass er nicht mehr lebt, wenn du das hier liest, ist doch Beweis genug, oder nicht?

Ich weiß, du wirst mich für meine Taten hassen.

Ich bitte sogar darum.

Aber dass du ihnen nicht gefolgt bist ins Reich der Toten, liegt daran, dass ich in dir dasselbe Potenzial sah wie ich es in mir entdeckte. Ich will, dass du genauso mächtig wirst wie ich.

Ebenfalls das Mangekyou Sharingan erhältst.

Ich weiß, du kannst es.

Hast du es denn mittlerweile?

Und gerade weil ich dich am Leben ließ, will ich, dass du verstehst.

Alles verstehst.

Wenn ich dir das nächste Mal begegne, will ich neben unglaublichen Hass, der dich lenken soll, zu mir führt, auch Verständnis sehen. Denn auch du wirst garantiert irgendjemanden verraten.
 

Und wie ist das Gefühl, liebster Bruder?

Wie ist es, nicht mehr auf hohem Rosse durch die Straßen reiten zu können, sondern selbst gehen zu müssen? Mh? Sag schon.

War es ein schönes Gefühl?

Hast du es genossen?

Von ganzem Herzen?

Warst du angewidert?

Hattest du Angst?

Empfindest du Reue?

Hast du Albträume deswegen?

Drehst du dich des Nachts von einer Seite auf die andere, weil du nicht schlafen kannst?

Verfolgt dich das Gesicht deines besten Freundes, den du verraten hast?

Schläfst du lächelnd ein?

Denkst du dann an deinen Bruder, der dir diesen Rat gab?

Würdest du es noch mal tun?
 

Für mich?

Deinen Bruder?
 

Oder bist du ein braver Junge geblieben, immer noch hoch oben, nämlich dort, wo du nicht hingehörst? Hörst du auf das, was man dir nun befiehlt, wie du auf das gehört hast, was ich dir sagte, oder gehst du deine eigenen Wege?
 

Ich bereue keine einzige meiner Taten und ich glaube nicht, dass es dir auf irgendeine Weise anders ergeht, für was auch immer du dich entschieden haben magst, mein Bruder.
 

Mir wurde oft genug gesagt, wie sehr ich mich von dir unterscheiden würde, aber ich weiß es besser. Wir sind uns ähnlicher als du glaubst, als so viele glaubten.

Aber dennoch frage ich mich manchmal, ob ich dir ebenfalls einen Brief mit ähnlichem Wortlaut geschrieben hättest, wenn ich jenen Beweis nicht hätte haben wollen.
 

Du auch?
 

Natürlich tust du das.

Vielleicht hättest du es irgendwann doch noch geschafft, mich zu mögen.

Und vielleicht wärst du genau das geworden, von dem Vater nicht wollte, dass du es wirst.

Du wärst mir viel zu ähnlich geworden. Ich wäre nicht dein Vorbild, weil du mich zu diesem auserkoren hast, weil du mich nacheifern wolltest, genauso gut sein wolltest wie ich. Ich war es, weil ich dich selbst
 

auf dein hohes Ross setzte, die Zügel in die Hand nahm und dich durch die Dunkelheit führte.

Vater versuchte immer wieder, mir die Zügel zu entreißen, damit er selbst die Führung übernehmen konnte. Ist dir das eigentlich aufgefallen?

Wie er immer öfter versuchte, dich anderweitig zu beschäftigen, nur damit du nicht zu mir kamst um mich zu fragen, ob ich Zeit für dich hätte.

Ich glaube nicht.

Du bist mir ähnlich, ja, aber wir sind nicht identisch. Vater machte es unauffällig und manchmal versetzte er dich mit dem Sharingan einfach in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Ein einfaches und vor allen Dingen grundlegendes Detail, wenn es um die Anwendung des Sharingans geht.

Ich bin mir sicher, du bist meinen Anweisungen gefolgt, in den Schrein gegangen, hast die siebte Tatami-Matte auf der rechten Seite hochgehoben und bist den geheimen Gang hinuntergegangen und hast dir all das durchgelesen, das dein Bluterbe kann.

Aber das ist nur eine Methode von vielen.

Ich weiß, es hätte nichts gebracht. Vater konnte mir bis zum letzten Augenblick nicht die Zügel deines Rosses aus der Hand nehmen und hätte es auch nicht geschafft. Ich hätte dich mit in dieselbe Richtung gezogen, in der der Weg, den es zu beschreiten gilt, im Dunkeln liegt.

Aber wir wären zusammen gewesen.

Du hättest keinen Grund gehabt, Angst zu haben.

Ich hätte dich von dort oben heruntergeholt und dich mit meinem Leben beschützt.

Denn dann, wären wir zusammen gegangen, dann wären wir wirklich Brüder gewesen. Richtige Brüder, die nicht nur sagen, dass sie in Liebe verbunden sind, weil die Familie es so verlangt.
 

Doch diese Chance bekamen wir nicht.

Ich hatte es bemerkt und deine Zügel freiwillig losgelassen, dir die Lampe gegeben und mich allein auf ins Dunkel gemacht. Du wusstest nicht weiter, warst verwirrt.

Ich habe nicht beschlossen, deine Familie an diesem Tag umzubringen. Es war nicht fest geplant.

Während du beim Training warst, haben Vater und ich uns wieder gestritten, nur war Mutter dieses Mal bei uns, und auch ihre Stimme war ungewöhnlich laut und wütend.

Ich habe sie noch nie so erlebt.

Es störte mich nicht. Ich war in diesem Moment nur glücklich darüber, sie wirklich von allen Seiten zu kennen, die ein Sohn zu kennen hat.

Sie schrie uns an, wir sollten mit diesen Streitereien aufhören, du könntest jeden Augenblick zurückkommen und all das mitbekommen.

Aber du kamst nicht.

Und weißt du, Sasuke, mein Bruder, das ist der Grund, warum sie sterben mussten.

Weil du nicht mit deinem hohen Ross gekommen bist, um mich aufzuhalten.

Vielleicht ist es dir schon vorher aufgefallen, dass ich mich nur beherrschen konnte, wenn du es verlangtest. Als einige Angehörige der Polizei bei uns ankamen und mich des Mordes an einem anderen Familienmitglied beschuldigten, da war es deine Stimme, die mich aufhielt.

Wärst du eher gekommen, eine halbe Stunde hätte schon genügt, und hättest du mich gebeten, aufzuhören, zu schweigen, Sasuke, dann wäre all das an diesem Tag nicht passiert.

Wenn ich deine Zügel eher losgelassen hätte und du nicht erst hättest lernen müssen, den Weg alleine zu finden, dann wärst du schneller zurück gewesen und hättest deine Familie nicht verloren.

Ich hatte sie losgelassen und war damit genauso alleine wie du. Es war dunkel.

Auch ich musste mich erst zurechtfinden.

Verstehst du, warum ich dich als Hindernis bezeichnete?

Solange ich mich an dich band, genauso wie du an mich gebunden warst, durch einen Strick Leder, den ich selbst festhielt, hätte ich nie Schritte machen können, die groß genug waren, um mich weit genug nach vorne zu bringen.

Ich hatte mich selbst an dich gefesselt und dich störte es nicht.
 

Es ist nicht so, dass ich meine Taten bereue. Das sagte ich bereits.

Und es ist auch nicht so, dass die Entscheidung, sie alle zu töten, noch nicht getroffen hatte.

Ich wollte es nur nicht an diesem Tag tun.

Wollte dir genug Zeit geben, damit du mir zu mir kamst und wir gemeinsam gingen. Damit wir sie gemeinsam umbrachten.

Ich weiß, du hättest es gekonnt.
 

Du bist mein Bruder.

Wir sind uns ähnlich.

Und auch, wenn du es vermutlich nie so gesehen hast, habe ich dich – ich weiß, ich wiederhole mich – doch immer aus tiefstem Herzen
 

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22 Favoriten und so gut wie keine Kommentare ... was mach ich falsch? Öö

((Im Übrigen ist dieses Kapitel nur ein Ausschnitt des Briefes, deswegen der offene Satzanfang und das ebenso offene Satzende.))

In meinem Bett

Ich drehe die beiden Blätter um.

Nichts.

Es sind nur diese zwei einzigen Seiten, doch es ist offensichtlich, dass noch mindestens zwei Seiten fehlen, denn die eine Seite beginnt mitten im Satz und die andere hört mitten im Satz auf.

Ich lese ihn noch einmal.

Mir ist klar, dass Itachi diesen Brief schrieb. Kein anderer hätte so etwas schreiben können.

Kein anderer könnte so vom Tod seiner Eltern sprechen und dann auch noch darüber schreiben, dass er es war, der sie umgebracht hat. Zum Zeitpunkt, als er ihn schrieb, noch töten würde.

Ich seufze.

Lese ihn noch ein drittes, letztes Mal.

Sasuke weiß all dies. Er kennt den Brief und ich bin mir sicher, dass er es war, der die erste und die folgende Seite mit sich nahm. Warum ließ er diese hier als einzige zurück?

Vielleicht weil …
 

Wärst du eher gekommen, eine halbe Stunde hätte schon genügt, und hättest du mich gebeten, aufzuhören, zu schweigen, Sasuke, dann wäre all das an diesem Tag nicht passiert.
 

Kein Wunder, dass er da so verbittert und kalt wurde.

Kaum jemanden an sich ran ließ.

Ich lege den Brief auf den Nachtschrank. Die Kette um meinen Hals, diejenige, die eigentlich Sasuke gehörte, wie so vieles in diesem Zimmer, ist nicht mehr kalt; das Metall hat meine Körpertemperatur bereits angenommen. Ich spüre es kaum noch.

Ich schalte das Licht aus und es dauert nicht lange, bis ich eingeschlafen bin.
 


 

Eine unglaubliche Wärme weckt mich am nächsten Morgen auf und als ich die Augen öffne, ist es nicht mehr dunkel draußen. Graues Licht gelangt durchs Fenster in mein Zimmer; ich kann durch es den grauen Himmel draußen entdecken.

Trist.

Gedankenverloren starre ich noch für eine Weile aus dem Fenster und unweigerlich kommt mir Itachis Brief wieder in den Sinn. Seine mit Bedacht gewählten Worte, die seine grausamen Taten in einen trügerischen Schleier aus Fürsorge wickelten.

Natürlich mag er das wirklich gewesen sein. Fürsorglich. Zumindest was seinen Bruder betrifft. Alle anderen waren ihm komplett egal – nur wegen seines Bruders hatte er ja auch seine Eltern getötet.
 

Ein leises Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken und erst jetzt bemerke ich, warum mir so warm geworden ist. Naruto liegt hinter mir, die Arme um mich gelegt, seinen Kopf in meinen Haaren verborgen. Er trägt seinen Schlafanzug und von ihm geht ein bezaubernder Duft aus, den ich zum ersten Mal richtig genieße. Normalerweise wird mir schlecht von der Seife, die er für gewöhnlich benutzt. Doch heute ist auch nicht normal. Gestern Abend war nicht normal. Die ganze Nacht war anders. Denn er war da.

Sasuke.

Der Vater des Kindes in meinem Bauch, auf dem nicht seine Hände ruhen, sondern die Hände eines anderen Mannes.

Es ist ein wunderschönes Gefühl, Narutos zarte Berührung.
 

Sasuke hatte mich gestern gefragt, ob ich bei irgendeiner meiner Antworten gelogen hatte und mein Schweigen sagte ihm mehr als tausend Worte es je gekonnt hätten. Er weiß, dass ich gelogen habe, weiß nur nicht, bei was.

Nun, ich weiß es auch nicht.

Ich weiß nicht, ob ich log, als ich sagte, ich würde ihn, Sasuke, nicht lieben.

Ich weiß nicht, ob ich log, als ich sagte, ich würde seinen Bruder Naruto nicht lieben.

Ich weiß nicht, ob ich log, als ich sagte, ich würde überhaupt keinen lieben.

Aber ich weiß, dass ich einen von beiden mein Herz gab und den anderen vorher wie ein Familienmitglied gut darin einschloss, auf dass ich ihn nie vergessen werde. Denn vergessen will ich keinen von ihnen.

Natürlich fällt es mir leicht zu sagen, keinen von beiden zu lieben.

Es braucht nur wenige Sekunden, um die Worte auszusprechen, von denen ich weiß, dass ein Teil von ihnen gelogen ist.
 

Es ist halb elf.

Naruto müsste also seit mindestens einer halben Stunde wieder hier sein.

Ich kuschele mich weiter an ihn, schlafe wieder ein.
 

Als ich das nächste Mal aufwache, ist es bereits halb eins und draußen ist es immer noch so grau wie zwei Stunden zuvor; die Sonne dringt nicht durch die Wolkendecke.

Es ist immer noch trist.

Naruto wacht nur wenige Momente später auf als ich. Er gähnt herzhaft, merkt, dass ich wach bin.

„Guten Morgen, Sakura“, murmelt er schlaftrunken, schließt seine Augen einen Moment später wieder, schläft aber nicht ein. Ich kann an seinem Atem erkennen, wie er sich selber streng kontrolliert, wach zu bleiben. Ich lege meine Hand auf die seine, die immer noch auf meinen Bauch liegt, nehme sie und führe sie zu meinem Mund, küsse sie.

„Guten Morgen“, antworte ich ihm leise, nicht minder müde als er.

Ich spüre, wie er sich aufrichtet, sich kurz darauf über mich beugt und seine Hand aus der meinen befreit. Sein Blick erwidert ruhig den meinen, als er mein Gesicht mit jener sanft in seine Richtung drückt. Seine Finger streicheln über meine Wange. Eine angenehme Berührung.

„Wie war die Mission?“

„Chaotisch wie immer, aber dennoch erfolgreich.“

Er grinst, schüttelt dabei den Kopf; er denkt gerade sicherlich an die letzte Woche, an das, was er zusammen mit Jiraiya-sama erlebt hat und so wie ich die beiden kenne, verlief es garantiert nicht wie immer wie geplant. Aber bei diesen beiden macht das nichts.

Sie sind ausgezeichnete Ninja, deren Improvisationskünste sich kaum übertrumpfen lassen.
 

Es ist lange her, dass Naruto und ich uns so lange in die Augen gesehen haben, uns dabei so nah waren. Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen soll, spielt mein Hormonhaushalt so oder so seit sieben Monaten komplett verrückt. Vielleicht wird es mir helfen, Klarheit zu bekommen, wenn meine Schwangerschaft in zwei Monaten ihr Ende finden wird. Aber was mache ich bis dahin?

Ich weiß nicht, was gelogen war.

Was Sasuke betrifft, mag es vielleicht kein Problem darstellen. Ich sehe ihn erst wieder, wenn er in zwei Monaten, beim zweiten Vollmond von jetzt an, kommen wird, aber Naruto … er liegt nun jetzt mit mir im selben Bett, sieht mich an und scheint ebenso wenig wie ich zu wissen, was zu tun ist.

Sollen wir der Versuchung erliegen oder ihr widerstehen?

Sollen Geist und Körper stark sein oder darf der Körper der Sünde nachgeben, während der Geist stark bleibt?

Ich weiß es nicht.

„Ich ebenso wenig, Sakura.“

Mir ist nicht aufgefallen, dass ich es laut ausspreche, aber es überrascht mich auch nicht, als Naruto mir auf etwas antwortet, von dem ich glaubte, es nur in Gedanken gesagt zu haben.

Ich habe keine Angst davor, ihm meine Gedanken mitzuteilen, gibt es doch nur einen Bereich, den ich vor jedem verschweige, und an den mag ich jetzt nicht denken.

Jetzt sind nur er und ich.
 

Naruto beugt sich zu mir herunter und einen Augenblick später fühle ich seine warmen Lippen auf den meinen. Sein Kuss ist innig und voller Liebe.

So ganz anders als der von seinem Bruder, Sasuke.
 

Gestern glaubte ich noch, ihr nur den Abend genommen zu haben, an dem sie zusammen mit ihm einen romantischen Sonnenuntergang beobachtet.

Und jetzt habe ich ihr doch noch die Vorstellung von einem Leben mit ihm genommen.

Ich bin so gemein zu ihr.
 

Heimlich stiehlt sich eine Träne aus meinen Augen und, liebevoll, wie er ist, küsst er sie weg, lächelt verständnisvoll.

Liebe ich ihn wirklich nicht?

Alles sehende Augen von dir

Dieser Brief, den Itachi schrieb – ich weiß, dass er für Sasuke etwas besonderes ist und deswegen zeige ich ihn niemanden. Wenn Naruto fragen würde, dann gäbe ich die Zettel mit jenen wertvollen und zugleich so schmerzhaften Informationen, aber er fragt nicht, weil er davon nichts weiß.

Selbst an jenem Morgen, als wir … er hatte den Brief im Dunkeln nicht gesehen und am Morgen konnte ich ihn noch schnell genug verstecken, bevor Naruto ihn entdeckte.

Er hatte auch nicht gefragt, woher die goldene Kette kommt, die ich seit dem an meinem Hals trage. Vielleicht denkt er, dass ich sie von einer meiner Freundinnen geschenkt bekam; ich habe in letzter Zeit viele Geschenke bekommen, aber trotzdem weiß ich es nicht genau.

Naruto ist seit jenem Morgen kein bisschen anders, auch wenn ich glaube, dass zwischen uns alles anders ist.

Sasukes Erscheinen an dem Tag vor seiner Wiederkehr stiftete nichts anderes als Verwirrung in meinem Kopf. Ich weiß nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Weiß nur noch, dass ich in einer Nacht vor knapp acht Monaten mit einem fremden Mann schlief, den ich mal in meiner Kindheit ganz gut kannte. Ich weiß, dass er sich veränderte, sehr viel kälter wurde als er es bereits war, und nur ganz selten in jener Nacht, die eigentlich nichts anderes als zwei Zufälle war, die direkt aufeinander folgten, schimmerte der Junge durch, den ich kannte.

Als er gestern wieder auftauchte, war er dieser Junge wieder mehr denn je, aber es verwundert mich auch nicht, wenn man bedenkt, was in etwas weniger als anderthalb Monaten passieren wird. Ob er sich wohl nun auf diesen Kampf vorbereitete?

Der Kampf mit seinem Bruder Itachi.

Beide Brüder wurden in der Nacht, in der er plötzlich wieder auftauchte, komplett jemand anders. Selbst derjenige von ihnen, den ich sonst aus tiefstem Herzen hasste wie Sasuke es zuvor auch tat, weil er zu solch unglaublich grausamen Methoden griff, um sich zu beweisen, ist mittlerweile nicht mehr ganz so grausam, sondern einfach nur ein verzweifelter großer Bruder, der sich nicht anders zu helfen wusste. Dass die Morde, die er beging, bereits vorher geplant waren, beachte ich kaum.

Ich muss mich selbst immer wieder daran erinnern, um diese Tatsache überhaupt zu beachten.

Sasuke und Itachi …die beiden letzten Überlebenden des Uchiha-Clans, weil Itachi wollte, dass sie überleben …

Und dann noch er, der meiner Meinung nach auch zum Teil zu diesem Clan gehört, weil er sich als Bruder des jüngsten Überlebenden bezeichnet. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.

Ich wollte eigentlich nicht, wollte es nie, dass es so weit kommt, dass ich mich nach seiner Nähe sehne, ihn bei mir haben will, nur um dieses Gefühl der Wärme und Geborgenheit wieder zu fühlen. Es ist so ein bezauberndes Gefühl, das in wolligen Wonnen durch mich rieselt und es immer und immer wieder tut, solange er bei mir ist. Und das Lächeln, das seine Lippen dabei ziert, könnte nicht schöner und glücklicher wirken, wenn er mich ansieht. Ich will nicht, dass er geht. Will dieses Gefühl auf ewig in mir spüren.

Aber eigentlich … mein Herz sagt mir etwas anderes.

Mein Herz schreit mich an deswegen, will, dass ich ihm sage, dass er zu ihr gehen muss, denn sie ist es, die seine Aufmerksamkeit verdient, nicht ich. Ich hätte meine Chance, was ihn betrifft, viel eher ergreifen müssen. Jetzt ist sie verstrichen und doch kann ich nicht von ihr loslassen, als wäre sie nie so langsam an mir vorbei geflogen, dass ich nur eine Andeutung in ihre Richtung hätte machen müssen und ich hätte sie zwischen meinen Fingern gehalten.

Ich hatte sie gehabt und nicht genutzt.

Es ist ihre Chance nun … aber warum kann ich ihn dann nicht loslassen?

Ich bin verwirrt.

Es hat sich nichts geändert und gleichzeitig doch alles.

Die Tage verstreichen. Der Tag wird früher dunkel, nimmt mir noch mehr von dem Licht als die Tage zuvor, doch dem herannahenden Winter scheint das reichlich wenig zu stören.

Die einzige, die sich beschwert, bin ich.
 

„Sakura?“

„Ja?“

„Warum weinst du?“
 

„Ich … ich bin nur zu sehr in Gedanken versunken gewesen … es … es tut mir leid …“
 

Ich klinge immer noch so, als wäre ich mit meinen Geist sehr viel weiter weg als mein Körper. Er mag ihr vielleicht gegenüber sitzen, aber ich selbst bin nicht bei ihr. Meine Entschuldigung ist nur halbherzig, und ich weiß, dass sie genau das bemerkt. Aber sie sagt nichts.

Schweigt genau wie er es getan hatte an jenem Abend.

Aber er und sie sind zwei komplett unterschiedliche Personen, haben nichts gemeinsam, nicht das geringste bisschen.

Nur die dunklen Haare …

„Warum hast du mich eingeladen?“

Eine einfache kleine Frage, doch sie reicht aus, um mich zurückzuholen, zu ihr, ihr in die Augen und nicht durch sie hindurch zu sehen, wie Naruto es einst bei mir tat.

Ihre hellen Augen sehen traurig aus, und ich habe das Gefühl, ich würde mich einfach nur in ihnen spiegeln … in diesen Augen, die alles und durch jeden sehen können. Ich bin mir sicher, sie kann das. Ein besonderer Blick aus diesen besonderen Augen und sie kann sich ihre Frage selbst beantworten. Aber das tut sie nicht, wartet geduldig, bis ich antworte.

Sie wirkt wirklich sehr traurig.

„Ich … möchte mich bei dir entschuldigen, Hinata.“

Sie schweigt eine Weile, wartet darauf, ob ich noch etwas anderes sagen würde und als ich das nicht tue, öffnet sie den Mund, will etwas sagen. Der Ausdruck in ihren hat sich nicht im Geringsten geändert.

Ich wische mir mit meinen Fingern die Tränen weg, die über meine Wange laufen. Ich weiß, es werden noch weitere folgen. Aber ob sie mir dann noch immer gegenübersitzt, weiß ich nicht.

Das hängt allein davon ab, ob sie mir verzeihen wird.

Und Gott, wie sehr bete ich darum, dass sie das tun wird.

Ich wollte es nicht.

Ich wollte es nie und ich will es immer noch nicht.

Ich weiß einfach nicht …

„Wofür? Ich wüsste nicht, was du mir angetan haben könntest …“

„Doch, ich habe dir eine Menge angetan. Viel zu viel …“

Meine Stimme verliert sich und ich bin mir auf einmal nicht mehr sicher, ob ich überhaupt weiter reden kann. Ich spüre bereits weitere Tränen fließen und ich weiß, dass ich sie nicht aufhalten kann, nie aufhalten kann.

„Ich … wollte ihn dir nicht nehmen … nicht deine … zerstören … es tut mit so unglaublich leid …“
 

Ich spüre ihre Hand auf meiner Schulter, blicke in ihre alles sehenden Augen und sehe ihr Lächeln, ihr verzeihendes.
 

„Bitte, mach dir darum keine Sorgen, Sakura. Du hast keinen einzigen meiner Träume zerstört. Ihre Erfüllung verschoben, ja, und wer weiß, wie lange, aber keinen zerstört. Aber das hast du mit deinen eigenen ja immerhin auch gemacht, stimmts?“

Ihre warme Hand gleitet an meinem Hals entlang und zieht die zierliche Kette unter meinem warmen Pullover hervor, nimmt den Anhänger zwischen ihre Finger und öffnet ihn gekonnt.

Sieht, was dort steht.

Ihre Augen sehen alles.

Und geben mir die Klarheit, nach der ich verzweifelt suche.
 

In Liebe, dein Bruder Itachi“, liest sie vor, lächelt. „Es ist Sasukes Kette. Genauso wie das Kind von ihm ist.“
 

Woher …
 

„Hinata, ich …“

„Manchmal wünschte ich, deine grünen Augen zu haben.“

Der Gründer seines Clans

Sie war nicht mehr lange geblieben, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Für eine weitere halbe Stunde war ich ihr dankbar, weil sie mir verzieh und mir Trost spendete, dann ging sie und bisher habe ich sie noch nicht wieder gesehen. Dabei ist unser Treffen bereits einen halben Monat her. Und seit dem kamen auch mehrere Gäste, obwohl es sich meistens eher um taktische Besprechungen handelte, an denen ich zwar auch teilnahm, aber viel eher nur dabei saß als irgendetwas dazu sagte.

Heute ist es nicht anders.

Ich sitze zwischen Kakashi und Naruto im Wohnzimmer, um uns herum mehrere Chu-nin und auch – meinen Meister mal ausgelassen – vier Jo-nin. Ich weiß nicht, um welche Art von Mission es sich handelt, was mir allerdings keinesfalls entgangen wäre, wenn ich nicht so in Gedanken versunken wäre und mit den Fingern an meiner Kette gespielt hätte. Des Öfteren spüre ich Narutos vorwurfsvolle Blicke auf mir, aber er sagt nichts, sondern beschäftigt sich weiter an den Besprechungen.

Langsam kehre ich in die Wirklichkeit zurück und bekomme wieder mit, dass es viel eher um eine Trainingsmission als um einen Auftrag geht.

Um die Schüler der Akademie …
 

„Hast du dir eigentlich schon irgendwelche Gedanken um den Namen des Kindes gemacht?“

Ich bin im Krankenhaus. Eine reine Routineuntersuchung und ich bin nicht nervös, aber als meine Meisterin diese Frage ausspricht, schrecke ich dennoch auf.

„Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht …“

„Es wird langsam Zeit, Sakura. Mehr als einen Monat gebe ich dir nicht mehr, also ungefähr …“

Tsunade unterbricht sich für einen Moment, blickt an die Wand auf den Kalender, sieht so aus, als würde sie überlegen, für einen Augenblick, und redet dann weiter: „Vom 15. bis zum 19. Dezember, allerhöchstens auch der 20., später aber auf keinen Fall.“

Heute ist der 16. November.

„Was wird es eigentlich? Ein Mädchen oder ein Junge?“

Ein grauer Tag, genau wie der davor und morgen wird es nicht anders sein.

Hin und wieder regnet es, mal stärker, mal schwächer. Windig ist es immer. Und der Wind ist kalt, schneidet durch die Luft und schlägt die Haut gnadenlos, lässt all das erfrieren, was nicht gut versteckt ist. Ich gehe im November nicht mehr gerne hinaus und im Oktober ist es nicht anders. Es ist einfach zu kalt und zu nass. Und auch wenn mich die Langeweile in den letzten Tagen noch mehr nervt als zuvor, jetzt bin ich noch glücklicher darüber, nicht auf Missionen gehen zu müssen, von denen sonst mein Überleben abhängen würde. Dass Naruto deswegen zwar mehr arbeiten muss als vorher tut mir leid, aber es ist leider unabänderlich.
 

Warum stört mich dieser Gedanke nicht im Geringsten?
 

„Hast du darüber wirklich noch nicht nachgedacht? Das glaube ich dir nicht.“, hakt Tsunade noch einmal nach, geht noch nicht einmal auf meine Frage ein, die ich ihr zum ersten Mal in diesen achteinhalb Monaten stellte, während ich mich wieder anziehe und sie mir dabei nachdenklich hilft, nicht beachtend, dass ich eigentlich keine Hilfe bräuchte. Trotzdem bin ich ihr dankbar dafür. Mittlerweile ist ein großer Teil normaler Bewegungen, die ich sonst fast autonom machte, ohne ihnen überhaupt oder kaum Aufmerksamkeit zu widmen, anstrengender geworden, als ich es für möglich gehalten hätte. Und das als Kunoichi. Ich wage mir nicht einmal in meinen Träumen vorstellen, wie die Schwangerschaft einer normalen Frau verläuft.

„Also … ein paar habe ich mir schon gemacht …“, murmele ich und greife zu meiner Jacke, ohne sie jedoch anzuziehen. Würde ich das jetzt schon tun, würde ich mir draußen ja sonst was abfrieren.

„Und welche?“

Ich dachte an den Vater, an Sasuke, an seinen Wunsch, den Clan wieder aufzubauen, an die Geschichte des Clans, an den tragischen Verlust durch die Hand des Bruders, an den Bruder überhaupt, an den Anfang des Clans. Ich dachte an vieles, doch nichts davon kann ich ihr sagen.

Nur, dass ich mir bereits einen Namen aussuchte.

Vielleicht denkt sie an das, was ich mir als Ausrede aussuchte, wenn sie dem wirklichen Grund zu Nahe kommen sollte.

„Kannst du mir erstmal meine Frage beantworten?“
 

„Ein Junge.“
 

„Dann wird sein Name Madara sein.“
 

„Du weißt, dass es …“

„Ja.“

„Dann sag mir, warum.“

„Ich frage schon lange nicht mehr nach dem Warum, Tsunade. Aber er ist der Anfang von allem und Naruto und ich … es ist unser Anfang in seinem Haus … ich finde es passend …“
 

Sie nickt und Schweigen breitet sich minutenlang zwischen uns aus. Ich bin mir sicher, wir hätten es nicht unterbrochen, wenn irgendeine Schwester nicht hereingekommen wäre ohne anzuklopfen. Als sie Tsunade sieht, bleibt sie erschrocken stehen und stammelt irgendeine Entschuldigung – ich verstehe sie nicht. Tsunade vermutlich ebenfalls nicht, dennoch meint sie, die Sache wäre gegessen und sie hilft mir beim Aufstehen und zusammen verlassen wir das Krankenhaus.

„Hast du keine Angst, es könnte sich wiederholen?“, fragt sie, als wir das Gebäude hinter uns lassen und auf das Gebäude mit dem Büro der Hokage zusteuern. Es ist ein kurzer Weg, der normalerweise nicht länger als drei Minuten dauert, wenn man im normalen Schritttempo geht, doch dieses Mal brauchen Tsunade und ich an die zehn Minuten. Sie hat sich bei mir eingehakt.

„Ein bisschen“, antworte ich ihr ehrlich, sehe sie aber nicht an, sondern ziehe mit meiner freien Hand meine Jacke noch weiter zu und den Schal etwas höher. Ich mag diese Tage nicht.

„Aber ich hoffe, welchen Fehler die Uchihas auch immer gemacht haben, ihn nicht zu wiederholen“, rede ich weiter und meine Freundin und Meisterin nickt zustimmend.

„Das wirst du sicherlich nicht“, meint sie und lächelt mich an.
 

Erschrocken sehe ich zwischen den beiden Männern hinterher, die sich so ähnlich sind und gleichzeitig nicht hätten unterschiedlicher sein können. Die Art und Weise, wie sie ihre Augenbrauen zusammenziehen, wenn sie wütend oder misstrauisch sind, ist in ihren verschiedenen Gesichtern genau gleich. Ihre rechten Mundwinkel ziehen sie beide in solch einer auffälligen Art nach unten und ihr Blick aus diesen ungleichen Augen hätte nicht identischer sein können.

Ich bin mir schon seit langem sicher, dass sie zu viel Zeit miteinander verbringen – nicht, dass es ihnen beiden nicht gut tun würde. Sie wirken wie Großvater und Enkel, die in ihrem Leben von ihrer Familie niemand anderen mehr haben außer sich selbst.

Aber die Nachricht, die sie mir bringen, gefällt mir durch diese durchaus süße Vorstellung trotzdem nicht mehr. Sie waren die vergangenen Tage wie üblich wieder auf einer Mission, zusammen, suchten nach Informationen über Sasuke und Itachi, über die verbleibenden Akatsuki-Mitglieder im Allgemeinen und sind auch fündig geworden.

Wie sehr ich mir wünschte, sie wären dieses Mal genauso erfolglos gewesen wie das letzte Mal.

Wie sehr ich mir wünschte, dass sie die größeren Sicherheitsmaßnahmen, die die abtrünnigen Ninja festgelegt hatten, nicht hätten umgehen können.

„Aber das … das kann doch nicht …“

Ich wende mich von ihnen ab und setze mich auf einen Stuhl, der neben Tsunades Drehstuhl ebenfalls hier im Zimmer steht; ich hatte sie in diesen achteinhalb Monaten nicht gerade wenig besucht und sie als Ärztin weiß, dass es für eine Schwangere nicht das Beste ist, zu lange stehen zu bleiben und bestand jedes Mal darauf, dass ich mich für unsere länger andauernden Gespräche setzte.

„Seid ihr euch wirklich sicher?“

„Ja.“

„Was wollt ihr machen?“

„Das … müssen wir noch planen.“

„Warum ausgerechnet hier in Konoha?“

„Weil hier alles anfing. In dem Haus, in dem wir jetzt wohnen, Sakura.“

„Und wann wird er hier sein?“

„In ungefähr einem Monat, ein genaues Datum konnten wir nicht herausfinden.“
 

Am ersten Abend des zweiten Vollmondes …

Doch die Wahrheit schmerzt

Und ein genaues Datum steht bisher auch nicht fest. Ich bin mir sicher, sie werden es nicht herausfinden, einfach nur die bestmöglichen Sicherheitsvorkehrungen treffen und es dabei belassen.
 

Ich kann mich nicht mehr leise an irgendjemanden oder irgendetwas heranschleichen, um irgendetwas herauszufinden, ohne dass er oder es bei bereits fünf Metern Abstand aufschreckt. Irgendwie werde ich seit geraumer Zeit das Gefühl nicht mehr los, dass selbst der Kühlschrank mich misstrauisch ansieht, wenn ich mich ihm nähere, manchmal noch nicht mal die Absicht habend, ihn zu öffnen.

Aber dennoch entgeht mir nicht, dass sie irgendwie versuchen, ein bestimmtes Muster herauszufinden, von dem sie auf das Datum schließen können. Ich weiß nicht, von welchem Muster oder ob es das überhaupt gibt oder ob sie es sich nur ausdenken, aber ihre hitzigen Debatten scheine ich vom Büro der Hokage bis hierhin in mein Haus hören zu können.

Natürlich ist es Einbildung; ich glaube das nur, weil ich weiß, dass es ziemlich hitzköpfige Personen gibt, die an der Diskussion teilnehmen und jedes Mal, wenn ich irgendein Geräusch höre und ein Eichhörnchen, das ich im Garten entdecken kann und das sich noch auf seine Winterruhe vorbereitet, aufblickt, bin ich mir sicher, gerade einen besonders lauten Ausruf gehört zu haben.

Und wenn Naruto nach Hause kommt, meist erst in den frühen Morgenstunden, dann scheint das stille Haus plötzlich genauso laut zu sein wie zuvor das Büro. Überall scheint plötzlich diese unglaubliche Hitze, die entsteht, wenn mehrere Personen für einen längeren Zeitraum in einem Raum sind.
 

Allerdings …
 

Ich bin alleine.

Nur mit meinem Kind in mir.

Und seinem.

Naruto ist nicht da.

Es ist, glaube ich, zwei Tage her, dass ich Naruto sah und ich fange an, ihn ein wenig zu vermissen, würde mich unglaublich viel wohler fühlen, wenn wir am Abend uns einfach in das ehemalige Schlafzimmer von Sasukes Eltern setzen könnten, mehrere Kerzen aufstellen und es einfach genießen würden, wie das dämmrige Licht durch einen kleinen Windhauch flackert.

Ich mag einfach nur die Wärme von ihm spüren, seinen Herzschlag unter meiner Hand fühlen, seinen warmen Atem, wie er meine Haut sanft berührt, seine Hand auf meinem Bauch.

Aber Naruto ist nicht da.

Natürlich sind dies eigentlich die Aufgaben des Vaters, aber der Vater wird erst in 17 Tagen hier auftauchen und dann garantiert nicht deswegen, weil die Frau, die er schwängerte, nach Wärme verlangt, sondern um seinen Bruder zu töten und vermutlich auf seinen anderen zu treffen.

Vermutlich.

Schon öfter kam mir der Gedanke … Sasuke und Itachi sind dank ihres Kekkei-Genkai Meister des Gen-Jutsu – wird überhaupt irgendjemanden auffallen, dass sie hier sind und gegeneinander kämpfen?
 

Sie können sich nicht lautlos umbringen.
 

Weil Naruto heute nicht mehr nach Hause kommen wird, und weil es bis Mitternacht noch immer zweieinhalb Stunden sind, gehe ich ohne ihn in das Schlafzimmer, das ich bisher nur betrat, um es von dem Staub zu befreien, der sich seit dem letzten Putzen wieder angesetzt hatte. Das Bett wird nicht benutzt und trotzdem beziehe ich es jede Woche neu. Das letzte Mal erst gestern.

Ich zünde die Kerzen an, die ich vor ein paar Tagen in diesem Zimmer aufstellte, in der Hoffnung, Naruto würde an den Abenden, an denen er zurückkam, als ich noch wach war, nichts dagegen haben, es sich mit mir bequem zu machen und dieses Licht und die Nähe des anderen zu genießen.

Schweigend setze ich mich auf das Bett, nachdem alle Kerzen brennen, und lehne mich mit dem Rücken gegen das hölzerne Kopfende des Bettes, dazwischen eines der vielen weichen Kissen, ebenso wie hinter meinem Kopf. Ich nehme mir ein weiteres von ihnen, deren weiße Farbe in diesem Dämmerlicht fast lieblich orange wirkt, und umarme es.

Es spendet mir ein wenig Wärme, aber nicht die, die ich haben will.

Fast schon verzweifelt drücke ich es näher an meine Brust.

Ich bin alleine, ich muss nichts verbergen.

Ich lasse meine Tränen einfach fließen.

Er sagte doch, er wollte mich nicht im Stich lassen.

Für mich da sein.

Er hatte sein Wort nicht gehalten.

Er ist nicht da.

Wer weiß, wie lange es dauern wird, bis er dieses Mal wiederkommt?

Das gedämpfte Ticken der Uhr an der Wand, dieses gleichmäßige Geräusch, das nicht verschwindet, ich immer noch hören kann, als mein stummes Weinen zu einem leisen Schluchzen wird.

Die Zeit verstreicht schweigsam.

Tröstet nicht.

Heilt keine Wunden.

Die Tränen fließen und fallen von meinem Kinn hinunter auf das Kissen, auf meine Hand.

Immer noch nicht da.

Kein Geräusch außer meinem Weinen und dem stetigen Ticken der Uhr.
 


 

„Hast du bei irgendeiner Antwort gelogen?“
 

Ich nicke, halte die Tränen nicht auf. Lass sie laufen.
 

„Liebst du denn ihn?“
 

Ich schüttele den Kopf und meine Tränen fließen weiter, mehr.
 

„Liebst du überhaupt irgendjemanden außer deinem Kind?“
 

Ich nicke wieder, deutlicher als zuvor. Mein Herz schlägt schneller, erfüllt von größerer Traurigkeit als je zuvor.
 

All die Jahre, und inzwischen sind es beinahe fünf an der Zahl, habe ich mich belogen.

Wissentlich.

Natürlich …

Habe mir etwas anderes einzureden versucht als die Wahrheit, die ich nicht akzeptieren wollte.

Die Wahrheit war etwas, das so unweigerlich hart ist.

Naiv zu glauben, Ehrlichkeit könnte schonen.

Es tat so unglaublich weh, sie zu wissen, sie auszusprechen, auch wenn ich alleine war, und sie immer wieder zu sagen und es änderte sich trotzdem nichts an ihr.

Immer und immer nur Trauer, die nicht geringer wurde, je öfter ich die Wahrheit sagte.

Ich wollte sie nicht mehr spüren, begann mich anzulügen und sie verschwand, die Trauer. Mit jedem Tag mehr und irgendwann wurde die Lüge, diese schöne, zur Wahrheit und die Wahrheit zu verachteten Lüge.

Es war ein solch wunderbares Gefühl, ein Gefühl, das ich jedem vorspielte.
 

Er hatte nicht gespielt. Kein einziges Mal.

Das war immer nur ich.
 

Ich hatte gelogen, als ich sagte, ich würde niemanden außer meinem Kind lieben.

Ich hatte gelogen, als ich sagte, ich würde ihn nicht mehr lieben.
 

Doch die Wahrheit schmerzt und ich zog es vor, ihm nicht zu antworten, mich nicht zu entscheiden und die Wahrheit einfach eine Lüge bleiben zu lassen.

Alles einfach so zu belassen wie ich es bereits seit Jahren ließ.

Die Welt ist so viel schöner und bunter und wenn mir eine Farbe nicht gefällt, kann ich sie einfach eine andere werden lassen.
 

„Liebst du mich nicht mehr?“
 

„Doch, ich liebe dich … ich liebe dich über alles …“
 

Tränen.

Bei mir

Finger einer fremden Hand wischen mit einer liebevollen Berührung die Tränen weg, die ohne Unterlass über meine Wangen laufen.

Ich öffne die Augen und sehe in die seinen.

Sehe sein verständnisvolles Lächeln.
 

„Vermisst du mich denn so sehr?“
 

Seine Hand streicht über mein Haar, eine beruhigende Geste.

Wieder nicke ich, zaghaft, halte meine Tränen nicht auf.

Sein mitfühlendes Lächeln wird nicht unsicher, vielleicht sogar ein bisschen breiter, er schüttelt den Kopf.
 

„Kann ich dir das glauben oder lügst du wieder?“

„Die Wahrheit … sie tut sie unglaublich weh … ich … wollte nicht, dass …“
 

Ich höre auf, kann nicht weiter reden. Lege das Kissen vor meiner Brust zur Seite und strecke die Arme nach ihm aus. Er nickt, kommt der Aufforderung nach und setzt sich neben mich, schließt mich in seine Arme und gibt mir die Wärme, nach der ich mich scheinbar Ewigkeiten verzehrte.
 

Ohne ihn … so …
 

So unfassbar …
 

Meine Tränen benetzen sein Hemd.

Immer und immer wieder murmele ich seinen Namen, meine Finger krallen sich in den Stoff, der seinen Körper bedeckt, ohne ihm dabei weh zu tun. Ich will nicht … er soll …
 

„Bitte … du kannst nicht wieder gehen … ich – ich kann doch nicht … Sasuke, bitte!“
 

Er antwortet nicht und deswegen sehe ich nach oben, in sein Gesicht, doch seine Augen sind geschlossen, seine Augenbrauen zusammengezogen. Als würde er würde so mit mir sprechen, keine Antwort geben können. Der Druck seiner Umarmung wird ein wenig fester.

Er schweigt weiterhin.

Bleibt einfach da, gibt mir Wärme und Geborgenheit.

Schenkt mir ein wenig Glücklichsein.

Trotz der schmerzenden Wahrheit.
 

Ich hatte nicht einmal im Ansatz damit gerechnet, immer noch seinen Arm auf mir zu spüren und ihn sein Gesicht zu sehen, wenn ich wieder aufwache. Mein Herz hatte sich schon gestern Abend damit abgefunden, als mein Blick auf den seinen traf, dass ich letzten Endes alleine sein werde, egal, was kommt.
 

Heute Morgen, vor wenigen Stunden, als meine Tränen noch nicht versiegt waren und ich immer noch Trost und Schutz in seinen Armen suchte, kam Naruto nach Hause, laut, wie jedes Mal davor. Er rief nach mir und ich antwortete ihm, aber er kam nicht zu mir.

Sondern fragte mich über die Distanz hinweg, was ich heute getan hätte, ob von dem Essen noch was übrig sei und als wäre Sasuke nie aufgetaucht, sagte ich ihm, dass Ino heute hier gewesen wäre und dass sein Essen im Kühlschrank stände, er müsste es sich nur warm machen.

Und dann herrschte eine Weile Ruhe.

Nein.

Es war unerträglich laut, wie jedes Mal, wenn er nach Hause kommt.

Ich hörte, wie das Gespräch, das er mit wem auch immer geführt hatte ihm nachhallte, ihm an seinen Fersen hing und ihn nicht einmal im Traum loszulassen gedachte. Es wurde wieder so warm und ich fächelte mir mit der Hand Luft zu. Eine halbe Stunde später durchbricht seine Stimme den Lärm und er wünscht mir eine gute Nacht. Dieselbe Antwort wie immer.

Von Naruto ist nichts mehr zu hören und mein Blick, der die ganze Zeit auf Sasuke geruht hatte, nimmt diesen jetzt erst wieder richtig war, den belustigten Ausdruck in seinen Augen.

Mir fällt die Nacht ein, die zu all dem hier erst führte und ich vergleiche sein Gesicht aus meinen Erinnerungen mit dem, das ich jetzt sehen kann. Der Unterschied zwischen ihnen ist eindeutig.
 

Sasuke …
 

Ich weiß, dass er nicht hier bleiben kann, nicht einfach sagen kann, dass die letzten fünf Jahre am besten vergessen gehören und er wieder in dem Dorf leben will, in dem er geboren wurde.

Das kann er nicht.

Und weil er es ist, der es nicht kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren. Ich kann wieder lügen, ja, mir stundenlang Lügen erzählen. Aber das ändert nichts daran, dass er trotzdem nicht bei mir bleiben kann.

Er wird wieder gehen müssen.

Der lang ersehnte Kampf mit seinem Bruder und aus zwei übrig gebliebenen Überlebenden des Clans wird einer, wenn nicht sogar keiner. Und zu diesem Zeitpunkt ist der letzte, der den Namen Uchiha tragen darf, vermutlich nicht einmal älter als drei Tage. Vielleicht ist er noch gar nicht geboren.

Eine unausweichliche Tatsache, die ich mir nicht schön malen kann.

Und ich kann auch nichts daran ändern, weil ich niemals mit einem ungeborenen Kind in mir kämpfen kann um den Vater zu verteidigen, auch wenn es gegen seinen Willen ist.

Es bleibt nur die Wahl, ob er in der Nacht am ersten Abend des Vollmondes noch leben wird oder nicht. Und es ist nicht er, der die Wahl zu treffen hat.
 

Ich blicke auf sein entspanntes Gesicht. In seine geschlossenen Augen.

Darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, streiche ich ihm vorsichtig ein paar seiner dunklen Strähnen aus dem Gesicht, beobachte ihn, präge mir jedes Merkmal ein.

Seine schön geschwungenen Augenbrauen.

Die dichten Wimpern.

Die vollen Lippen.

Die hohen Wangenknochen.

Und wenn sie geöffnet wären, dann könnte ich seine bezaubernden Augen sehen, die von einem solch dunklen Grün sind, dass sie fast schon schwärzlich wirken.

Noch immer liegen wir in dem Bett seiner Eltern.

„Hast du sie jemals abgenommen?“

Eben jene vollen Lippen bewegen sich plötzlich, formen Worte.

„Hast du mich erschreckt - warum hast du nicht gesagt, dass du wach bist?“ Ich hatte nicht damit gerechnet, hatte geglaubt, er würde noch schlafen und deswegen erschrecke ich auch, als ich seine leise Frage höre.

„Tut mir leid … hast du sie abgenommen?“, stellt er sie noch mal und seine Stimme klingt so besonders … anders, als ich sie je zuvor gehört habe. Eine Gänsehaut jagt mir über den Körper.

„Nein. Immerhin hat … Itachi dir doch eine Menge bedeutet, oder?“

Ich stelle diese Frage vorsichtig, bin mir nicht sicher, ob er mich gleich dafür hassen würde. Immerhin kannte ich ja nur Itachis Sicht; Sasuke hatte nie etwas erzählt, was irgendwie irgendwelche Gefühle barg.

„Ich habe ihn nie wirklich gemocht, aber … ja, du hast Recht. Ich liebte ihn dennoch.“

Überrascht darüber, dass er dennoch antwortet und seine Worte nicht einmal gelogen klingen, lächele ich. Glücklich. So unbeschreiblich froh darüber, dass er da ist.

Und dass er trotz der langen Zeit, die er bei dem letzten der drei San-nin verbrachte, um dort härter zu trainieren als menschenmöglich, ehrlich sein kann. Gefühle hat wie jeder von uns.

„Das ist für mich Grund genug, sie zu tragen und zu beschützten.“

Er öffnet daraufhin seine Augen, blickt in die meinen, und einen Augenblick später lächelt auch er, schwach, aber er tut es.

„Würdest du sie mir zurückgeben, wenn Itachi für das bezahlt hat, was er mir angetan hat?“
 

Was er mir angetan hat
 

Selbst aus seinem Munde klingen diese Worte nicht mehr schmerzhaft, nicht mehr leidend unter dem Hass und der ungebändigten Wut. Fast wie eine Lüge.

Itachis Brief änderte meine Meinung von ihm auf eine Weise, die ich selbst … manch einer würde den älteren Bruder für krank halten, als er diesen Brief las. Ist es denn nicht irgendwo verständlich?

Aber diese besondere Liebe, die die beiden teilten – was ist damit?

Diese Hassliebe, die sie immer noch teilen?

Sie gehören einfach …
 

„Ja.“
 


 

„Sasuke?“

„Mh?“

„Hast du die anderen beiden Seiten des Briefes?“
 

Er seufzt, steht auf und ich tue es ihm gleich. Er greift zu seiner Shurikentasche, öffnet sie lautlos und nimmt zwei, oder drei Seiten Papier heraus und gibt sie mir. Sie sehen nicht ganz so ordentlich aus wie die Seite, die all die Jahre in der Kiste ruhte, sind leicht eingerissen, doch auch sie sind leicht vergilbt.

Mit ihnen in der Hand gehe ich aus dem Schlafzimmer heraus, Sasuke folgt mir geräuschlos.

Die Kerzen brennen schon lange nicht mehr.

Auf dem Weg zu meinem Zimmer muss ich an Narutos, Itachis altem, Zimmer vorbei und für einen Augenblick bleibe ich davor stehen, lausche durch die Tür.

Doch noch bevor ich irgendetwas hören konnte, tippt Sasuke mir bereits auf die Schultern und deutet mir, dass die Person dort drin am Schlafen ist. Ich gehe weiter.

In meinem Zimmer angekommen fällt mein Blick wie üblich zu erst auf all die Fotos, die ich jedoch nur sehen kann, weil ich weiß, dass sie dort stehen. Es ist viel zu dunkel.

Ich taste mich vorsichtig durchs Zimmer, zünde die Kerze an, die auf meinem Nachtschränkchen steht. Die Deckenlampe möchte ich nicht anmachen. Ihr Licht ist viel zu grell.

Die Kerze verströmt einen lieblichen Duft von Rosen, diesen stolzen roten, und ist hell genug. Die kleine Kiste, die Sasuke bei seinem letzten Besuch unter dem Boden hervorholte und die ich seit dem vorerst, bis ich nicht mehr durch meinen Babybauch verhindert sein würde, in meinem Kleiderschrank versteckte, hole ich hervor und stelle sie neben die Kerze, hole die Seite heraus, die ich bereits gelesen hatte. Setze mich aufs Bett und Sasuke neben mich.
 

Der vollständige Brief …
 

Vorsichtig entfalte ich die Seiten, die Sasuke mir gerade gab und lege die, die ich bereits habe, dazwischen. Ich will den Brief komplett lesen. Alles verstehen.
 

Sasuke liest über meine Schulter mit, obwohl er den Brief vermutlich in- und auswendig kennt.

Ich habe dich geliebt

Sasuke,
 

ich weiß nicht, wann du diesen Brief hier finden wirst oder ob du ihn überhaupt irgendwann findest, doch ich bete um deiner- und um unsretwillen darum, dass du es tust.

Der Zeitpunkt an sich spielt eigentlich keine Rolle.

Dennoch hoffe ich, dass dein Hass, den ich von dir verlangt habe, nicht zu groß sein wird, dass du diesen Brief nicht einmal durchlesen und ihn sofort zerreißen wirst.
 

Denn – egal, was passiert ist – wir bleiben Brüder.
 

Hast du diesen Satz überhaupt schon einmal laut ausgesprochen, Bruder?

Wie lange ist es her, dass du mich als das bezeichnetest, was ich bin?

Natürlich, wenn du diesen Brief schneller gefunden hast, als ich es für möglich hielt, dann ist es vielleicht gerade erst einmal eine Woche her, vielleicht aber auch schon einen Monat oder ein halbes Jahr, was immer noch unter dem Zeitraum ist, denn ich dir jetzt, da ich diesen Brief schreibe, gebe.
 

Weißt du, mein Bruder … ich habe dich nicht nur am Leben gelassen, weil du es in meinen Augen nicht wert warst, getötet zu werden.

Das waren meine Worte, nicht wahr?

Glaubst du wirklich noch daran, wenn du dir jenen Abend in Erinnerung rufst und bedenkst, dass wir Brüder sind?

Dass das der einzige Grund ist?
 

Es war nie so zwischen uns, wie zwischen den Kindern unserer Tanten und Onkel. Und es war wirklich schwer zu übersehen, wie verwöhnt sie im Gegensatz zu uns waren. Immer dieses unglaublich dümmliche Grinsen im Gesicht und immer darauf bedacht, einfach nur brav zu sein, den Eltern die Wünsche aus den Augen abzulesen und ihnen die Füße zu lecken, wenn sie von einem einzigen Staubkorn besudelt waren.

Ich konnte sie nicht ausstehen, hasste sie alle.

Ich weiß, du warst es auch, brav, und ich erinnere mich daran, dass ich nicht anders war, aber uns fehlte dieses Grinsen.
 

Haben wir eigentlich jemals zusammen Spaß gehabt?

Jemals zusammen gelacht?

Ich glaube, dass da irgendwann mal so ein Abend war, vielleicht sogar ein zweiter und ein dritter, aber ich weiß nicht mehr, wann das war oder ob ich ihn mir vielleicht nur einbilde, weil ich will, dass es so einen Abend gegeben hat.
 

Wenn wir uns das nächste Mal treffen – bevor du dich auf mich stürzt und mich umbringen willst, sagst du mir dann, ob es ihn gab?
 

Wenn unsere Eltern nicht da und wir beide nur alleine waren, da … ich habe oft genug darüber nachgedacht, wie ich diesen Satz vollenden soll, aber um ehrlich zu sein, momentan kann ich das nicht, mein Bruder. Sähen wir uns nicht so ähnlich und wüsste nicht jeder, dass wir Brüder sind, dann, da bin ich mir sicher, könnte keiner sagen, dass wir es wirklich sind.

Wir schwiegen uns immer an, wenn wir alleine waren, sagten nichts oder kaum was, und die wenigen Ausnahmen, die aus der Reihe fielen, hätte ich mir nicht genauer einprägen können.

Ich merkte mir alles, was ich von dir sah, wie du reagiertest, wann du mir aufblicktest, ja sogar wann du zwinkertest.

Verrückt, nicht wahr?

Ja, aber ich konnte nicht anders.

Du bist doch mein Bruder und ich wollte wenigstens diese wenigen Momenten, in denen wir uns wie Brüder benahmen, auf ewig behalten. Nie vergessen.
 

Ich wusste, dass Vater verhindern wollte, dass du mir zu ähnlich wirst, weil ich ihm nicht gefiel, nicht die Art, wie ich wurde. Er warf mir oft genug vor, zu arrogant zu werden – und das,
 

obwohl ich zu der Zeit, in der er mit seinen Vorwürfen anfing, noch zur Akademie ging – und hin und wieder, in seiner Wut, beschwor er mich, dich in Ruhe zu lassen und dich ja nicht mit dem Gedankengut anzustecken, das sich in mir bereits breit machte.
 

Gedanken darüber, wie es wäre, einmal nicht zu gehorchen, sondern zu zeigen, wie es ist, ständig unterdrückt zu werden.
 

Alles hat einen Anfang, nicht wahr?
 

Und dort lag auch der Anfang dafür, dass ich damit begann, dich als Stein zu betrachten, der mir im Weg liegt, weil du der Grund dafür warst, dass Vater nicht zuließ, dass ich mich so weit entfalten konnte, wie ich es wollte. Er ist verantwortlich dafür, dass ich anfing, dich als sperrigen Stein zu betrachten, der auf meinem Weg liegt und immer wieder auftaucht, egal, wie oft ich ihn erklimmen und hinter mir lassen kann.
 

Dennoch … lag es in diesem Falle nicht an mir, diesen Gedanken zu unterdrücken, ihn verschwinden zu lassen und dich vor deinem Schicksal zu retten, das du nun auf deinen Schultern wie ein knebelndes Joch trägst?

Vermutlich.

Dennoch … du kannst es nicht loswerden, mein Bruder.

Und wie ich dich kenne, hast du es auch noch nicht versucht.

Vielleicht wollten es andere.

Dich davon befreien.

Aber du gabst nicht nach.

Trugst die Last, die du schon längst hättest abwerfen können, weiter mit dir durch dein Leben.

Hast meinen Worten Folge geleistet.
 

Warum eigentlich?
 

Ich hatte dir gesagt, dass du mich nicht mögen würdest, und du hast nicht widersprochen.

Schweigen sagt schon seit je her sehr viel mehr als tausend Worte.

Und obwohl du mich, deinen großen Bruder, nicht magst, hörst du auf mich?

Hast all das getan, was ich von dir wollte?
 


 

Vielleicht mag es sein, dass du mich nicht mochtest, mein Bruder, und vielleicht mag es sein, dass es mir sehr schwer fiel, mich damit abzufinden, denn für mich warst du immer mein kleiner Bruder, den ich beschützen musste, vor wem auch immer.
 

Im Übrigen auch dann noch, als sich der Gedanke in mir breit machte, dass du nur im Weg standest.
 

Meiner Meinung nach gehörten wir zusammen, von Anfang bis Ende und einzig und allein der Anfang war uns vorgegeben. Alles andere bestimmten wir.
 

In der Nacht träumte ich von einer Zukunft, in der wir beide es geschafft hatten, Vaters Ketten zu entfliehen; wie, weiß ich nicht mehr. Wir waren einfach nur zusammen und ich hätte einfach nicht glücklicher sein können. Am liebsten hätte ich es die Realität werden lassen.

Aber natürlich … Vater verhinderte es.
 

Ich hasste ihn dafür. Genau wie unsere ganzen Cousins und Cousinen.

Sie waren alle dasselbe.
 

Nur du und ich sind anders.

Wir sind zusammen.
 

Denn als was auch immer ich dich empfand, als Hilfe oder als Hindernis, nichts änderte die Tatsache, dass du mein Bruder bist.

Ich wollte dich immer noch beschützen und hatte Angst um dich.
 

In dem Jahr, in dem du in der Nacht auf deinem sechsten Geburtstag krank in Bett lagst, dir eine schwere Erkältung eingefangen hattest und das Fieber fast in den für dich tödlichen Bereich stieg, da waren unsere Eltern nicht da, erinnerst du dich? Sie waren auf einer Mission, aufgetragen vom Hokage persönlich.

Und es bestand keine Möglichkeit, ihnen Bescheid zu sagen.

Also kümmerte ich mich um dich. Liebevoller als ich es selbst für möglich gehalten hatte.
 

Ich saß die ganze Nacht an deinem Bett, die ganze
 

Zeit, während du schliefst.
 

Ich hatte dich bisher immer öfter nur als Anhängsel gesehen, etwas, dass immer im Weg stand, wenn man etwas erreichen wollte, zu dem man jedoch nicht kam, weil etwas den Weg versperrte und man es nicht umgehen konnte. Du wirst es mir vermutlich nicht glauben, aber ich bin mir sicher, ich hätte sehr viel eher die Entscheidung gefällt, diesem verdammten Clan und mir, einem seiner törichten Kinder zu zeigen, zu was ich fähig bin, wenn du nicht gewesen wärst.

Du, mein nerviger kleiner Bruder.

Deswegen versuchte ich mit der Zeit es zu vermeiden, mehr Zeit als nötig mit dir zu verbringen, um dir nicht vor den Augen unserer Eltern an den Hals zu fallen und das Problem mit der Erinnerung an dich ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

Jedes Mal, wenn ich dir sagte, ich hätte heute keine Zeit für dich, ein anderes Mal vielleicht und dir dabei gegen die Stirn schnippte, dann war das nur deswegen, weil ich nicht bei dir sein wollte und der Schmerz, den ich dir zufügte, auch wenn es nur ein geringer war, gab mir genug Genugtuung. Nahm dich für einen winzigen Augenblick von deinem hohen Ross runter, von dem du mich sonst immer anblicktest mit diesem arroganten Blick.
 

Ich nahm extra mehr Missionen an als ich gemusst hätte und während der Zeiten, in denen ich zu Hause war und du und Mutter außer Haus, da stritten Vater und ich.

Ich hatte ihn noch nie so laut schreien hören, aber es störte mich auch nicht.

Ich habe keine Angst vor ihm, nie gehabt.

Und die Tatsache, dass er nicht mehr lebt, wenn du das hier liest, ist doch Beweis genug, oder nicht?

Ich weiß, du wirst mich für meine Taten hassen.

Ich bitte sogar darum.

Aber dass du ihnen nicht gefolgt bist ins Reich der Toten, liegt daran, dass ich in dir dasselbe Potenzial sah wie ich es in mir entdeckte. Ich will, dass du genauso mächtig wirst wie ich.

Ebenfalls das Mangekou Sharingan erhältst.

Ich weiß, du kannst es.

Hast du es denn mittlerweile?

Und gerade weil ich dich am Leben ließ, will ich, dass du verstehst.

Alles verstehst.

Wenn ich dir das nächste Mal begegne, will ich neben unglaublichen Hass, der dich lenken soll, zu mir führt, auch Verständnis sehen. Denn auch du wirst garantiert irgendjemanden verraten.
 

Und wie ist das Gefühl, liebster Bruder?

Wie ist es, nicht mehr auf hohem Rosse durch die Straßen reiten zu können, sondern selbst gehen zu müssen? Mh? Sag schon.

War es ein schönes Gefühl?

Hast du es genossen?

Von ganzem Herzen?

Warst du angewidert?

Hattest du Angst?

Empfindest du Reue?

Hast du Albträume deswegen?

Drehst du dich des Nachts von einer Seite auf die andere, weil du nicht schlafen kannst?

Verfolgt dich das Gesicht deines besten Freundes, den du verraten hast?

Schläfst du lächelnd ein?

Denkst du dann an deinen Bruder, der dir diesen Rat gab?

Würdest du es noch mal tun?
 

Für mich?

Deinen Bruder?
 

Oder bist du ein braver Junge geblieben, immer noch hoch oben, nämlich dort, wo du nicht hingehörst? Hörst du auf das, was man dir nun befiehlt, wie du auf das gehört hast, was ich dir sagte, oder gehst du deine eigenen Wege?
 

Ich bereue keine einzige meiner Taten und ich glaube nicht, dass es dir auf irgendeine Weise anders ergeht, für was auch immer du dich entschieden haben magst, mein Bruder.
 

Mir wurde oft genug gesagt, wie sehr ich mich von dir unterscheiden würde, aber ich weiß es besser. Wir sind uns ähnlicher als du glaubst, als so viele glaubten.

Aber dennoch frage ich mich manchmal, ob ich dir ebenfalls einen Brief mit ähnlichem Wortlaut geschrieben hättest, wenn ich jenen Beweis nicht hätte haben wollen.
 

Du auch?
 

Natürlich tust du das.

Vielleicht hättest du es irgendwann doch noch geschafft, mich zu mögen.

Und vielleicht wärst du genau das geworden, von dem Vater nicht wollte, dass du es wirst.

Du wärst mir viel zu ähnlich geworden. Ich wäre nicht dein Vorbild, weil du mich zu diesem auserkoren hast, weil du mich nacheifern wolltest, genauso gut sein wolltest wie ich. Ich war es, weil ich dich selbst
 

auf dein hohes Ross setzte, die Zügel in die Hand nahm und dich durch die Dunkelheit führte.

Vater versuchte immer wieder, mir die Zügel zu entreißen, damit er selbst die Führung übernehmen konnte. Ist dir das eigentlich aufgefallen?

Wie er immer öfter versuchte, dich anderweitig zu beschäftigen, nur damit du nicht zu mir kamst um mich zu fragen, ob ich Zeit für dich hätte.

Ich glaube nicht.

Du bist mir ähnlich, ja, aber wir sind nicht identisch. Vater machte es unauffällig und manchmal versetzte er dich mit dem Sharingan einfach in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Ein einfaches und vor allen Dingen grundlegendes Detail, wenn es um die Anwendung des Sharingans geht.

Ich bin mir sicher, du bist meinen Anweisungen gefolgt, in den Schrein gegangen, hast die siebte Tatami-Matte auf der rechten Seite hochgehoben und bist den geheimen Gang hinuntergegangen und hast dir all das durchgelesen, was dein Bluterbe kann.

Aber das ist nur eine Methode von vielen.

Ich weiß, es hätte nichts gebracht. Vater konnte mir bis zum letzten Augenblick nicht die Zügel deines Rosses aus der Hand nehmen und hätte es auch nicht geschafft. Ich hätte dich mit in dieselbe Richtung gezogen, in der der Weg, den es zu beschreiten gilt, im Dunkeln liegt.

Aber wir wären zusammen gewesen.

Du hättest keinen Grund gehabt, Angst zu haben.

Ich hätte dich von dort oben heruntergeholt und dich mit meinem Leben beschützt.

Denn dann, wären wir zusammen gegangen, dann wären wir wirklich Brüder gewesen. Richtige Brüder, die nicht nur sagen, dass sie in Liebe verbunden sind, weil die Familie es so verlangt.
 

Doch diese Chance bekamen wir nicht.

Ich hatte es bemerkt und deine Zügel freiwillig losgelassen, dir die Lampe gegeben und mich allein auf ins Dunkel gemacht. Du wusstest nicht weiter, warst verwirrt.

Ich habe nicht beschlossen, deine Familie an diesem Tag umzubringen. Es war nicht fest geplant.

Während du beim Training warst, haben Vater und ich uns wieder gestritten, nur war Mutter dieses Mal bei uns, und auch ihre Stimme war ungewöhnlich laut und wütend.

Ich habe sie noch nie so erlebt.

Es störte mich nicht. Ich war in diesem Moment nur glücklich darüber, sie wirklich von allen Seiten zu kennen, die ein Sohn zu kennen hat.

Sie schrie uns an, wir sollten mit diesen Streitereien aufhören, du könntest jeden Augenblick zurückkommen und all das mitbekommen.

Aber du kamst nicht.

Und weißt du, Sasuke, mein Bruder, das ist der Grund, warum sie sterben mussten.

Weil du nicht mit deinem hohen Ross gekommen bist, um mich aufzuhalten.

Vielleicht ist es dir schon vorher aufgefallen, dass ich mich nur beherrschen konnte, wenn du es verlangtest. Als einige Angehörige der Polizei bei uns ankamen und mich des Mordes an einem anderen Familienmitglied beschuldigten, da war es deine Stimme, die mich aufhielt.

Wärst du eher gekommen, eine halbe Stunde hätte schon genügt, und hättest du mich gebeten, aufzuhören, zu schweigen, Sasuke, dann wäre all das an diesem Tag nicht passiert.

Wenn ich deine Zügel eher losgelassen hätte und du nicht erst hättest lernen müssen, den Weg alleine zu finden, dann wärst du schneller zurück gewesen und hättest deine Familie nicht verloren.

Ich hatte sie losgelassen und war damit genauso alleine wie du. Es war dunkel.

Auch ich musste mich erst zurechtfinden.

Verstehst du, warum ich dich als Hindernis bezeichnete?

Solange ich mich an dich band, genauso wie du an mich gebunden warst, durch einen Strick Leder, den ich selbst festhielt, hätte ich nie Schritte machen können, die groß genug waren, um mich weit genug nach vorne zu bringen.

Ich hatte mich selbst an dich gefesselt und dich störte es nicht.
 

Es ist nicht so, dass ich meine Taten bereue. Das sagte ich bereits.

Und es ist auch nicht so, dass die Entscheidung, sie alle zu töten, noch nicht getroffen war.

Ich wollte es nur nicht an diesem Tag tun.

Wollte dir genug Zeit geben, damit du mir zu mir kamst und wir gemeinsam gingen. Damit wir sie gemeinsam umbrachten.

Ich weiß, du hättest es gekonnt.
 

Du bist mein Bruder.

Wir sind uns ähnlich.

Und auch, wenn du es vermutlich nie so gesehen hast, habe ich dich – ich weiß, ich wiederhole mich – doch immer aus tiefstem Herzen
 

geachtet und geliebt.

Ich hätte dir nie etwas antun können, aber ich bin mir sicher, dass du mir das nicht glauben wirst. Zumindest jetzt nicht mehr.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrichen ist seit jener ereignisvollen Nacht und dem Zeitpunkt, in dem du den Brief in deinen Händen hältst. Vielleicht liest du ihn ja irgendwann noch ein zweites, drittes, viertes, vielleicht auch schon ein ungezähltes Mal und die Zeitspanne wird immer größer und meine Glaubwürdigkeit dir gegenüber nimmt mit jedem weiteren Wort weiter ab.

Sehr wahrscheinlich würdest du sogar bereits anfangen die Tatsache anzuzweifeln, dass wir wirklich Brüder sind, obwohl ich mir sicher bin, dass wir uns mittlerweile noch ähnlicher sind als du es jemals für möglich gehalten hättest.
 

Immerhin hat uns dieser verhasste Clan nicht nur diese ungewöhnlichen Augen hinterlassen.

Aber das scheint niemanden außer mir damals, als sie alle noch lebten, aufgefallen zu sein.

Dass sie fast alle dasselbe dunkle, schwarze Haar hatten, dieselben dunklen, schwärzlichen Augen, und dieselbe schwächlich wirkende Statur, nicht im geringsten muskulös.

Wir sahen gebrechlich aus im Vergleich mit Angehörigen von anderen Clans, und trotzdem gehörten wir unangezweifelt zur Elite.

Ich zweifelte unseren Status nie an.

Ich weiß, warum wir als Elite angesehen werden.

Als die Spitze von allen Clans und keiner der an uns heranreicht.
 

Es hatte alles seine Richtigkeit so.
 

Aber hast du jemals gesehen, dass das alles nichts zählt, wenn man nur einen Namen trägt, der die schönste Blüte verspricht?

Eine verwelkte Rose zu betrachten ist kein Kunstwerk, nicht schwer und erfordert kaum Kraft.

Das kann jeder.

Aber selbst als die schönste Rose von allen zu erblühen ist etwas, das nur Auserwählten vergönnt ist, weil es Macht und Mut erfordert, die kaum einer in sich trägt.

Und du und ich – wir sind solche.
 

Wir.
 

Ich bin mir sicher, wenn wir uns das nächste Mal sehen, dann bist du vielleicht noch nicht stark genug, um mir auch nur im Ansatz das Wasser reichen zu können, aber doch wirst du bereits zu einer schönen Rose herangereift sein, die alle anderen in den Schatten stellt.

Das erhoffe ich mir von dir, mein Bruder.
 

Kräftig und stark und stolz und unzerstörbar.
 

Bist es geworden?

Sicherlich.

Denn du tust ja alles, was ich sage, nicht wahr?
 

Ich will dich nicht verspotten.
 

Ich will nur, dass du nicht vergisst, dass wir Brüder sind.

Ich will nur, dass du weißt, dass wir einander nicht loslassen konnten, weil wir uns festhielten.

Ich will nur, dass du dir bewusst bist, dass ich dich geliebt habe.
 


 

Hast du es denn nicht vergessen?
 

In Liebe, dein Bruder Itachi

In den Schatten

Sasuke schweigt, blickt mich noch nicht einmal an, als ich die fünf Blätter sinken lasse und meine Augen auf ihm ruhen. Dieser Brief …

Itachi hat ihn nicht an einem Tag durch geschrieben, die Gedankensprünge zwischendurch hätte ich kaum besser erkennen können. Hin und wieder widerspricht er sich sogar selbst – ein wenig, nicht offensichtlich. Aber vielleicht kommt es mir auch nur so vor, weil Itachis Laune von traurig auf brutal wechselte.

Was wohl passiert war, während er diesen Brief schrieb?

Irgendetwas lenkte ihn ab.

„Trägst du die anderen drei Seiten immer mit dir herum?“

Meine Stimme ist leise, ich flüstere fast, als würde es irgendetwas an dem ändern, was ich gerade gelesen habe. Die Tatsache, dass es dennoch passiert war, lindern würde.

Er nickt gedankenverloren.

Sagt nichts weiter.

„Es muss doch … tut es nicht weh?“

Er schüttelt den Kopf.

Ich kann nicht anders als zu lächeln.

„Itachi muss ein seltsamer Bruder gewesen sein … ein wechsellauniger vor allen Dingen …“

Sasuke reagiert darauf nicht, sondern starrt einfach irgendwohin. In dem Dämmerlicht der Kerze kann ich nicht erkennen, auf was er sieht.

Eine Rose … ich schaue auf das Wort für mehrere Sekunden. Itachi verzierte den Anfangsbuchstaben des Wortes aufwendig und ich werde das Gefühl nicht los, dass er die Rosen, die bereits im Garten standen, als er hier noch lebte, lange angesehen haben muss.

Kam er zu demselben Schluss wie ich?

Diese Augen und diese Rose …

Sasukes Namen oder die Bezeichnung für ihn, nämlich Bruder, schrieb er auf dieselbe Art, die Linien sind mehrfach gezogen, als hätte er den angefangenen Brief, als er ihn schrieb, mehrmals durchgelesen, hätte an einem Absatz fest gehangen, bevor er weiter schreiben konnte.

Wie viele Tage hatte er für diesen Brief gebraucht?

„Wann hast du den Brief gefunden?“

„Kurz bevor ich euch verließ.“

„Hat sich dein Bild von ihm verändert? Nach diesem Brief?“

Er nickt.

„Sehr?“

„Viel zu sehr.“

„Hasst du ihn immer noch? Willst du ihn überhaupt noch töten?“

Er antwortet nicht, hüllt sich in Schweigen, drückt sich vor der Entscheidung genau wie ich es getan habe.

„Sagst du es mir irgendwann?“

Er nickt wieder.

„Danke“, flüstere ich ihm zu, falte den Brief wieder ordentlich und lege ihn in die Kiste.

Dann sitzen wir einfach da auf meinem neuen und seinem alten Bett, schweigen in die Dunkelheit hinein. Meine Hand tastet sich nach seiner und hält sie fest. Ich fürchte die Finsternis nicht, aber in diesem Moment beschleicht mich das Gefühl, dass sein undurchschaubarer Bruder in jener düsteren Ecke, in die das Kerzenlicht nicht gelangt, steht und uns ansieht.

Die Schatten flackern und einen Augenblick lang glaube ich, seine Umrisse an der Wand zu erkennen, ihn mit seinem schwarzen Umhang wirklich hier in diesem Zimmer stehen zu sehen, doch dann ist wieder alles so wie es war.

Der kleine Lufthauch, der die Flamme der Kerze zittern ließ, legt sich wieder.

„Warum kam Naruto heute erst so spät zurück?“

Erneut eine Frage mitten aus dem Nichts, doch dieses Mal erschrecke ich nicht.

Sein Daumen streichelt über meinen Handrücken.

„Sie haben die Information, dass die Brüder Uchiha ihren letzten Kampf in diesem Monat austragen wollen und sie versuchen seit dem herauszufinden, wann genau das sein wird. Sie reden im Büro der Hokage darüber und nebenbei werden sie garantiert auch noch einige Jo-nin auf Missionen schicken, um weitere Informationen zu bekommen.“

Das erste Mal, dass ich ihm eine Frage beantworte, die mit irgendwelchen Strategien, Plänen oder ähnlichem des Dorfes zu tun haben. Jedes andere Mal war ich ihm ausgewichen, hatte geschwiegen.

„Was für Vorkehrungen wollen sie treffen?“

Sein Blick ruht immer noch auf irgendeiner Stelle, von der mir jetzt erst auffällt, dass es die ist, an der ich gerade Itachis Umrisse zu sehen geglaubt hatte. Aber da ist niemand.

„Ich weiß es nicht. Naruto … spricht nicht mit mir darüber …“

„Warum nicht?“

„Ich weiß nicht …“

Oder?

„Tsunade könnte es ihm befohlen haben, zu schweigen …“

Ich schweige, überlege. Vielleicht will sie nur nicht, dass ich mich zu sehr aufrege und damit die Wehen schon vorher eingeleitet werden. Denn, mir fällt gerade ein, das Datum des ersten Tag des Vollmondes und das von Tsunade geschätzte Datum der Geburt meines Kindes – sie liegen direkt beieinander.

Das hatte ich vollkommen vergessen.

„Sasuke?“

„Ja?“

„Egal, was passieren wird zwischen dir und Itachi – ich möchte, dass unser Kind deinen Namen trägt. Ich will, dass jeder weiß, zu welchem stolzen Clan es gehört.“
 

„Danke.“
 

„Wofür?“

„Wenn wir beide an diesem Abend sterben sollten, dann stirbt der Clan Uchiha aus.“

„Das wird er nicht.“

Ich spreche diese Worte aus und gleichzeitig führe ich seine Hand, die ich hielt, zu meinem Bauch, dorthin, wo sein Kind in mir ruht.

„Wann ist es so weit?“

„Fast zur selben Zeit. Deswegen soll Naruto vermutlich schweigen, damit ich mich nicht zu sehr aufrege …“, antworte ich ihm.

Er fragte. Fragte wirklich nach seinem Kind. Zum ersten Mal.

Tränen des Glücks fließen über meine Wangen und ich lächele.

Sasuke streicht sie mit seiner freien Hand weg und erwidert mein Lächeln.

„Ich hoffe, dass es erst danach so weit sein wird. Ich will –“

Er kann seinen Satz nicht vervollständigen, weil ich ihm mit einem Kuss das Wort verbiete. Ich hatte es nicht gehört, aber ich weiß, was er sagen wollte, und allein das lässt mich die ganzen Tränen des gestrigen Abends vergessen, glücklicher sein als je zuvor in den letzten Monaten.
 

Ich kann mich nicht daran erinnern eingeschlafen zu sein, aber als ich wieder aufwache, bin ich erneut nicht alleine. Eine Hand liegt auf meiner Schulter, eine sanfte Berührung, die mich wecken soll.

Das leise Aussprechen meines Namens.

Die Hand hat nicht so feine Finger wie vorhin, sie ist nicht ganz so schlank und ihr Handrücken ist deutlich breiter. Ich blicke von der Hand auf die Person, zu der sie gehört.

Blonde Strähnen fallen ihr ins Gesicht und ein Grinsen ziert ihr Gesicht.

„Guten Morgen, Sakura. Gut geschlafen?“

Naruto trägt auf seiner freien Hand ein Tablett, auf dem ich von hier unten nur einen kleinen Korb, aus dem ein paar Scheiben Vollkornbrot ragen, und eine Vase mit einer roten Rose erkennen kann.

Langsam setze ich mich auf.

„Guten Morgen, Naruto. Wieso bist du schon zu früh wach?“

„Früh?“, wiederholt er und lacht dabei. „Wir haben gleich halb zwölf, fast schon Zeit fürs Mittagessen“, sagt er und klingt gespielt tadelnd. Er nimmt seine Hand von seiner meiner Schulter und mit dieser die Kerze auf meinem Nachtschränkchen, stellt sie auf das Tablett und zündet sie meinem Feuerzeug aus seiner Hosentasche an. Vorsichtig legt er das Tablett auf dem Schränkchen ab.

Naruto zieht sich den Stuhl an meinem Schreibtisch ans Bett heran und setzt sich darauf, während ich mich ordentlich hinsetze, Kissen zwischen meinen Rücken und der Wand packe und mich dann dem Frühstück, das er für mich zubereitete, zuwende.

„Wie kommt’s, dass du so lange geschlafen hast? Normalerweise bist du doch schon um fünf wach“, meint er, sieht mich neugierig an und klingt trotzdem nur halbherzig interessiert, als wäre er am liebsten doch ganz wo anders. Überall, nur nicht hier.

„Weiß nicht … hatte wohl einen schönen Traum gehabt …“

„Erinnerst du dich noch an ihn?“

Ich schüttele lächelnd und bedauernd zugleich den Kopf.
 

„Kam Sasuke darin vor?“

Streit über ihn

Seine Wangen sind gerötet, seine Augenbrauen stärker zusammengezogen als an jenem Tag in Hokage-samas Büro, als neben ihm einer seiner Meister stand. In seinen Augen spiegelt sich unglaublicher Zorn, Wut auf wen auch immer.

„Schön! Schön, wenn dir so viel daran liegt, alleine zu sein, dann –“

„Sag mal, geht’s noch? Du warst doch derjenige, der sagte, er wolle mich nicht im Stich lassen!“

Mein Blick fällt für einen kurzen Moment, weil ich ihn nicht weiter ansehen kann, auf eines der Bilder an der Wand; ich spiegele mich in dem Glas und erkenne, dass ich nicht anders aussehe als Naruto. Wütend, zornig.

Nicht im Ansatz so unglaublich unglücklich wie ich mich fühle.

„Aber daran scheint dir ja nichts zu liegen, wenn du von ihm träumst!“

Er schreit.

Genauso wie ich.

Versuchen nicht einmal leise zu sein.

Aber wir müssen nicht darauf achten, dass uns niemand hört.

Uns kann niemand hören.

Viel zu weit weg.

„Es war nur ein Traum, Naruto!“

„Ein Traum von ihm, ja! Ich wusste es – die ganze Zeit!“

Was wusstest du?“

„Dass du mich angelogen hast!“

„Das hast du doch auch gemacht! Du hattest gesagt, du wolltest mich nicht im Stich lassen und was ist? Ich war größtenteils alleine – hast du irgendetwas anderes erwartet? Träume von dir oder was?“
 


 

Er sieht mich nicht mehr an und seine Zornesröte mischt sich mit einem Moment mit solcher, die entsteht, wenn ihm etwas peinlich ist. Doch es dauert nicht lange, drei schwere Atemzüge von mir, dann hat er sich wieder gefasst und von seiner kleinen Schwäche gerade ist nichts mehr zu sehen.

„Natürlich nicht! Aber ich musste doch dafür sorgen, dass wir hier überhaupt überleben können! Außerdem hattest du doch deine Freundinnen, du –“

„Meine Freundinnen sind nicht du, Naruto. Ich wollte dich hier haben, weil du sagtest, du wolltest für mich da sein!“

Ich weiß nicht, wie lange wir uns schon anschreien, mit unseren Argumenten im Kreis rennen, weil keiner etwas anderes dem Gegenüber vorzuwerfen hat. Ich habe noch nicht zur Uhr gesehen und ich werde es auch nicht tun.

Zu diesem gottverdammten Streit kam es doch nur wegen einer einzigen kleinen Frage, den Traum betreffend, den ich hatte, wohl wissend, dass es keiner war. Aber wenn ich sehe, wie sehr Naruto ausrastet allein bei der Tatsache, dass er in einem Traum vorkam, will ich nicht wissen, wie er reagiert, wenn ich ihm sage, dass er wirklich hier war.

Und jetzt wieder weg ist.

Warum reagiert er überhaupt so?

Er sucht doch seit Jahren nach ihm, will ihn, seinen Bruder, wieder bei sich haben.

Warum regt er sich so auf, wenn es um einen Traum mit ihm geht?

Was glaubt er über ihn in Erfahrung gebracht zu haben, dass ich nicht weiß?

Was hat seine Meinung geändert?

„Ich habe dich nicht angelogen …“

Es ist nur leise gesprochen, es ist keine Verteidigung, keine Rechtfertigung. Ich will es ihm einfach nur sagen.

„Ach nein? Du liebst ihn nicht mehr, nein, garantiert nicht. Du hast mir dein Herz geöffnet, ja? Du hast mich eiskalt angelogen. Und ich Idiot hatte mir schon Hoffnungen gemacht.“

„Ich hab dich nicht angelogen, Naruto! Bitte glaub mir! Ich hab nur –“

„Du hast nur was? Du hast nur Spaß gemacht? Vielen Dank. Was für eine unglaublich nette Freundin du doch bist.“

„Das – das habe ich nie gesagt! Ich … ach was, geh doch! Verschwinde doch zurück zu denen, mit denen du deine Nächte lieber verbringst! Geh!“

„Sakura, ich-“

„Ich will’s nicht hören! Geh, verdammt! Verschwinde endlich!“

Von seiner Wut ist nichts mehr zu sehen, in seinen Augen glaube ich eher Schmerz und Trauer zu erkennen, doch er wird sie nicht zum Ausdruck bringen. Für ein paar Sekunden sehen wir uns noch an, dann unterbreche ich den Blickkontakt, drehe mich halb von ihm weg.

„Geh“, wiederhole ich mich, dieses Mal jedoch nur leise und ohne meinen Zorn. Naruto schweigt, doch kurz darauf höre ich seine Schritte und er verschwindet. Laut schiebt er die Tür hinter sich zu, als er das Haus verlässt.

Er kommt nicht zurück.

Und das wird er vor heute Abend auch nicht.

Erst dann, wenn er weiß, dass ich im Bett liege oder er sich ungehört in sein Zimmer schleichen kann, wohl wissend, dass ich ihn nicht hören kann.

Ich seufze. Lasse mich auf die Knie sinken und versuche erst gar nicht die Tränen zurückzuhalten, die mich in den letzten Tagen ständig verfolgen.

Gestern Abend erst …
 

Ich hatte anfangs gar nicht erst bemerkt, dass Sasuke da war.

Ich hatte gedacht, ich würde seine Stimme in meinem Kopf hören.

Dachte nur, ich würde bitterlich enttäuscht werden, wenn ich in diesem Moment meine Augen öffne und er nicht da sein würde.

Aber er war da.

Blieb sogar, als Naruto kam.

War sogar die ganze Nacht über da.

Bei mir.

Es war so unglaublich …
 

Naruto ist bereits seit einigen Stunden weg; mittlerweile verrät ein Blick zu Uhr, dass es schon fast später Nachmittag ist, und ein ebensolcher zum Kalender beschreibt den heutigen Tag als Sonntag.

Ich bin alleine, bin mal wieder in dem Schlafzimmer, das einst Sasukes Eltern gehörte. Ich hatte das Bett noch nicht gemacht und mich deswegen einfach wieder hingelegt. Genieße, wie das helle Licht der Kerzen sich mit dem schwachen vermischt, das durch das Fenster fällt.

Es ist Anfang Dezember; draußen regnet es nicht mehr so stark wie im letzten Monat und der Wind, der durch die Kronen der Bäume fegt, ist noch kälter. Lässt ungeschützte Hände erfrieren. Bald würde es anfangen zu schneien.

Meine Finger spielen mit der Kette, die um meinen Hals hängt, während ich einfach gedankenverloren auf einen Punkt der Wand mir gegenüber schaue. Da ist nichts besonderes, hängt nicht einmal ein Bild.

Einfach nur Holz.

Aber das reicht mir vollkommen aus, um mich abzulenken, nicht an irgendwas zu denken und ich weiß nicht genau, wann ich mich aus dieser Starre lösen kann. Doch es ist sehr viel dunkler und ein Großteil der Kerzen brennt bereits nicht mehr. Von ihnen ist nichts weiter übrig als ein kleiner Rest Wachs auf den Tellerchen.

Winter.

Mein Großvater sagte mir mal, dass Kinder, die nach ihrer Geburt sofort in warme Klamotten gesteckt werden, um nicht zu frieren, später einmal eher in sich gekehrte Menschen sein werden, die eher etwas für sich behalten als es anderen zu sagen. Und solche, die in den Sommermonaten das Licht der Welt erblicken, die Sonnenstrahlen auf der Haut spüren und luftige Kleidchen tragen, werden viel lustigere und offenere Menschen. Einfach glücklich darüber, am Leben zu sein.

Ich streiche über meinen Bauch, fühle die Bewegungen meines kleinen Madaras in mir.

Ob er auch einmal ein in sich gekehrter Mensch sein würde?

Verschlossen, wie sein Vater und sein Onkel?

Erst recht wie sein Onkel?

Ich denke an den Brief, Itachis Worte. Seine Trauer und seine Wut vereint.

Ich werde es verhindern können, sicherlich.

Ich werde mein Kind nicht daran hindern, sich wie eine der schönsten Rosen überhaupt entfalten zu können.
 

„Aber sag mir doch, Madara … was machen wir mit uns, wenn dein Onkel kommt?“

Schweigen sagt mehr als tausend Worte

Vollmond.
 

Es ist bewölkt und durch die wenigen wolkenfreien Stellen, die den dunklen Himmel offenbaren, dringt das helle Licht des Gestirns durch die Fenster und die offenen Türen, die die Kälte nicht mehr draußen halten.

Schnee fällt sanft von der grauen, ja fast schwarzen Wolkendecke und verringert die Sicht auf wenige Meter, landet lautlos auf dem weichen Holzboden und schmilzt.

Der Atem wird sichtbar und die warme Luft bricht das Licht, wirft einen schwachen Schatten auf den Boden, der sich unförmig über ihn schlängelt und kaum, dass er überhaupt erschienen ist, wieder verschwindet.

Die einzigen Geräusche, die von draußen zu hören sind, sind das Rauschen des Windes in den Bäumen, die kein einziges Blatt mehr tragen, und das Plätschern des Wassers, über das der Wind fegt, in dem kleinen Teich, den er von seinen Platz aus garantiert sehen kann.

Er steht im Gegensatz zu mir, ist viel näher an der Tür und sein dunkler Mantel wirkt heller, ungefährlicher. Die roten Wolken, die ihn zieren, schimmern wie Blut, das erst noch vergossen werden muss.

Ich glaube nicht, dass ich Angst habe. Vor ihm.

Ich glaube nicht einmal, dass ich das überhaupt noch kann.

Ihn fürchten.
 

Schweigen herrscht seit dem Augenblick, in dem er kam.

Einem Augenblick ohne jegliche Überraschung, ohne irgendwelche übereilten Handgriffe oder sonst einer Bewegung, die darauf schließen lassen würden, dass jemand das Haus betreten hatte, der etwas feindliches im Sinn hatte. Ich saß im Wohnzimmer, hatte eigentlich schon auf seine Ankunft gewartet, geduldig, hatte nichts getan. Als er mich sah, ging er ruhig auf mich zu, half mir auf, fesselte meine Hände, nicht zu fest, damit es nicht schmerzt, aber dennoch fest genug, dass ich mich nicht befreien kann, und stützte mich dabei, als ich mich wieder auf einen Stuhl setzen sollte, an dem er meine Fesseln noch befestigte.

Weder ich noch er sagten auch nur ein einziges Wort.

Bestand überhaupt eine Notwendigkeit dazu?
 

Der Stuhl wird ein wenig unbequem und ich rutsche auf ihm ein wenig hin und her, aber das ist auch schon die einzige Bewegung, die in diesem Raum herrscht. Danach wieder nichts.

Stille.

Die Geräusche von draußen wirken unglaublich laut und mit jeder stummen Sekunde, die verstreicht, werden sie lauter.

Bisher hatten sie noch keinerlei Idee gefunden, wann er hier auftauchen könnte und ich zweifele daran, dass sie heute noch den entscheidenden Aspekt herausfinden werden.

Ich habe nicht vor zu fliehen.

Der erste Abend am Vollmond.

Der ist heute.

Der 18. Dezember.
 

„Vom 15. bis zum 19. Dezember, allerhöchstens auch der 20., später aber auf keinen Fall.“
 

Sie – wer auch immer – werden garantiert die Vorhänge zuziehen, damit sie sich ein wenig ungestörter vorkommen als sie es wirklich sind.

Trügerischer Schein.

Wer hätte gedacht, dass selbst die schlausten Köpfe in unserem Dorf nicht schlau genug sein werden um auf diese einfache Zeitrechnung zu kommen?

Ich habe Naruto seit Tagen nicht mehr gesehen. Nicht einmal gehört.

Vollmond …

„Demütigend, nicht wahr?“

Er dreht sich zu mir um und sein Gesicht bleibt unleserlich, während seine Augen auf mir hängen bleiben. Ich werde das Gefühl nicht los, dass er durch mich durch sieht.

Ich bin für ihn nicht da.

Zumindest nicht ganz.

Denn er sprach das aus, was ich gerade dachte.

„In der Tat.“

Meine Antwort klingt ein wenig belustigter als ich es wollte, aber das macht nichts.

Ich sagte doch, ich habe keine Angst vor ihm. Ich könnte gar nicht anders oder gar besorgt klingen.

Vielleicht könnte er meinem Kind etwas antun. Vielleicht mich umbringen.

Denn er schrieb seinen Brief nicht an einem Tag. Er ist auch nur ein Mensch.

Er dreht sich wieder um, sieht mich nicht weiter an und wartet nur auf denjenigen, weswegen er überhaupt kam. Ich bin diese Person nicht. Und vielleicht schlägt mein Herz ja doch etwas schneller wegen dem, was er ihr antun könnte.

Madara …

„Wer entscheidet, wer von diesem bedauernswerten Clan zu einer bezaubernden Rose, der schönsten von allen, heranwächst?“

Es mag vermutlich die falsche Wortwahl gewesen sein, aber ich weiß, dass er nicht anders denkt, warum sollte er also irgendetwas unüberlegtes tun? Er weiß, dass sein Bruder, sein geliebter, und ich in einem Team waren. Würde ihn das aufhalten, wenn es so weit ist?

Erneut dreht er sich um, sieht mich ein wenig überrascht an. Er zieht seine rechte Augenbraue fragend hoch. Stumm steht die Frage ihm Raum, die er nicht aussprechen muss, damit ich sie verstehe.

„Dein Brief.“

„Ah … dann ist das Kind von ihm, ja?“

Ich nicke, nicht wissend, ob er es überhaupt sehen kann. Er stellte meinen Stuhl direkt an die Wand des Zimmers, die gegenüber der Türen ist. Bis hierhin dringt kaum Licht. Ich spüre seinen durchdringenden Blick auf mir.

Mit langsamen Schritten kommt er auf mich, wieder, und als er bei mir ist, spüre ich seine kalten Finger auf meiner Haut, wie er die warme Kette unter meinem wollenen Pullover hervorzieht. Ich sehe in seinen roten Augen, dass er sie wieder erkennt. Ein undefinierbarer Ausdruck.

„Warum hat er dir sie gegeben?“

„Er hat sie mir nicht gegeben. Sie lag in seinem Zimmer, in der kleinen Kiste, die –“

„Unter dem losen Brett direkt neben meinem Bett ist. Das zweite von der linken Wand und sieben von der, die hinter dir ist, wenn du vor meinem Bett kniest.“

Es klingt so, als hätte er sich die Worte, die Sasuke ihm einst sagte, sehr gut eingeprägt. Mir fällt sein Brief wieder ein. In dem hatte er jene besonderen Momente auch so sehr gepriesen.

Und dass Sasuke ihm dieses kleine Geheimnis anvertraute, war wohl einer der schönsten für ihn … sicherlich …

Die Dunkelheit verbirgt meine Tränen.
 

Wir schwiegen uns immer an, wenn wir alleine waren, sagten nichts oder kaum was, und die wenigen Ausnahmen, die aus der Reihe fielen, hätte ich mir nicht genauer einprägen können.

Ich merkte mir alles, was ich von dir sah, wie du reagiertest, wann du mir aufblicktest, ja sogar wann du zwinkertest.

Verrückt, nicht wahr?

Ja, aber ich konnte nicht anders.

Du bist doch mein Bruder und ich wollte wenigstens diese wenigen Momenten, in denen wir uns wie Brüder benahmen, auf ewig behalten. Nie vergessen.
 

Der geliebte Bruder … er kann nicht so arrogant gewesen sein, wie alle sagten …
 

„Er will sie zurück haben, wenn ihr das hier beendet habt.“

„Egal, wie es ausgeht?“
 

„Ja.“

Für den Moment

Die vertraute Stimme, die unser Gespräch, unser stummes, durchbrach, hüllt sich in Schweigen, erklingt nicht noch einmal, sondern wartet geduldig, bis ihr die Aufmerksamkeit, die sie verlangt, geschenkt wird.

Er ist gekommen.

„Das heißt, er hat doch nicht das getan, nachdem ich verlangte?“

„Jemanden eine Lüge zu erzählen, die die Wahrheit versteckt, die andere nicht hören wollen, macht das Leben immer einfacher.“

Er lacht leise.

„Du sprichst aus Erfahrung, nicht wahr?“

Eine einfache Frage, ihre Stellung möglich mit einfachem logischen Denken. Ich glaube nicht, dass er im Geringsten an mir interessiert ist. Das einzige, was zählt, ist er.

Ich nicke.

„Und sag mir doch, Sakura, warum lügt er? Warum ist es nicht die Wahrheit, die er erzählte? Warum hat der kleine Bruder nicht auf seinen großen gehört, wo er doch nur sein bestes und ihn beschützen wollte?“

„Manchmal reagieren kleine Brüder nur aus Trotz, weil sie nicht das tun wollen, was von ihnen verlangt wird und …“

„Und?“

„Und irgendwann wird selbst der kleine Bruder erwachsen, da kann der große nichts gegen machen.“

Ein Lächeln auf seinen Lippen.

Er betrachtet die Kette um meinen Hals noch eine Weile, öffnet das Medaillon, sieht die Worte nicht, aber weiß, dass sie dort stehen. Sein Lächeln verblasst nicht. Ist es nunmehr ironisch?

Fast gar zynisch gegenüber seinem kleinen Bruder?

Doch der schweigt weiterhin.

Er lässt meine Kette los.

Ich weiß es nicht.
 

„Was hast du mit deiner gemacht?“, unterbricht die Stimme erneut die Stille.

Das Gespräch des Bruders mit mir ist beendet; es ist alles gesagt. Für den Moment.

„Sie immer getragen und jeden, der sie mir nehmen wollte, umgebracht.“

Er klingt dabei so kalt, gleichgültig, in Gedanken dabei an jene denkend, die es versuchten. Mit geschickten Fingern holt er seine Kette unter seinem Mantel hervor und ich sehe die feinen Glieder im Mondlicht schimmern. Das Gold wirkt leicht silbrig. An ihr der Anhänger.

Er öffnet ihn, blickt hinein.

„In Liebe, dein Bruder Sasuke“, liest er vor und seine Stimme hat einen weichen Ton angenommen, seine Augen, die ich nicht sehen kann, haben sicherlich diese Mordlust, diesen Hass, verloren. Für einen Moment.

Die Kette verschwindet wieder unter dem Mantel der Organisation, der er sich anschloss.

Akatsuki.

Die Fehde mit seinem eigenen kleinen Bruder.

Ob er auf eigenen Willen handelt oder in ihrem Interesse?

Agiert er gegen ihre Befehle oder lässt sie ihn einfach gewähren?

Ich weiß nicht sehr viel über sie, nur das Bisschen, das ich mir aneignete, als Naruto mit Jiraiya-sama für zweieinhalb Jahre unterwegs war. Seitdem sind viele Mitglieder von ihr gestorben, größtenteils durch die Hand von Ninjas aus unserem Dorf, aber auf das begrenzt sich mein Wissen auch schon.

Grenzen, die viel zu früh gezogen wurden.

Erweiterung noch nicht möglich.

Ihre Pläne und Absichten kennt keiner.

Wüsste Tsunade von ihnen, hätte sie mir garantiert davon erzählt.

Da bin ich mir sicher.

Ich sehe zu Sasuke. Sein Blick ist undefinierbar; ich weiß nicht, was er bei den Worten seines Bruders fühlt. Sollte ich es?

Stimmt es immer noch?

Er sagte mir, er weiß es nicht.

Weiß er denn jetzt, ob er für seinen Bruder immer noch dasselbe empfindet? Dasselbe von wann?

Hasst oder liebt er ihn?
 

„Sag mir doch, Sasuke, hast du deinen besten Freund verraten und getötet?“

„Du bist ihm bereits mehrere Male über den Weg gelaufen. Du kennst die Antwort.“

„Naruto, mh? Ja, in der Tat. Er lebt noch.“
 

„Und, mein Bruder, hasst du mich?“
 

Ich sehe von Sasuke nicht mehr als seine Silhouette. Das helle Licht hinter ihm lässt mich nichts weiter erkennen als das Strahlen seiner Augen. Der Rest ist schwarz.

Wie fühlt er sich?
 

„Damals, als mein Partner und ich auf der Suche nach dem Gefäß des Neunschwänzigen Fuchsungeheuers waren und wir – du und ich – aufeinander trafen, da sah ich unglaublichen Hass in dir für mich. Genau der, den ich in deinen Augen sehen wollte. Wo ist er jetzt?“
 

„Damals … hatte ich deinen Brief noch nicht gefunden und gelesen …“
 

Itachi lacht, geht auf ihn zu, stellt sich neben ihn, blickt auf zu dem dunklen Himmel.

Schneeflocken fallen auf sein Gesicht.
 

„Dann bist du doch schneller gewesen, als ich es dir zugetraut hätte.“
 

Es scheint, als würde er den kalten Kuss genießen. Er schließt seine Augen, entspannt sich und doch sieht es für mich so aus, als würde jeder Muskel in seinem Körper bereit sein, sich zu verteidigen, sobald Sasuke angreifen würde.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, sehe ich unter seinem Mantel eine Bewegung, eine Hand, die ein Kunai hält. Das Metall schimmert schwach im silbernen Licht.

Die Blicke der beiden treffen sich.

Diese beiden ungewöhnlichen Paare roter Augen, die wie Rosen wirken, stolz und wunderschön und gefährlich zugleich.

Ein bezaubernder Anblick …
 

„Damals verstand ich noch nicht …“
 

Er, der außergewöhnliche Bruder, wendet sich wieder mir zu, sieht mich an und das Kunai verschwindet aus meinem Sichtfeld. Ich habe keine Angst, dass er mich angreifen wird.

Er wird nicht.

Garantiert.
 

„Was glaubst du?“
 

Ich weiß nicht, ob seine Frage ernst gemeint ist, oder ob er sich nur über Sasuke lustig machen will, weil er mich mit einbezieht, aber dennoch wartet er auf eine Antwort von mir. Als hätte er alle Zeit der Welt.
 

„Wie könnte er dich hassen, wenn du ihm demütig deine Liebe vor die Füße legtest? Und das machst du jetzt immer noch.“

„Woher willst du das wissen?“

„Ich habe deinen Brief gelesen, schon vergessen? Außerdem …“
 

Ich beende den Satz nicht sofort.

Schmerz breitet sich in mir aus und ich habe eine Vermutung, von der ich nicht möchte, dass sie sich gerade jetzt bewahrheitet. Das kann sie nicht. Unpassend …

Ich beiße die Zähne zusammen, lasse den Kopf für einen Augenblick sinken und versuche, diesen Schmerz zu ignorieren, ich nicht weiter zu beachten.

Nicht jetzt.

Bitte.

Als ich wieder aufblicke, steht Sasuke neben mir, kniet vor mir, befreit meine Hände und hält sie in den seinen.

Wofür fesselte mich Itachi überhaupt, wenn er nichts tat, als sein Bruder mich befreite?

Vielleicht gerade deswegen …

Der sanfte Druck seiner Hände beruhigt mich ein wenig und der Schmerz verklingt langsam.
 

„Außerdem … ist dir nicht aufgefallen, dass du die Zügel des Rosses, auf das du Sasuke setztest, nie losgelassen hast? Du hast einfach nur das Licht gelöscht, das euch euren Weg durch die Dunkelheit zeigte …“
 

Die Blicke der beiden Männer, die gerade noch auf mir hingen, treffen sich und auf einmal sind Sasukes Augen wieder von diesem dunklen Grün.

Der Druck seiner Hände verstärkt sich, als könnte er so seine Gefühle unterdrücken.
 

Itachi reagiert ähnlich. Auch sein Sharingan verschwindet. Er sagt nichts, während Sasuke mich von dem Stuhl aufhebt und ins Schlafzimmer seiner Eltern trägt, in den Raum, in den wir zusammen übernachteten, als ich die Lüge wieder eine Lüge werden ließ.

Meine Augen sind erneut geschlossen und ich öffne sie erst wieder, als ich das Schnippen eines Feuerzeuges höre, das Kerzen anzündet.

Ich sehe ihn nicht, weil Sasuke, der neben mir auf dem Bett sitzt, ihn verdeckt, aber ich spüre, dass Itachi auch hier ist. Höre das leise Rascheln seines Mantels, den er auszieht und aufs Bett wirft, setzt sich auf die Couch an der Wand, blickt aus dem Fenster.
 

„Nicht losgelassen, ja?“
 

Sasukes Stimme ist nachdenklich. Nicht traurig, nicht wütend, nicht zornig und nicht verbittert.
 

„Sie hat Recht.“
 

Und sein Bruder klingt nicht anders.
 


 

„Es gab sie.“

Seit dem vermisse ich dein Lachen

Es begann mit einen kalten und dunklen Abend, das Ende des Jahres näherte sich.

Unsere Eltern waren nicht da, was zu dieser Zeit aber nichts ungewöhnliches war. Zu diesem Zeitpunkt lag Vater noch nicht viel daran, uns zu trennen. Du hast zwar schon als Ninja gearbeitet, konntest dieses Mal aber zu Hause bleiben. Musstest zu Hause bleiben. Auf deinen kleinen, sechsjährigen Bruder aufpassen.

An diesem Abend fiel kein Schnee und es regnete.

Ich hatte dich seit wir unsere Eltern verabschiedet hatten noch nicht wieder gesehen. Du warst in deinem Zimmer, darauf hoffend, dass ich es schaffen würde, mich irgendwie alleine zu beschäftigen und du erst dann dort herauskommen müsstest, wenn es Zeit für das Abendessen war, dessen Zubereitung dir Mutter immer und immer wieder eingetrichtert hatte. Ich war damals noch klein und du warst für mich einfach nur der große, unglaublich schlaue Bruder, auf den alle so unfassbar stolz waren, dennoch erkannte ich, dass du bereits ziemlich von dem angenervt warst, was Mutter dir erzählte.

Ich hatte mich ein wenig davor gefürchtet, dass du sie in all deiner Wut einfach verletzen würdest – immerhin warst du doch so unglaublich toll – und ich war sehr erleichtert, als unsere Eltern dann gingen und nur du und ich übrig blieben. Du sie vielleicht einen erbosten Blick gedachtest, dich dann aber umdrehtest und in dein Zimmer verschwandest.

Ich folgte dir zurück ins Haus, setzte mich aber nicht in mein Zimmer, sondern ins Wohnzimmer und dachte über dich nach. Es waren nur die Gedanken eines kleinen Jungen und ich kann mich nicht einmal mehr richtig daran erinnern, aber ich glaube, ich hatte zum ersten Mal ein wenig Angst vor dir gehabt, weil du unsere Eltern, die Menschen, die uns zur Welt brachten, so böse angesehen hattest. Ich dachte darüber nach, warum du sie so angesehen hattest – sie hatten es mit dir doch bisher immer nur gut gemeint.

Die Schiebetüren des Wohnzimmers stehen offen, weil ich mir ansehen wollte, wie der Wind das Wasser in dem kleinen Teich vor dem Wohnzimmer bewegte. Ich verglich es immer mit dir und das Spiegelbild der Rosen, die direkt neben dem Teich wuchsen und in ihrer Blütezeit im Wasser deutlich zu erkennen waren, war für mich mehr und mehr deine Position im Clan.

Damals verstand ich das noch nicht.

Und damals hörte ich dich auch nicht kommen, als du ins Zimmer rein kamst, und ich spürte dich auch nicht, als du einfach für eine Weile hinter mir standest und nichts sagtest.

Erst als du meinen Namen nanntest, schrak ich zusammen und drehte mich zu dir um.

Auf deinen Lippen ein Lächeln.

Triumphierend, glaube ich.

Auch, wenn ich nicht weiß warum.

Du kannst damals unmöglich schon die Gedanken gehegt haben, die dich schließlich dazu verleiteten, jene Tat zu begehen.

Du setztest dich neben mich.

„Warum hast du die Türen auf? Ist dir nicht kalt?“

Das war mir gar nicht aufgefallen bis zu dem Zeitpunkt, an dem du es aussprachst. Deine Stimme, kalt wie der Abend draußen, und eine Gänsehaut jagte mir über den Körper. Vielleicht weniger wegen der Kälte und viel mehr wegen dir.

Schon wieder lächeltest du auf diese undefinierbare Art.

„Nein.“

Die Tatsache, dass du um meine Lüge wusstest, ließ dich den Kopf schütteln, dein Arm streckte sich nach mir aus und zog mich zu dich ran. Ich saß zwischen deinen Beinen, mit dem Rücken an deine Brust gelehnt, gabst mir so die Wärme, die ich offensichtlich nicht hatte.

„Itachi?“

„Du hast gelogen, Sasuke.“

Für einen Augenblick sehe ich mit großen Augen zu dir hoch, überrascht, dass du von etwas wusstest, dass ich dir nicht gesagt hatte. Du als mein großer Bruder warst schon immer ein Geheimnis für mich, ein wandelndes Rätsel, das ich nie zu lösen erhoffte.

Dein Blick war sanft, liebevoll, so, wie ich ihn selten gesehen hatte, und ich erwiderte seinen Blick genauso.

Ich spürte deine Finger mit der Kette um meinen Hals spielen, wie sie jedes einzelne feine Glied von ihr zu erspüren schienen und letztendlich das Medaillon hervorzogen, es aber nicht öffneten.

„Itachi?“

„Mh?“

„Magst du unsere Eltern eigentlich?“

Der weiche Ausdruck in deinen Augen verlor sich wieder und jetzt konnte ich zum ersten Mal nicht einmal mehr erahnen, was in deinen Augen stand. Doch dann fingst du an zu lachen und deine Arme schlossen sich fester um mich, du senktest deinen Kopf und drücktest ihn gegen den meinen. Dein Lachen war nicht erloschen.

„Wie kommst du denn auf die Frage?“

Ich schüttelte einfach nur den Kopf, sagte damit, dass ich es nicht wüsste.

Doch diese eine kleine Frage, die eigentlich eher ein unausgesprochener Gedanke bleiben sollte, schien das Eis zwischen dir und mir an diesem Abend gebrochen zu haben.

Du wichst nicht ein einziges Mal mehr von meiner Seite, was zum Teil auch daran lag, dass ich dich nicht mehr losließ und dir, selbst wenn du nur in die Küche gingst, um uns eine Kleinigkeit zu essen zu holen und danach sofort zurückkamst, überallhin folgte.

An diesem Abend warst du mehr denn je mein Bruder, mit dem ich sogar lachen konnte und ich war glücklicher als je zuvor, mit dir zusammen zu sein.
 

Ich hatte den anderen Kindern meines Alters immer dabei zugehört, wie sie davon sprachen, dass sie mit ihren älteren Brüdern irgendwelche Spiele gespielt hätten, die sie aus irgendeiner verstaubten Kiste geholt hätten.

Doch wir beide, du und ich, wir haben einfach nur geredet, als wären wir bereits zehn Jahre älter, und wir lachten.
 

Und als es an diesem ersten Abend endlich Zeit war, ins Bett zu gehen, trennten wir uns nicht und du tatest nichts anderes als glücklich zu lächeln, als ich dir schweigend, weil ich so müde war, in dein Zimmer folgte. Deine Hände waren warm, als sie mir ein Oberteil von einen deiner Schlafanzüge überzogen; es reichte mir bis zu den Knien.

Wir legten uns in dein Bett und ich schlief sicher in deinen Armen schnell ein.
 

Es folgten die Weihnachtstage und selbst dann waren wir nicht voneinander zu trennen, selbst als unsere Eltern bereits zurückgekehrt waren.

Du hattest auf meine Frage, ob du unsere Eltern mögen würdest, nicht geantwortet, und die Tatsache, dass du schwiegst, sagte mir Jahre später, als ich anfing zu verstehen, dass dein Schweigen alles gesagt hatte und du meine Frage verneint hattest.

Zu diesem Zeitpunkt verstand ich auch, dass dein Lächeln nur wegen ihrer Anwesenheit verblasste und kaum waren wir erneut alleine, flammte es wieder auf und du umarmtest mich wieder liebevoll und immer öfters öffnetest du das Medaillon an meiner Kette, betrachtetest die Worte darin.
 

„In Liebe, dein Bruder Itachi“
 

In diesen paar Tagen, in denen wir von einander nicht zu trennen waren, begann ich dein Lachen zu lieben, es zu missen, wenn du es nicht tatest, lachen.
 

Ich hörte es nie wieder.

Seine Worte hallen laut

Es dauerte einige Zeit, bis Sasuke wieder still schweigt, aber ich hatte auch nicht gewagt, ihn zu unterbrechen. Was er gerade erzählte, lässt mich fast wieder weinen, weil es so unglaublich rührend ist.

Wirklich … bis vor ein paar Monaten, als ich zum ersten Mal eine Seite von Itachis Brief las, war er für mich noch ein skrupelloser Mörder, doch inzwischen ist er einfach zu einem verwirrten, großen Bruder geworden, der seinen kleinen, den geliebten, einfach braucht, weil er ohne ihn nicht leben kann.

Könnte er es, hätte er ihn schon längst losgelassen und ihn im Dunkeln allein gelassen.
 

Ein sonderbares Bild …
 

Ich sage nichts, unterbreche nicht die Stille und versuche einfach, die wieder kehrenden Schmerzen zu unterdrücken, die Zähne zusammen zu beißen und die anderen selbst an meinem Atem nichts anmerken zu lassen. Keine überflüssigen Bewegungen. Ich will sie nicht stören.

Vergebens.

Doch es ist Itachi, der die Stimme zuerst erhebt.
 

„Du solltest in ein Krankenhaus gehen.“

„Bist du wahnsinnig? Wie soll ich das denn schaffen? Ich bin momentan nicht einmal in der Lage, Chakra zu konzentrieren, was ich müsste, um rechtzeitig anzukommen – ansonsten kann ich nicht die Kraft aufbringen, ins Krankenhaus zu kommen!“
 

Doch kaum habe ich diese Worte ausgesprochen, formt Sasuke bereits Fingerzeichen und kurz darauf steht ein Doppelgänger neben ihm. Weil er im Weg steht, sieht Itachi nicht, wie Sasuke sich zu mir runterbeugt, mich zärtlich küsst und mir wenige Worte ins Ohr flüstern.

Ein fesselnder Blick aus unglaublich roten Augen.

Dann …
 

Schwarz.
 

Grau.
 

„Sakura! Verdammt, wach auf! Tsunade, mach doch bitte etwas! Du hast doch gesagt, dass sie …“

„Halt die Klappe, Junge! Wie soll ich irgendetwas machen, wenn du mich ständig unterbrichst? So verliert sie das Kind noch!“

„Nein, ich – ich … das darf sie nicht! Sie –“

„Halt die endlich den Mund und lass mich arbeiten!“
 

Wieder unendliche Finsternis.

Ich weiß, ich habe die Augen nicht auf, ich bin nicht einmal wach, aber dennoch erscheinen Bilder vor meinen Augen, die ich nicht sehen sollte. Und erst recht nicht wollte. Mag einfach nur nichts.

Bilder von den Gebrüder Uchihas.

Blut.

Dunkel.

Tot.

So viele Leichen.

Überall.

Schmerzen.

Unglaubliche.

Unbegrenzt.

Was jetzt?

Es tut weh, verdammt, aber wenn ich den Mund öffne und sie, diese unnennbaren Schmerzen, herausschreien will, sind sie nicht mehr da und kein Ton kommt heraus. Stille.

Nichts.

Ich sehe sie, die beiden schönsten Rosen mit dem schwarzen Haar, doch sie entdecken mich nicht.

Ich bleibe unsichtbar und meine Hände greifen durch sie hindurch und ihre Körper, gerade noch so fest und undurchdringbar, verschwinden in Rauch.
 

„Ich liebe dich.“
 

Es hallt durch die Stille, die so unendlich scheint wie die Nacht, in der ich mich verlor.

Es gibt kein Ende und selbst die bekannten Stimmen, die gerade noch zu hören waren – gerade? Ist es nicht schon Ewigkeiten her? –, sind verklungen und die Lautstärke dieser unglaublichen Totenstille wird immer unerträglicher.

Erwachen?

Nicht ohne Hilfe.

Von wem?

Niemand da …
 

Aber wer hilft mir hieraus, wenn er nicht da ist?

Wo ich ihn doch brauche … ihn liebe … und er sagte, er bräuchte mich auch …
 

Doch warum verschwand er dann gerade? Löste sich in Rauch auf?

Bin ich denn … tot?
 

„Ich werde das hier beenden und dann komm ich zu dir. Ich bleibe bei dir …“
 

„… weil ich ohne dich nicht mehr leben kann …“
 

„Hat sie was gesagt? Ist sie wach? Tsunade!“

Die Stimme ist forsch und besorgt zugleich und dennoch ist es nicht die, die ich hören will. Sie klingt der aus meinen Träumen so unähnlich und ich will meine Augen nicht öffnen. Es erinnert fast an einen Zwang, dass meine Lider mir nicht gehorchen und sie sich fast wie automatisch öffnen.

Ich habe nicht die Kraft mich zu widersetzen und werde langsam wach.

Schmerz.

Überall.

Und der Ekel erregende Geruch von Krankenhaus, der mich vorher eigentlich nie störte, doch im Moment … im Moment ist er alles andere als erträglich.

„Kopfschmerzen …“

„Verständlich“, höre ich eine Stimme reden und ich kann sie niemanden zuordnen, obwohl ich mir sicher bin, sie zu kennen, sogar sehr gut zu kennen. Doch ich glaube, die einzigen, von denen ich hätte sagen können, wem sie gehören, sind die Brüder Uchiha. Andere Personen existieren in meiner Welt nicht.

Nicht jetzt.

„Ich werde dir ein Mittel dagegen geben.“

Warum bin ich überhaupt in einem Krankenhaus?

Warum …

Was war passiert?

War ich irgendwie verletzt worden?

Ich war doch gesu …

„Madara! Wo ist Madara?“

Mit einem Schlag bin ich wach, zurückgekehrt in die Welt und schemenhafte Umrisse nehmen Gestalt an.

„Beruhige dich, Sakura! Mit Madara ist alles in Ordnung. Es war bloß falscher Alarm“, sagt sie, wer auch immer, kommt näher auf mich zu und legt eine Hand auf meine Schulter, will mich so beruhigen und mich sanft erneut auf das Bett zurückdrücken. Ich spüre, wie der Bauch, der in all den Monaten immer mehr anwuchs, nicht verschwunden war, sondern immer noch alles so war, wie es sein sollte.

Fühle die Bewegungen des Kindes in mir.

Erleichtert lasse ich mich zurück in die Kissen sinken, atme tief durch und schließe die Augen wieder.

„Wie fühlst du dich?“, fragt sie weiter und jetzt endlich, da der Schock meinen Verstand klärte, erkenne ich in ihr meine Meisterin Tsunade. Ihre blonden Haare umrahmen ihr Gesicht und wirken zersaust, einige Strähnen haben sich bereits aus den zwei Zöpfen, die sie immer trägt, gelöst.

„Beschissen.“

„Kein Wunder“, meint sie; das von mir erwartete Lächeln bleibt aus. Ich höre Geräusche und ich bin mir sicher, sie bereitet das Medikament zu, das sie mir geben möchte.

„Wer hat mich her gebracht?“

„Ich dachte, dass könntest du mir beantworten.“

„Mh?“

Sie atmet tief aus und sagt nichts, während sie meinen Kopf ein wenig anhebt, die Tablette in meinen Mund schiebt und mir ein Glas Wasser an den Mund hält. Geduldig lasse ich die Prozedur über mich ergehen und schlucke die Tablette.

Ich weiß, dass eine Arznei dieser Art nie sofort wirkt, aber nach wenigen Sekunden, die mir bereits wie Ewigkeiten vorkommen, wünsche ich mir, es würde bereits wirken, mir diese Schmerzen nehmen.

„Wie meinst du das, Tsunade?“

„Du wurdest von einem Schattendoppelgänger her getragen. Naruto hat zufällig aus dem Fenster gesehen und fast einen halben Herzinfarkt bekommen, als er seinen ehemaligen besten Freund über die Straße laufen sah.“

„Besten Freund?“

„Sasuke, Sakura. Sasuke.“

„Er war … hier?“

„Nein, nur ein Doppelgänger.“ Sie seufzt erneut. „Aber er selbst muss ihn erschaffen haben. Er muss irgendwo im Dorf sein. Naruto ist gerade mit einer Gruppe aus mehreren Jo-nin und Jiraiya auf dem Weg zum Anwesen der Uchihas.“
 

„Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin … die erste Nacht des Vollmondes …“
 

„Die Nacht, in der dieser ganze Mist überhaupt begann – ich bin so eine Närrin!“
 

Stimmt … in dieser Nacht … damals … als Itachi sich bewies … sich beweisen musste … da war es auch Vollmond … und zwar der erste Abend …
 

Das Muster, das sie suchten …

Der schöne, stolze, unbesiegbare, große Bruder

Ich hatte nie gedacht, dass es wirklich eines geben würde.

Das Muster, nachdem Jiraiya-sama suchte.

Ich dachte, sie würden sich da in etwas hineinsteigern, was es nicht geben konnte, weil es Itachi, der unberechenbare, war, der dieses Datum festlegte.

Welch Ironie, dass es dieses doch gab und was fast noch ironischer war, dass am selben Abend, an dem alles anfing, auch alles beendet werden würde.

Tsunade war bereits vor einer, vielleicht auch schon zwei Stunden gegangen. Ich hatte seit her nicht mehr auf die Uhr gesehen. Mein Blick hängt einzig und allein auf dem Mond, den ich endlich durch das Fenster, das von den Vorgängen nicht verborgen war, sehen kann. Es dauert garantiert nicht mehr lange und dieser ist wieder aus meinem Sichtfeld verschwunden, aber bis dahin will ich es genießen.

Zusammen mit meinem und seinem Kind zu sein.

Vorhin, als Tsunade mir sagte, die Wehen, die eingesetzt hatten, wären nur falscher Alarm gewesen, war ich unglaublich froh darüber, dass meinem Kind nichts passiert und es immer noch bei – in – mir war, wo ich es in Sicherheit wiegte. Und jetzt bin ich unbeschreiblich glücklich.

Ich hatte gefürchtet, er könnte nicht dabei sein, so wie er es wollte.

Nun blicke ich auf zum Mond, den silbernen, den leuchtenden, und kann nichts anderes tun als hoffen. Hoffen darauf, dass Sasuke es überleben wird. Diesen Kampf mit Itachi.

Kämpfen sie denn überhaupt?

Und wenn sie kämpfen, kämpfen sie dann zusammen gegen all die, die später ankamen, um sie zu unterbrechen? Um das zu tun, was ich nicht tun wollte?

Ich seufze.

Naruto war derjenige, der mir das Versprechen gab, mich nie im Stich zu lassen, bei mir zu stehen, egal, was passieren würde und er hatte es nicht gehalten.

Ich hatte fürchterlich geweint, fühlte mich unendlich von ihm betrogen.

Sasuke tat dies nicht.

Er schwor mir seine Liebe und in seinen Augen glänzte nichts anderes als die feuchte Wahrheit, als er sie sprach, die Worte, die ich nun nicht mehr aus meinem Kopf herausbekomme.
 

„Ich werde das hier beenden und dann komm ich zu dir. Ich bleibe bei dir …“
 

Seine Worte.

Er sagte noch etwas anderes, aber ich will sie nicht aussprechen. Sie in meinen Gedanken aufbewahren, bis er sie mir selbst wieder liebevoll ins Ohr flüstern kann.

Mehr will ich nicht.
 

Was wohl gerade los ist?

Ich kann durch das Fenster nicht die Straße sehen, die vor dem Krankenhaus verläuft. Gab man mir absichtlich ein Zimmer, dessen Fenster zum Hinterhof zeigt?

Vermutlich.

Könnte ich die eilenden Ninja sehen und gerade, weil ich sie alle kenne, zwischen Jo-nin und Chu-nin, vielleicht auch sogar ANBU, unterscheiden kann, dann würde ich sicherlich sehr schnell nervös und meine Sorge um die beiden Brüder würde ins Unermessliche wachsen.

Ich will nicht, dass Sasuke stirbt, ist er immerhin doch der Vater meines Sohnes.

Außerdem … kann ich ohne ihn genauso wenig leben wie er ohne mich.

Ich lächele glückselig.

Und Itachis Tod erhoffe ich mir ebenso wenig.

Der Brief hatte ihn in ein anderes Licht gerückt, ein dämmriges, das ihm all seine Bösartigkeit nahm. Die ganzen Kämpfe, die wir zwischendurch ausgetragen hatten, auf der Suche nach Sasuke, sind vergessen. Es gab sie nie.
 

War was?
 

Nein, das Geräusch hatte ich mir wohl nur eingebildet.
 

Ich schüttele den Kopf, versuche wieder zu schlafen. Um den Gedanke an Sasuke loszuwerden, um nicht vor Sorge umzukommen und ihm an nächsten Morgen, wenn er dann an meinem Bett sitzen und geduldig mit mir warten würde, dass die Wehen einsetzen, ein glückliches Lächeln schenken.
 


 

„Du kannst mich doch nicht dumm sterben lassen.“

„Sakura, beruhig dich! Die Wehen haben wieder eingesetzt und dieses Mal ziehen wir das bis zum Ende durch! Du musst dich beruhigen!“

„Nein, das – das darfst du nicht! Nicht ohne ihn – er muss dabei sein!“

„Wir haben keine Zeit, auf irgendjemanden zu warten! Selbst, wenn es der Vater wäre – Sakura, ich bitte dich! Tief durchatmen!“
 

Sie versteht nicht … ich muss – er muss … hier sein!

Bei mir … ich kann nicht ohne ihn … muss …
 

„Sakura!“
 

Ich hatte das Gefühl, meinen Namen zwei Mal zu hören, fast zur gleichen Zeit, aber dennoch unterschiedlich. Die eine Stimme ist empört, fast schon entnervt und viel näher als die andere, die tiefer ist, aber eher ängstlich, etwas zittrig, weiter weg, jedoch näher kommend.

Sie wiederholt sich.
 

„Sakura!“
 

Lauter, immer lauter werdend.
 

„Hey – Sie können hier nicht rei … Sasuke?“

Ich verstehe den Rest von dem nicht mehr, was sie beiden Stimmen besprechen. Seit ungezählten Stunden versuche ich bereits diesen Schmerz zu ertragen, ihn irgendwie zu verdrängen, doch es ist nicht wie in meinen Träumen.

Wenn ich den Mund aufmache, ist er immer noch.

Mein Schrei ist laut, wenn ich glaube, nichts dürfte die Stille durchbrechen.
 

„Tsunade, lass ihn durch. Ich brauch … ihn …“
 

Ich weiß nicht, was sie noch aufhält, doch Ewigkeiten scheinen vergangen, als ich Sasuke Hand endlich in der meinen spüre, seinen warmen Atem auf meiner Haut fühle.

In den Momenten, in denen ich ruhig durchatmen kann, ergreife ich jede Chance, den Vater meines Kindes zu befragen.

Tsunades ärgerliche Blicke entgehen mir auf keinen Fall.
 

„Was ist passiert?“

„Wir … haben nicht gekämpft, bis Naruto mit Anhang kam … ich hätte nie gedacht, dass Itachi und ich jemals Seite an Seite kämpfen würden …“

„Und?“
 


 

„Sasuke!“
 

Er antwortet mir nicht mehr. Ich sehe zu ihm, wenn auch nur mit einem halb geöffneten Auge, will in die seinen sehen, die jedoch beide geschlossen sind. Die Augenbrauen zusammengezogen. Er beißt sich auf seine Unterlippe.

Sein Gesicht ist eine Mischung aus Zorn und Trauer und ich kann nicht erkennen, welches der beiden Gefühle ihn beherrscht. Ich habe ihn noch nie so gesehen und er redet nicht weiter. Ich weiß nicht, was passiert ist.

Überall ist Blut, doch ich kann erkennen, dass es überwiegend nicht sein eigenes ist. Ihn zieren nur wenige Wunden, die bluteten.
 

War Itachi …

Nein.

Von mir aus alle, nur nicht er.

Er kann gar nicht.

Er, der unglaubliche, mächtige, stolze, schlaue, unbesiegbare, schöne, große Bruder.

Alle, nur nicht er!

Er kann nicht …
 

Meine freie Hand greift zu Itachis Kette an meinem Hals.

Sie ist kalt von meinem Schweiß.
 

Kein Leben mehr …
 


 

„Darf ich vorstellen, Sakura? Haruno Madara.“
 

Ein Blick zu Sasuke, in sein lächelndes Gesicht, sein erschöpftes.

Er nickt.

Tsunade wieder zugewandt schüttele ich den Kopf.
 

„Nein … sein Name ist Uchiha Madara …“

In Liebe, dein Bruder Sasuke

Hey,
 

zum ersten Mal seit 29 Kapitel ein Kommentar von mir und das nicht deswegen, weil ich meine Gewohnheiten ändern mag^^'.

Wir sind beim Epilog angekommen und damit beim Ende - etwas über ein Jahr, seit dem der Prolog online ist.

Kommt vielleicht etwas plötzlich, wenn ich mir die Kommentare vom letzten Kapitel so durchlese^^' ...
 

Und apropos Kommentare - vielen Dank an alle, die mir so liebe Kommentare geschrieben und mir gesagt haben, was ihnen an dieser Ff so gefällt.

Vielen Dank für knapp 80 Kommentare und knapp 60 Favoriteneinträge (hallo? Meldet euch mal, wenn euch die Ff mindestens so gefällt, dass ihr sie in eure Favoritenliste stopft!!!!!) - danke dafür^^ *euch alle knuffel*.
 

Soo~ ... und nun zum Epilog^^.
 

Liebe Grüße ♥,

Sitamun
 

(P.S.: Wen’s interessiert: Prolog und Epilog sind im Anfangsbereich sehr ähnlich aufgebaut^^’)
 

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
 

Er ging.

Ich weiß.

Vor Ewigkeiten.

So kommt es mir zumindest vor.

Ich weiß sehr wohl, dass es nur vier Jahre sind, und auch, wenn wir das letzte dieser vier Jahre mehr denn je damit verbrachten, ihn zu besuchen, ihm zwischendurch Blumen mitbrachten, die dann doch wieder verwelkten, bleiben es Ewigkeiten.

Er ist weg.

Er liebte ihn, über alles. Er war ihm wichtiger als sein Leben, sehr viel wichtiger, doch nichts davon ist vergangen und es stört den Gesamteindruck sehr.

Zwischen heute und damals besteht kein einziger Unterschied.

Er fehlt ihm seit dem Tag, an dem er ging.

Seit dem er ihm sein Lachen missen ließ und er glaubte, seinen Bruder zu verlieren.

Seit dem ersten Abend des Vollmondes, als er nicht anders konnte, als jenen Schritt zu tun.

Trauer wurde zu einem ständigen Begleiter unseres Lebens und aus Respekt vor dieser zog Naruto aus dem Zimmer von dem großen Bruder aus und überließ es dem Kind des Mannes, den er als Bruder bezeichnete.

Naruto … mh …

Man kann sagen, er ist fast schon ins Hyouga-Anwesen eingezogen. Ihre Träume wurden nur verschoben, ihre Augen sehen wirklich alles … dabei wünschte sie sich doch, meine Augen zu haben … sie ist mir nicht mehr sauer und ihr Gesicht ziert ein großes Lächeln, wenn sie mit ihrer Hand über ihren Bauch streicht, deutlich sichtbar. Narutos Kind.

Ich freue mich für sie – wirklich.
 

Sasukes Zimmer steht leer.

Trauer prägte uns nicht, ließ uns nicht deprimieren, aber ein Leben ohne ihn … ich glaube nicht, dass Sasuke es jemals verkraftet hat.

Er versucht, mich es nicht merken zu lassen, aber dennoch glaube ich auf den roten Blättern seiner Blüte zu erkennen, dass sich dort ein Tropfen roter Flüssigkeit befindet.

Itachi hatte gelogen.

Eine Rose, auch wenn sie bereits verwelkt, verliert ihre Dornen nicht. Sasuke war selbst zu einer Rose geworden, dieser schönen, hatte Itachi betrachtet, diese stolze, schweigsame Rose, und sich an seinen Dornen geschnitten.

Blut tropfte auf seine Blütenblätter und wird dort auf ewig verweilen.
 

„Mama? Warum weinst du?“

Madaras grüne Augen, dunkel, fast schwarz wie seines Vaters Augen, blicken zu mir auf, fragend und unwissend, neugierig für all das, was die Welt noch vor ihm verbirgt.

„Ich dachte an Itachi …“

Er hat die Geschichte von seinem Onkel, der in Ehren starb, schon oft genug gehört, aber ständig fragte er danach und er hörte sie jedes Mal und immer wieder gerne. Noch hatten weder ich noch Sasuke ihm erzählt, dass Itachi es war, der Schuld daran trug, dass der einst so gewaltige Uchiha-Clan nur aus einer Stammfamilie von mageren drei Mitgliedern bestand.

Nun …

„Aber das tust du jedes Mal, Mama.“

„Ich weiß.“

Ich knie mich neben ihn, ein Junge im zarten Alter von vier Jahren, den letzten Geburtstag erst vor einem Monat hinter sich.

Heute ist der 19. Januar.

Wir stehen vor Itachis Grab, die Blumen darauf frisch, heute erst gekauft.

Ein letzter Blick, dann gehen wir zurück nach Hause.
 

„Mama?“

„Ja, Madara?“

„Mein Brüderchen wird doch in Papas altes Kinderzimmer einziehen, oder?“

„Aber das habe ich dir doch schon gesagt.“

„Ich weiß … darf ich mir einen Namen für ihn aussuchen?“

„Natürlich.“

„Ich will, dass mein Bruder Itachi heißt.“
 

„Das hat er wirklich gesagt?“

„Ja, hat er.“

„Nun, um ehrlich zu sein, Sakura … daran habe ich ebenfalls gedacht …“

„Wirklich?“

„Ja …“

„Dann ist es ja beschlossen. Unser zweiter Sohn trägt den Namen Itachi. Apropos Itachi – Madara meinte, er würde dann in dein Zimmer ziehen, damit sein Bruder das ihres Onkels haben kann. Und … seine Kette steht dir übrigens ausgezeichnet, Sasuke.“

„Sie werden auch welche bekommen.“

„Ja … und vielleicht wird ihnen ja auch das Glück geschenkt, euer Leid nicht zu teilen …“
 

Schweigen.

Nur durchbrochen von seinem bitteren Lächeln.
 

In Liebe, dein Bruder Sasuke



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Von:  Schreibfeder
2015-06-20T23:24:22+00:00 21.06.2015 01:24
Deine Story ist einfach wunderbar und fesselnd. Du hast eine andere Art zu schreiben, die mir richtig gefällt. Es ist so, als ob du aus dem Unterbewusstsein Sakuras erzählst.
Die Gedanken, Gefühle und Empfindungen prägen deine FF und nicht die eigentliche Handlung. Das finde ich sehr ansprechend und ich hoffe diesen Schreibstil setzt du fort.
Die Passagen des Briefes und diesen im allgemeinen selbst finde ich sehr rührend und traurig ist es auch.
Das Itachi am Ende doch gestorben ist, fände ich ein bisschen schade. Aber, es hat gepasst.
Danke für diese tolle FF.
Liebste Grüße,
Madline
Von:  ChinaPony007
2013-06-28T19:36:09+00:00 28.06.2013 21:36
WOW!!!!


Also ich muss sagen das dein ff sooo geil war.
Ich weiß nicht wie oft ich geweint habe :D
Du hast ihn echt super geschrieben und er ist das beste was ich seit langem gelesen habe!!!

LG ChinaPony007
Von:  croatiababe
2013-06-19T19:09:13+00:00 19.06.2013 21:09
Ich hab geflennt, so schön geschrieben sowas liest man echt selten respekt.
Von:  Pazifik
2013-05-05T11:11:34+00:00 05.05.2013 13:11
Wunderschön!
Diese FF hat mich echt begeistert!
Sie ist eine der wenigen,in denen man Sasukes Gefühle einfach nur versteht. Nicht mehr,nicht weniger.
Großes Lob an dich. Das Ende ist auch echt süß.

Grüsschen,Pazifik❤
Von:  Sakura___Uchiha
2013-04-25T19:00:41+00:00 25.04.2013 21:00
Einfach nur toll die FF :)
ich lese deine FF sehr gern,
fast wie Poesie.
Sie regen einem wirklich zum denken an und das ist schon außergewöhnlich.
Lieben Gruß
Von:  Yukiko-Arakawa
2012-09-09T20:27:23+00:00 09.09.2012 22:27
Armer kleiner Sasu. Das muss jetzt ein richtiger Schock sein, ich freue mich schon so sehr weiter zu lesen >,<

lg Yuki
Von:  Yukiko-Arakawa
2012-09-08T21:29:23+00:00 08.09.2012 23:29
Puh wie es aussieht wird es doch eine SasuSaku FF :)
Sorry ich musste das letzte Kapitel unbedingt lesen um es heraus zu finden >.<
Aber ich werde die anderen Kapitel morgen und so noch lesen ;D

Glg Yuki
Von:  Yukiko-Arakawa
2012-09-08T21:10:48+00:00 08.09.2012 23:10
Oh ich bitte zu allen Göttern die ich kenne. Nicht NaruSaku >.<
Mein Herz gehört nur SasuSaku >.<
Mal gucken
Von:  Yukiko-Arakawa
2012-09-08T20:51:52+00:00 08.09.2012 22:51
Oh verdammt.
Hoffentlich bildet Naruto sich nichts darauf ein >.<

lg Yuki ;)
Von:  Yukiko-Arakawa
2012-09-08T20:45:00+00:00 08.09.2012 22:45
Bei der Stelle mit dem Osterhasen habe ich mich schlapp gelacht xD
Pfui wie gemein an einer so spannenden Stelle einfach auf zu hören >.<

glg Yuki

PS: War wieder gut ;)



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